Die Bayern haben Spaß – der Rest der Bundesliga eher nicht
Was war vor dem Start der Fußball-Bundesliga spekuliert oder gehofft worden, wie es mit dem Abo-Meister Bayern München ohne Torjäger Robert Lewandowski weitergehen würde. Endlich das Ende der Titel-Langeweile? Die Münchner sorgten für Ernüchterung. Schlechter ohne Lewandowski? Nein, besser! Thomas Müller bringt es wie fast immer auf den Punkt: „Wir haben nicht nur einen Zielspieler, wir haben jetzt viele.“ Die Bayern bitten die Konkurrenz zum Tanz, elf Tore in zwei Spielen gegen beste Bundesliga-Konkurrenz, das ist ein Statement. Die Bayern haben Spaß – der Rest der Bundesliga eher nicht.
Dumm ist natürlich die Frage, die bereits durch die Medien geistert: Sind die Bayern schon Deutscher Meister? Dies nach dem ersten von 34 Spieltagen! Irgendwann haben auch die Bayern ausgetanzt und sie müssen erst noch die Frage beantworten, wie ihr Tänzchen gegen ein Abwehr-Bollwerk aussieht. Das könnte ihr alter Trainer Niko Kovac mit dem VfL Wolfsburg als nächster Gegner am Sonntag quasi zur Selbstverteidigung aufbauen. Da hilft dann vielleicht der „schnellste Angriff Europas“ (Ex-Boss Rummenigge) auch nicht mehr. Aber beeindruckend war es schon, wie Jamal Musiala (in überragender Form zum Saisonstart), Sadio Mané, Thomas Müller und Serge Gnabry und die meisten anderen aufspielen. Da haben auch die Zuschauer ihren Spaß, wenn sie nicht gerade zu den Gegnern gehören.
„Ein bisschen Spaß muss sein“, sang einst Roberto Blanco, ein wenig das Motto der Bundesliga. Ein bisschen Spaß hatten natürlich auch andere Mannschaften. Borussia Dortmund zum Beispiel, wohl noch der ernsthafteste Bayern-Rivale. Das 1:0 gegen Bayer Leverkusen war kein Glanzstück, aber es hatte typische Dortmund-Attribute: Muskelverletzungen einerseits (Süle und Özcan fielen aus, danach erwischte Adeyemi), andererseits wurde das Fehlen eines Torjägers (Haaland bekanntlich weg) anders wettgemacht, wie Sportchef Sebastian Kehl feststellte: „Wir haben gekämpft, gekratzt, gebissen. Das ist es, was die Menschen hier sehen wollen.“ Tore jedoch auch, für die soll für den Rest der Saison Anthony Modeste sorgen. Der Franzose hatte keine Lust mehr auf Köln, kennt keine Dankbarkeit, sondern geht dorthin, wo er mehr verdienen kann. Das dieser Wechsel rund um den ersten Spieltag die Schlagzeilen beherrschte, ärgerte vor allem Kölns Trainer Steffen Baumgart: „Das ist zum Kotzen“. Da hört halt der Spaß auf. Ein bisschen davon hatten die Kölner allerdings doch durch das 3:1 gegen Schalke. Geht also auch ohne Modeste.
Spaß hatten vor allem auch Union Berlin und der SC Freiburg. Die „Eisernen“ bleiben Stadtmeister und sind saisonübergreifend mit acht Spielen ohne Niederlage beste Mannschaft der Bundesliga. Das 3:1 war ihr erster Sieg am ersten Spieltag. Hertha ist eher das Gegenteil, nach dem Ausscheiden im Pokal die nächste Niederlage, Tristesse macht sich wieder breit, der Abstiegskampf hat begonnen. Ähnliches in Augsburg. Da Freiburg, das 4:0 auftrumpfte, dort ein FCA, der Beruhigung in der Vergangenheit sucht. Auch im letzten Jahr ging der Saison-Auftakt gegen Hoffenheim mit 0:4 verloren. Am Ende stand der Klassenerhalt. In Leverkusen wird es nicht leichter, danach heißen die Gegner Mainz, Hoffenheim und Hertha, da muss gepunktet werden. Lustig: Erster Torschütze für Freiburg war ausgerechnet Michael Gregoritsch, der ja im Tausch mit Demirovic vom FCA zum SCF wechselte. Unter den Torschützen war auch Matthias Ginter, der FCA ist immer sein Opfer in einem ersten Spiel für Freiburg. Das war am 21. Januar 2012 so, in seinem ersten Bundesligaspiel für Freiburg, und jetzt wieder, in seinem ersten Spiel nach der Rückkehr! Auf eine härtere Probe wird der SCF wohl am Freitag gegen Dortmund gestellt.
Wer hatte noch ein bisschen Spaß? Natürlich die Sieger Mönchengladbach (3:1 gegen Hoffenheim, Farke war der einzige neue Trainer, der gewann) und Mainz 05 (2:1 in Bochum, erster Auswärtssieg am 1. Spieltag), Stuttgart war mit dem 1:1 gegen Leipzig glücklich, Werder mit dem 2:2 in Wolfsburg zumindest zufrieden. Im Gegensatz haderten sie in Leipzig und Wolfsburg. Spaß hatten aber meist auch die Zuschauer. Kein Spaß ist es allerdings, wenn es schon wieder Ausschreitungen gibt und die unsägliche Pyrotechnik gezündet wird. Das wird vor allem für Frankfurt teuer und kann im Wiederholungsfall beim UEFA-Cup zu Geisterspielen führen. Die Strafe gegen die Bayern folgte sogar direkt: Joshua Kimmich zirkelte den Freistoß im Pyro-Nebel ins Tor. Kevin Trapp stand schlecht, hatte aber auch schlechte Sicht. Ob die Ultras so weit denken… Ansonsten könnte eine spaßige Bundesliga-Saison bevorstehen.
Die Eintracht muss das Europa-Gesicht zeigen
Die 1:6-Klatsche gegen die Bayern muss den Frankfurtern eigentlich Angst machen vor dem UEFA-Supercupfinale am Mittwoch in Helsinki gegen Real Madrid. Aber die Eintracht in der Bundesliga und auf Europas Bühne sind zwei Paar Stiefel. Jetzt muss die Eintracht wieder ihr Europa-Gesicht zeigen und die Bundesliga würdig vertreten (ohne Pyro!). Schade, dass spekuliert wird, ob Filip Kostic noch vorher den Verein verlässt, Juventus Turin ist im Gespräch. Das stört die Vorbereitung auf das wichtige Spiel, könnte aber auch den Ehrgeiz doppelt anstacheln.
Wer folgt also Chelsea London, das vor einem Jahr gegen die Spanier aus Villarreal mit 6:5 nach Elfmeterschießen siegte. Real Madrid könnte mit einem Erfolg Rekordsieger werden, gewann bisher viermal, genau wie der FC Liverpool, nur der AC Mailand und FC Barcelona haben fünf Siege. Frankfurt ist erstmals im Finale, letzter deutscher Sieger war Bayern München 2020 (gegen Chelsea), gewann auch 2013. Die Bayern waren aber zweimal im Finale unterlegen (1975 und 76), auch die anderen deutschen Versuche gingen daneben, der Hamburger SV (1977 + 1983), Werder Bremen (1992) und Borussia Dortmund (1997) verloren jeweils das Finale. Insgesamt gewann der Champions-League-Sieger bzw. Sieger im Europapokal der Landesmeister in den 46 Finals 26mal. Gegner waren früher die Sieger im UEFA-Cup bzw. im Europapokal der Pokalsieger. Ein großer Titel ist nicht zu gewinnen, aber immerhin gibt es 3,5 Millionen Euro als Antrittsgeld und zusätzlich eine Million für den Sieger.
Auf Rekordkurs ist übrigens auch Toni Kroos, der viermal den Supercup schon gewann, dreimal (2014, 2016, 2017) mit Real und 2013 mit den Bayern, nur Paolo Maldini siegte fünfmal mit dem AC Mailand. Kroos wird wohl sicher dabei sein, Teamkollege Antonio Rüdiger muss dagegen bangen, ob ihn Trainer Carlo Ancelotti nominiert. Der deutsche Abwehrspieler hat sich bei seinem Wechsel von Chelsea zu Real vielleicht spekuliert, wenn er nicht regelmäßig zum Einsatz kommt. Das wird auch Bundestrainer Hansi Flick nicht gefallen.
Am Donnerstag beginnt in München ein weiteres sportliches Großereignis, die European Games, eine Ballung von Europameisterschaften in neun Sportarten. München erhielt für 2022 den Zuschlag zum Jubiläum 50 Jahre nach den Olympischen Sommerspielen 1972. Rund 4700 Athletinnen und Athleten sind diesmal am Start. Mehr dazu in einer weiteren Kolumne im Laufe der Woche.