Tennis: Früher Pokale, heute Streit
Die glorreichen Zeiten des deutschen Tennis liegen schon ungefähr 20 – 30 Jahre zurück. Es war in den 80ern, als Steffi Graf und Boris Becker in Deutschland für einen Tennis-Boom sorgten. Um das Tennis herrschte damals eine Euphorie, wie sie heute der Fußball erlebt. Die Tennis-Clubs hatten einen noch nie erlebten Zulauf, auf den Anlagen mussten sich die Interessenten in Belegungslisten eintrage, um überhaupt einen freien Platz zu bekommen. Die Zeiten sind vorbei, heute stehen viele Plätze wieder leer und die Mitgliederzahlen der Clubs haben sich halbiert. Tennis ist wieder ein Sport, der eben auch gespielt wird und für den einen oder anderen noch ein schönes Freizeitvergnügen darstellt.
Es ist die Besonderheit der Deutschen, dass sie Vorbilder brauchen. Alle wollten damals einer Steffi Graf und einem Boris Becker nacheifern. Heute gibt es im Tennis keine Vorbilder mehr. Bei den Herren hatte man Thomas Haas eine ähnliche Rolle wie Boris Becker zugetraut, doch das große Talent, das frühzeitig vor allem wirtschaftlich vermarktet wurde, hatte immer wieder mit gesundheitlichen Rückschlägen zu kämpfen. Der Körper spielte nicht mit.
Dass erfolgreiches Tennis die Begeisterung sofort wieder wecken kann, zeigte sich vor zwei Jahren, als Sabine Lisicki als erste Deutsche seit Steffi Graf 1999 wieder im Wimbledon-Finale stand. Bis dahin wurden die Übertragungen aus dem Tennis-Heiligtum nicht beachtet, jetzt plötzlich merkten alle, dass Tennis im Bezahlfernsehen verschwunden war. Sky übertrug und viele meckerten über ARD und ZDF, dass Tennis doch ins freie Fernsehen gehöre. Vorher hatte es keinen interessiert. Inzwischen sind die Diskussionen wieder eingeschlafen.
Interessiert es jetzt die Öffentlichkeit, wenn Deutschland am kommenden Wochenende in Frankfurt wieder im Davis-Cup antritt? Kaum. Zu Beckers Zeiten gewann Deutschland 1988, 1989 und 1993 den begehrten Pokal. Doch wo es früher Pokale gab, gibt es heute nur Streit. Scheinbar finden sich die deutschen Tennis-Cracks nicht zu einer Einheit, zu einer echten Mannschaft zusammen. Damals scharrten sich alle um Boris Becker, heute sieht sich jeder als Star, aber von internationaler Spitzenklasse sind alle weit entfernt.
In Frankfurt schließt sich gewissermaßen ein Kreis. Vor einem Jahr kam es zum Eklat, als das Match gegen Spanien verloren war und sich die Stars weigerten, zum letzten, unbedeutenden Einzel anzutreten. Eine Frechheit. Als Drahtzieher wurde der Augsburger Philipp Kohlschreiber ausgemacht, der danach aus der Mannschaft flog. Schon vorher hatte er sich vor allem in der Rolle des Querulanten gefallen. Doch nicht nur Kohlschreiber musste gehen, sondern auch ein Teamchef nach dem anderen.
Jetzt soll es Michael Kohlmann richten, im Februar 2014 als Assistent dabei. Er hat sich wieder mit Kohlschreiber getroffen und Deutschlands Nummer 1 zurückgeholt. Alle Augen sind aber auf einen anderen Mann gerichtet: Auf Niki Pilic, der erfolgreichste Davis-Cup-Coach aller Zeiten, dreimal mit Deutschland, je einmal mit Kroatien und Spanien. Der Kroate ist inzwischen 75, aber seine Erfahrung sollte die Streithähne im deutschen Team zähmen. Eine Bewährungsprobe steht bevor, denn das DTB-Team mit Kohlschreiber, Benjamin Becker, Jan-Lenard Struff und André Begemann ist gegen Frankreich krasser Außenseiter. Die Partie wird frühzeitig entschieden sein, aber das Frankfurter Publikum kann beruhigt sein, diesmal wird jemand auch die bedeutungslosen Einzel spielen, denn wann spielen die deutschen Nobodys schon vor großem Publikum.
Übrigens: Auch diesmal verschwindet Tennis in einem unbedeutenden kleinen Kanal, SAT.1 Gold überträgt. Aber es wird keine Proteste geben und keine Zuschauerrekorde an den Bildschirmen.
Das war am 7. Juli 1985 anders, als Boris Becker in Wimbledon seinen ersten Grand Slam gewann. Da schaute auch dem Sport-Grantler seine bessere Hälfte zu, die sich ansonsten kaum für Sport interessierte. „Schade, dass ich die Regeln nicht kenne“; klagte sie am Abend, als der Sport-Grantler aus der Redaktion nach Hause kam. So ging es damals vielen Deutschen. Inzwischen haben sie die Regeln wohl wieder vergessen!
Übrigens: Boris Becker gewann sechs Grand-Slam-Turniere, davon dreimal in Wimbledon. Steffi Graf holte sich sogar 22 Grand-Slam-Titel und 1988 den sogenannten „Golden Slam“, weil sie neben den vier Grand Slams auch bei den Olympischen Spielen gewann. Sie war 377 Wochen lang die Nummer 1 der Weltrangliste. Das waren noch Zeiten!