Fußball-Trainer drehen den Spieß um
Das normale Geschäft im Profi-Fußball geht so: Spielt die Mannschaft schlecht und es besteht die Gefahr, dass die anvisierten Ziele nicht erreicht werden, vielleicht sogar der Abstieg droht, dann muss der Trainer gehen. Der Trainer ist bekanntlich das schwächste Glied in der Kette. Vorstand und Manager oder Sportdirektor haben die Macht, eine ganze Mannschaft kann man schlecht austauschen. Mit warmen Worten wird der Coach verabschiedet, er hat tolle Arbeit geleistet, aber es hat halt nicht gepasst. Eine hohe Abfindung versüßt den zeitweiligen Ruhestand.
Inzwischen hat sich das Blatt allerdings gewendet. Gerade in dieser Saison ist es in der Fußball-Bundesliga auffällig, wie viele Trainer im Gespräch sind, ihren Verein von sich aus frühzeitig zu verlassen. Die Fußball-Trainer drehen ganz einfach den Spieß um. Sie sagen zum Saisonende ihrem Verein, ich habe gern bei Dir gearbeitet, aber ich habe Größeres vor. Ade Abstiegskampf, willkommen Champions League. So ungefähr. Es gehört wohl auch zum Geschäft, dass interessierte Vereine Trainer auf ihrem Zettel haben, die woanders noch untere Vertrag stehen. Mit Millionen lassen sich Verträge auflösen.
Bisher kannte man es nur von den Spielern, dass sie ihre Vereine vorzeitig verlassen wollen und andere, höhere Ziele anstreben. Nach dem Bosman-Urteil war es sowieso üblich, dass der Vertrag vorzeitig beendet wurde, damit der Verein noch eine Ablösesumme kassieren kann. Jetzt also auch bei den Trainern. Nehmen wir das Beispiel Markus Weinzierl beim FC Augsburg. In Zeiten, als er schon bei anderen Klubs begehrt war, setzte er ein Zeichen und verlängerte seinen Vertrag beim FCA bis 2019. Jubel im Verein und bei den Fans. Kaum beachtet, aber wohl Wahrheit: Sollte ein gutes Angebot kommen, könne Weinzierl gehen. Der Verein hat dann zwar ein paar Millionen Euro, aber keinen Trainer mehr.
Weinzierl steht nicht allein da, auch Ralph Hasenhüttl in Ingolstadt hat noch einen Vertrag, flirtet aber heftig mit anderen Vereinen. Die Gerüchteküche kocht. Mittendrin der RB Leipzig, wo Manager Ralph Rangnick die Doppelrolle als Trainer nicht mehr spielen möchte. Viele Namen kursierten, auch Weinzierl war im Gespräch, aber jetzt scheint es auf Hasenhüttl hinaus zu laufen. Das Problem: Erst muss Leipzig in die Bundesliga aufsteigen, damit der Verein für den Österreicher überhaupt interessant wird. Oder nimmt er notfalls den Umweg über die 2. Bundesliga in Kauf? Aber die Brause von Red Bull scheint in Leipzig attraktiver zu sein, als Audi in Ingolstadt.
Seltsam ist, dass Trainer zum Ende der Saison angezählt werden, obwohl ihre Vereine gar nicht so schlecht dastehen. Andre Breitenreiter steht bei Schalke 04 auf verlorenem Posten. Da gibt es Theater um den scheidenden Manager Horst Heldt und den künftigen Manager Christian Heidel, der derzeit noch für seinen alten Verein Mainz 05 arbeitet, aber dennoch Schalke im Visier hat. Offensichtlich mit Markus Weinzierl als neuen Trainer. Breitenreiter kam vor der Saison als Hoffnungsträger, legte den besten Saisonstart aller Zeiten hin und dann ging die Luft aus. Offensichtlich machte er sich im Umfeld unbeliebt, aber nicht bei der Mannschaft. Sollte Weinzierl kommen, könnte er von Anfang an zwischen den Stühlen sitzen. Vom beschaulichen Augsburg ins Chaos von Schalke 04? Wer nach oben will, muss leiden können!
Auch bei Borussia Mönchengladbach wurde Trainer Andre Schubert gefeiert, als er Lucien Favre abgelöst hatte und mit der Mannschaft eine Siegesserie hinlegte. Der Verein konnte gar nicht anders, als der öffentlichen Meinung nachzugeben, dass Schubert, eigentlich als Übergangslösung gedacht, bleiben müsse. Doch seit der Vertragsverlängerung ist der Lack ab, Gladbach rutschte ab, zeigt vor allem eine bedenkliche Auswärtsschwäche. Bezeichnend, dass Schalke und Gladbach bei 45 Punkten beide um einen Platz im europäischen Wettbewerb fürchten müssen, also die Trainer angezählt sind. Hier gilt noch das alte Geschäft.
In Bremen wissen sie nicht so recht, was sie machen sollen. Da soll Trainer Viktor Skripnik die Klasse halten, dennoch wird er angezählt. Geschäftsführer Thomas Eichin zeigt sich mutig und hält am Trainer fest, macht allerdings unterschwellig deutlich, dass diese Treue nur bis zum Ende der Saison gilt. Skripnik macht eine mürrische Miene zum bösen Spiel, zog mit dem 3:2-Sieg aber den Kopf aus der Schlinge. Werder ist für ihn eine Herzensangelegenheit, sonst hätte er schon lange ebenfalls den Spieß umgedreht.
Neu ist auch, dass sich die Trainer heutzutage gern die Freiheit nehmen, ein sogenanntes Sabbatjahr einzulegen. Das können sich freilich nur die großen Namen leisten. Bestes Beispiel war Pep Guardiola, der beim FC Barcelona vorzeitig ging, weil er ausgebrannt war. Nach einem Jahr Pause entschied er sich für den FC Bayern München, zeigte aber auch frühzeitig an, dass er seinen Dreijahresvertrag nicht verlängern würde. Immerhin erfüllt er ihn bzw. darf ihn erfüllen. Ob am Ende auch die Erfüllung steht, nämlich das Triple, das steht in den Sternen. Möglich auch, dass er wieder Pech hat. In München löste er Alt-Meister Jupp Heynckes ab, der sich mit dem Triple verabschiedete. Bei Manchester City sollte Guardiola endlich für internationale Erfolge sorgen, aber gerade jetzt liefert die Mannschaft ihre beste Saison und steht im Halbfinale der Champions League. Armer Pep, wenn City gerade jetzt die Champions League gewinnt…
Guardiolas Nachfolger Carlo Ancelotti kommt übrigens ebenfalls ausgeruht zu den Bayern. Er hat nach seiner Aufgabe bei Real Madrid ein Sabbatjahr hinter sich, hat sich abwechseln in Vancouver und New York vergnügt. Es scheint, wir müssen die Fußball-Trainer nicht bemitleiden. Sie haben immer mehr das Heft des Handelns in der Hand.