Bayern und Nationalteam als ein Dilemma

Aller guten Dinge sind für Hansi Flick 13, aber nicht 14. In seinem 14. Spiel als Bundestrainer gab es für ihn die erste Niederlage mit dem DFB-Team und das 0:1 gegen Ungarn hat es in sich. Plötzlich hat Flick die gleichen Probleme wie Kollege Julian Nagelsmann in München. Vor allem die Spielweise in der ersten Halbzeit offenbarte, dass die Bayern und das Nationalteam sich im gleichen Dilemma befinden. Nichts war es mit einem Kuraufenthalt für die Bayern-Stars im Kreis der Nationalmannschaft, die Probleme wurden transportiert und nicht beseitigt. Hinzu kam, dass Flick ähnliche Fehler machte wie Nagelsmann in der Aufstellung und bei den Wechseln. Und beide haben für die Zukunft auch das gleiche Dilemma: Da ist die Meisterschaft in Gefahr, dort eine erfolgreiche Weltmeisterschaft in Katar. Vor einigen Wochen sah das noch ganz anders aus.

Zunächst ist der Bundestrainer am Zug, bereits am Montag gibt es das letzte Spiel in der Nations League in England. Dabei geht es nicht mehr um den Gruppensieg, den Deutschland verspielt hat, den machen Ungarn und Italien unter sich aus, sondern das Traditionsduell ist ein reines Testspiel, denn England steht bereits als Absteiger aus der Liga A fest – welche Blamage. Das große England, die reiche Premier League, nur zweitklassig! Dies hatte auch schon Deutschland getroffen, doch da wurde die Liga A kurzerhand aufgestockt und der attraktive Teilnehmer Deutschland blieb erstklassig. Das geht jetzt nicht mehr. Flicks Kollege Gareth Southgate ist also viel schlechter dran und dennoch hat das Spiel für ihn Bedeutung: Er muss beweisen, dass England noch gewinnen kann.

Das möchte Hansi Flick natürlich auch und vor allem geht es um einen letzten guten Eindruck vor der WM. Doch mit welchem Personal, mit welcher taktischen Ausrichtung? Nur eins ist sicher, die Einstellung muss sich ändern, die Gier aufs Tor muss erkennbar sein. Vielleicht gibt es für den Bundestrainer aber auch die endgültige Erkenntnis, dass es ohne echte Neun nicht geht. Da kommen dann Namen ins Gespräch, die bisher von der Nationalmannschaft nur geträumt haben, Niclas Füllkrug von Werder Bremen zum Beispiel, in der Bundesliga mit fünf Treffern bester deutscher Torschütze, oder Augsburgs neuer Torjäger Mergim Berisha, der die Bayern „erlegt“ hat und in einem Testspiel mit vier Treffern Eigenwerbung betrieb – „Achtung, hier ist einer, der Tore schießen kann“! Bei Bayern und im Nationalteam gab es zuletzt nur – Fehlanzeige!

Hoffen auf den Befreiungsschlag

In Katar wird zwar in zwei Monaten bereits gespielt, dennoch ist die WM für die Bundesliga ganz weit weg. Jetzt stehen erst einmal acht Spieltage bis zum 13. November an, dazu gibt es die europäischen Wettbewerbe und den DFB-Pokal. Wie schon oft betont, Hochbetrieb und Stress pur. Den Auftakt macht am Freitag gleich das Duell der Unzufriedenen: Bayern als Fünfter (und nicht Erster!) nach der ersten Niederlage und Bayer Leverkusen als wohl größte Enttäuschung mit nur fünf Punkten und einem Sieg auf Rang 15 in Abstiegsgefahr. Ziel war eigentlich die Champions League, doch nie hat dies ein Verein dahin noch geschafft, der nach sieben Spieltagen so eine magere Bilanz aufwies. Trainer Gerardo Seoane wird ähnlich in Frage gestellt wie Nagelsmann.

Die Bayern weisen ebenfalls eine magere Bilanz auf, die ein Blick auf die Statistik offenbart. Die Effizienz sank von weit über den durchschnittlichen 50 Prozent an den ersten drei Spieltagen auf nur noch 10,5 Prozent. Dafür durften die Gegner treffen, deren Erfolg stieg von 7,7 auf 38,5 Prozent. In der Chancenverwertung liegen die Bayern insgesamt nur auf Rang fünf, von 68 Chancen wurde gerade mal 27,9 Prozent verwertet. Noch schlechter ergeht es Leverkusen (was bei dem Tabellenplatz logisch ist), das von 48 Chancen gerade mal 18,8 Prozent verwertete und damit Drittletzter ist (nur Wolfsburg und Bochum sind schlechter). Es wird also ein heißes Duell am Freitag, beide hoffen auf den Befreiungsschlag. Bei einem Unentschieden jammern beide…

Bei den Bayern ist die Krise nach dem famosen Saisonauftakt noch unverständlicher. Aber jetzt werden die Weichen gestellt, nach der Aufgabe gegen Leverkusen folgt am Samstag, 8. Oktober (18.30 Uhr), das Schlagerspiel in Dortmund und dann kommt Freiburg, derzeit Dritter. Dazwischen liegen die Aufgaben in der Champions League, nämlich zweimal gegen Viktoria Pilsen, hier muss nach den Siegen über Inter Mailand und den FC Barcelona die erfolgreiche Gruppenphase unter Dach und Fach gebracht werden. Leverkusen wird sich mehr auf die Bundesliga konzentrieren und auf den 8. Oktober gegen Schalke 04. Wenn es nicht spätestens da mit einem Sieg klappt…

Aber reden wir doch von Union Berlin, schließlich der Tabellenführer, Ehre, wem Ehre gebührt. Auch an dieser Stelle wurde schon darauf hingewiesen, dass man die Berliner trotz ihres Understatements nicht unterschätzen sollte, sie könnten einen Coup wie Kaiserslautern 1998 wiederholen oder wie Leicester in England und als Nobody Meister werden. Die Statistik spricht eine deutliche Sprache, Union hat die Gegner im Griff, die Defensive ist der Trumpf auf dem Weg zum Titel. Union lässt den Gegnern keinen Raum, führte bisher 111 Zweikämpfe pro Spiel – Spitze in der Liga. Wenn es nicht anders geht, wird die Keule ausgepackt, 106 Fouls sind auch Spitzenwert, aber die Zweikämpfe wurden clever geführt, es gab nur sechs gelbe Karten. Kein Wunder, dass die anderen Teams gerade mal zu 3,9 Torchancen pro Spiel kamen (Spitze!). Wie will man da gewinnen? Union ist deshalb als einzige Mannschaft noch ungeschlagen. Jetzt geht es am Samstag nach Frankfurt, danach folgt das Gastspiel in Stuttgart, keine unlösbare Aufgaben, die weiße Weste könnte Bestand haben. Dann aber folgt am Sonntag, 16. Oktober (17.30 Uhr), das Duell mit dem derzeit ersten Verfolger Borussia Dortmund, da kommt schon heute in Berlin Vorfreude auf. Die Borussia muss erst noch die Aufgaben in Köln und gegen die Bayern lösen. Die Bundesliga bleibt also interessant, da treten Gedanken an die WM in Katar in den Hintergrund.

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