Sind die Bayern Anfang der Saison schon am Ende?
Vor einer Woche war an dieser Stelle „von einem außergewöhnlichen ersten Spieltag“ in der Fußball-Bundesliga die Rede. Was, bitte schön, war dann der zweite Spieltag? Die seltsamen Ereignisse und Ergebnisse überschlugen sich und es war ein Spieltag, wie ihn sich eine PR-Agentur nicht besser als Werbepaket für die Bundesliga hätte ausdenken können! Spieler-Streik, Trainer-Entlassung, Zuschauer in fast allen Stadien und Favoriten-Stürze – sieht so die Antwort auf die Corona-Pandemie aus?
Im Mittelpunkt natürlich der vom Triple-Sieger zum Quadruple-Sieger aufgestiegene FC Bayern München. Im Jahr 2020 bis dahin noch ungeschlagen, scheinbar unantastbar, aber es scheint, als bewahrheiteten sich die Warnungen: Die Terminhatz zu anstrengend, der Kader zu klein. Der Sieg im UEFA-Supercup, das 2:1 gegen den FC Sevilla nach 120 Minuten, hat wohl Spuren hinterlassen. Die Folge war das 1:4 in Hoffenheim, wo eine von Jungtrainer Sebastian Hoeneß clever eingestellte Mannschaft ähnlich wie Sevilla (da wehrten sich die Bayern noch tatkräftig) die Schwächen beim Münchner Sturm- und Drang-Konzept schonungslos offenlegte. Die Bilanz sprach für den Meister, bis dahin nur drei Hoffenheimer Siege in 25 Spielen, neue Rekorde schienen möglich. Aus und vorbei. Keine elf Auswärtssiege in Folge, kein ungeschlagenes Jahr 2020. Das gab es bisher einmal, die Bayern schafften das 2013. Die letzte Niederlage gab es am 7. Dezember 2019! Achtung: 2020 noch ungeschlagen ist – Arminia Bielefeld. Der Aufsteiger wehrt sich auch im Oberhaus, blieb bis dahin in der 2. Liga ungeschlagen!
Bei den Bayern stellt sich die Frage, sind sie am Anfang der Saison schon am Ende? Die Hetzjagd geht weiter, der Kader wird eher noch kleiner. Die Nachrichten passen nicht zur Situation: Javi Martinez, der Held von Budapest mit dem Siegtreffer zum 2:1, will zurück in die alte Heimat nach Bilbao, Cuisance will spielen und ist bei Leeds United im Gespräch, zudem ist die Verpflichtung des begehrten Verteidigers Dest fraglich, der Belgier tendiert neuerdings zum FC Barcelona. Trend: Die Bayern haben viele Pokale, aber wenig Spieler.
Nicht zu vergessen, der nächste Supercup steht bevor, am Mittwoch gegen Borussia Dortmund. Damit nicht immer in Dortmund gespielt wird, haben die Münchner diesmal Heimrecht, allerdings wohl ohne Zuschauer. Das Geheimnis: Wie ernst nehmen beide Trainer diesen Supercup. Sehen sie ihn als Superspiel oder als Experimentierfeld? Für Bayern-Coach Hansi Flick könnte Erholung im Vordergrund stehen oder will er lieber eine neue Siegesserie starten? Kollege Lucien Favre hat wohl eher den Ehrgeiz, die Hand nach dem Pokal auszustrecken, aus doppeltem Grund: Einmal als Beweis, ich kann doch Titel gewinnen, zum anderen, die Mannschaft braucht nach der peinlichen Niederlage in Augsburg neues Selbstbewusstsein. Sportchef Michael Zorc betonte bereits: „Das ist ein Prestige-Duell.“ Die Dortmunder gehen auch mit mehr Ehrgeiz in diese Spiele, zum neunten Mal stehen sich beide Teams in diesem Supercup-Vergleich gegenüber (normal Pokalsieger gegen Meister, beim Doublegewinn darf der Vizemeister, wie diesmal Dortmund, ran), Dortmund weist eine positive Bilanz von 5:3-Siegen auf. Aber: Am ersten Spieltag wurden beide Mannschaften umjubelt, in den Himmel gehoben, jetzt gilt Krisenbewältigung!
Dortmund leitete den zweiten Spieltag der Favoriten-Stürze mit dem 0:2 beim FC Augsburg ein. Clever verengten die Augsburger die Räume und liefen sich die Zunge aus dem Leib, sie rannten elf Kilometer mehr als die Dortmunder. Für Trainer Heiko Herrlich war es der erste Heimsieg mit dem neuen Verein! Eigentlich war den Augsburgern zum Saison-Start das Tabellenende prophezeit worden, am Samstag grüßten sie als Tabellenführer – bis dann Hoffenheim kam. Aber auch die anderen Anwärter auf die Champions-League-Plätze strauchelten, Leverkusen und Leipzig trennten sich 1:1, das schaffte auch Gladbach nur gegen Union Berlin und Hertha BSC erlebte den Reinfall gegen Eintracht Frankfurt (1:3). Leverkusen und Gladbach sind noch ohne Sieg! Na ja, sind ja erst zwei Spieltage.
Am Tabellenende finden sich zwei Mannschaften, die für die größten Schlagzeilen gesorgt hatten: Schalke 08 (nein, Verzeihung, wieder 04) und Mainz 05. Schalke wollte wohl versuchen, länger nicht zu siegen, als Bayern gewinnen kann, nun die Münchner beendeten diese Rechnung, die Schalker noch nicht. Nach dem 18. Sieglosspiel in Folge musste Trainer David Wagner gehen. Er wurde endlich erlöst, aber eigentlich müssten die Verantwortlichen mitgehen, denn den größten Fehler machten sie schon im Sommer, als sie nicht auf einen Neuaufbau und neuen Trainer nach der Erfolglos-Serie ohnegleichen setzten. Statt Neuaufbau kamen alte Spieler zurück, die eigentlich nicht mehr gewollt waren. Jetzt sollen sie Retter spielen. Naiver geht es nicht! Jetzt ist die Frage, wer sich diese Herkulesaufgabe antut, den Erfolg auf Schalke zurückzubringen, es muss fast ein Trainer und Manager sein, der den ganzen Verein umkrempelt. Wie die Faust aufs Auge passte dazu eine Spuck-Attacke von Schalke-Abwehrmann Kabak. Er muss wohl jetzt länger zuschauen.
Auch in Mainz kam es zu Konsequenzen, auch da muss jetzt der Trainer gehen. Zuerst streikten die Spieler, sie solidarisierten sich mit dem Kollegen Adam Szalai, der nach einem Disput mit Coach Achim Beierlorzer zur U23 versetzt wurde. Da der beliebte Mitspieler, dort der ungeliebte Trainer – da kochen die Emotionen hoch und führen zu Kurzschlusshandlungen. Spieler-Streik der Millionäre – das geht gar nicht. Eine lange Leitung hatten aber auch der Trainer und Sportchef Rouven Schröder, denn der Brandherd, der schon lang köchelte, wurde nicht rechtzeitig ausgetreten. Der Trainer muss gehen, aber auch der Sportvorstand hat an Reputation verloren. Das 1:4 gegen Stuttgart war eindeutig eine Folge dieser Unruhen im Verein. Jetzt soll es vorerst der bisherige Assistent Jan-Moritz Lichte richten, der 40-Jährige könnte aber auch Dauerlösung sein, er gilt als eines der hoffnungsvollen Trainer-Talente.
Die Bundesliga sorgte also für Gesprächsstoff, da steigt die Spannung vor dem 3. Spieltag. Die „Spitzenteams“ Hoffenheim und Augsburg müssen sich in Frankfurt und Wolfsburg beweisen, Schalke droht in Leipzig die nächste Niederlage und Werder Bremen kann gegen Bielefeld zeigen, ob das 3:1 die Wende zum Guten bedeutet oder nur auf Schalkes Schwäche zurückzuführen war. Und am Ende treffen die Bayern auf Hertha BSC. Wie munter werden sie noch sein?
Europa im Schatten
Champions League und Europa League gibt es auch noch, doch Europa steht bisher im Schatten. Am Donnerstag nicht mehr, wenn die Champions League ausgelost wird und Europas Spieler, Spielerin und Trainer gewählt werden. Die Bayern sind bekanntlich mit Manuel Neuer, Robert Lewandowski und Hansi Flick dick dabei. Vor so einer Ehrung passte die Niederlage wiederum gar nicht, aber Ehrungen können auch munter machen. Mal sehen, ob auch diese Veranstaltung zu einer PR-Aktion für die Bundesliga wird. Bayern München wird bei der Gruppen-Auslosung in Topf 1 zu finden sein, doch das garantiert keine leichte Gruppe, ganz im Gegenteil, nach den neuen Kriterien ist das kein Vorteil. Der FC Barcelona oder Atletico Madrid könnten Gegner sein und werden nicht immer Kanonenfutter sein. Abwarten und Tee trinken heißt es für alle deutschen Teilnehmer, also auch für Borussia Dortmund, RB Leipzig und Borussia Mönchengladbach in der Champions League, sowie für Bayer Leverkusen und die TSG Hoffenheim am Freitag in der Europa League. Da will auch der VfL Wolfsburg in der Verlosung sein, dafür muss am Donnerstag bei AEK Athen noch ein Sieg her. Nach zwei Runden in der Qualifikation machen auch die Wölfe wie die Bayern frühzeitig einen müden Eindruck. Ob die Kraft zur erfolgreichen Jagd noch reicht?
Fragezeichen bleiben angesichts der Corona-Pandemie generell über den europäischen Wettbewerben. Die Infektionszahlen steigen überall in Europa, wie kann die Gesundheit der Spieler garantiert werden und können alle Nationen die entsprechende Reisefreiheit garantieren. Nicht, dass Mannschaften plötzlich in der Quarantäne verschwinden. Das wäre dann alles andere als ein PR-Gag! Der erste Spieltag ist für 20./21. bzw. 22. Oktober terminiert.