Union hat Angst vor der Spitze und Dortmund ist erwachsen geworden
In den letzten Jahren geisterte immer wieder ein besonderer Wunsch durch die Fußball-Bundesliga: Die Bayern müssten immer mit zehn Mann antreten, dann würde mal eine andere Mannschaft Meister werden. Zehn Jahre lang ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung, doch jetzt keimt wieder Hoffnung auf. Zehn Bayern sind tatsächlich zu schlagen, aber es waren auch besondere Umstände beim 2:3 in Gladbach und am Ende des 21. Spieltages gab es eine besondere Konstellation: Mit Bayern München, Borussia Dortmund und Union Berlin liegen drei Mannschaften mit 43 Punkten gleichauf, das gab es noch nie um diese Zeitpunkt seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995/96. Erst einmal, 2011/12, waren nach dem 19. Spieltag drei Teams gleichauf, Bayern vor Dortmund und Schalke 04 mit je 40 Punkten. Meister wurde Dortmund!
„Bayern mit zehn“, dafür sorgte Schiedsrichter Tobias Welz, der bereits nach acht Minuten Bayerns Abwehrspieler Dayot Upamecano wegen einer angeblichen Notbremse mit Rot vom Platz schickte. Nach einem langen Ball verfolgte Upamecano Borussia-Stürmer Plea, griff leicht an dessen Schulter, zog nicht und war offensichtlich bemüht, kein Foul zu begehen, so wich er im Laufen auch aus. Plea aber fiel – es war mehr ein Faller als ein Foul, für Welz eine Notbremse. Notbremse? Kein Halten, keine Grätsche – eine extrem zweifelhafte Entscheidung. Welz sah sich die Szene nicht mehr am Bildschirm an und zeigte vor allem kein Fingerspitzengefühl, entschied das Spiel nach dem Motto „die Münchner müssten mit zehn Mann spielen…“. Experten sind sich einig: Das war kein Platzverweis. So urteilte der ehemalige Spitzen-Schiedsrichter Thorsten Kinhöfer: „So ein Rot nach acht Minuten geht gar nicht, vor allem, wenn man es sich nicht noch einmal anschaut. Fußball ist ein Kontaktsport und nicht jeder Kontakt ist ein Foul.“
Dennoch müssen sich die Münchner an die eigene Nase fassen, die Leistung stimmte nicht, Gladbach wiederum bringt gegen die Bayern immer seine Bestleistung. Ähnlich daneben wie Welz lag danach Trainer Julian Nagelsmann, der die Unparteiischen als „weichgespültes Pack“ beschimpfte. Nagelsmann hat mit den Bayern noch nie gegen Gladbach gewonnen! Eigentlich sollte der 1:0-Sieg in Paris in der Champions League beruhigen, doch zumindest bei demTrainer liegen die Nerven blank. Nagelsmann gilt als Talent, für den jungen Coach ist die Aufgabe Bayern vielleicht doch zu groß. Er redet gern, poltert schnell und versucht, ein richtiger Bayern-Trainer zu sein. Aber die Mannschaft scheint ihm zu entgleiten, die Fehler häufen sich.
Nagelsmann war auch der Situation beim Platzverweis nicht gewachsen. Aus taktischen Gründen musste ein Mann vom Feld – es traf ausgerechnet Kapitän Thomas Müller. „Es ging zu schnell“, klagte Nagelsmann und begründete „ich wollte Tempo“. Aber Erfahrung wäre vielleicht besser gewesen, zumal er Müller zuletzt öfters auf der Bank ließ oder ihn frühzeitig dahin schickte. Immerhin also Bayerns Rekordspieler und den Mann, den die Fachzeitung kicker als notenbesten Spieler der Liga auswies! Dafür darf der zu verspielte Sané bleiben. Erinnerungen an das missglückte Gastspiel von Niko Kovac werden wach, der damals ebenfalls nicht auf Müller setzte. Auffällige Parallele: Seit Januar 22 hapert es und Nagelsmann kommt in 55 Spielen genau auf den Punkteschnitt von 2,03 wie Kovac nach 44 Spielen. Bayern hat 43 Punkte nach 21 Spielen – bei dieser Bilanz musste Kovac gehen! Es brennt also, das Duell mit Union Berlin steht an und das Rückspiel gegen Paris. Danach wird Bilanz gezogen, entweder die Bayern sind erfolgreich oder die Ära Nagelsmann (fünf Jahre Vertrag!) ist frühzeitig beendet.
Ärger in München, aber die Konkurrenz konnte die Schwäche nicht nutzen, liegt jedoch gleichauf, lauter könnte das Alarmsignal nicht sein. Union Berlin versäumte den Sprung an die Spitze mit einem 0:0 gegen Schlusslicht Schalke. Offensichtlich konnte der Klub, der den Klassenerhalt als erstes Ziel ausgab, nicht sofort auf Titelkampf umschalten und offenbarte eine gewisse Angst vor der Spitze. Die dünne Luft da oben muss man erst mal verkraften. Union ist nach Dortmund die heimstärkste Mannschaft und noch ungeschlagen, es war erst das dritte Remis. Eine glückliche Konstellation des Terminplans sorgt am Sonntag (17.30 Uhr) zum Abschluss des 22. Spieltags für das Spitzenspiel Bayern – Union. Bis jetzt sind die Bayern gegen Union noch ungeschlagen, vier Siegen stehen drei Unentschieden gegenüber. Zu Hause gab es 2022 einen 4:0-Sieg, 2021 ein 1:1 und 2019 ein 2:1. Das Hinspiel endete 1:1. Union kann es diesmal locker angehen lassen, der Druck liegt allein bei den Bayern und Julian Nagelsmann. Immerhin wird den Meister eins beruhigen: Er ist noch Tabellenführer, die Tordifferenz von +40 erreicht die Konkurrenz bei weitem nicht (Dortmund +17, Union +11).
Aber gerade Borussia Dortmund hat derzeit ein ganz anderes Feeling als die gebeutelten Münchner. Die Borussia siegt immer, bereits siebenmal nach der Winterpause, die Krönung das 1:0 gegen Chelsea in der Champions League. Die Mannschaft hat Beständigkeit, wankt nicht, zeigt Kampfgeist, verkraftet Rückschläge, all das, was man schon lange von den Gelb-Schwarzen fordert. Es scheint, die Borussia ist erwachsen geworden und ein ernsthafter Rivale für den Dauermeister. Es folgt das Gastspiel bei Hoffenheim, dem momentan größten Sorgenkind der Liga. Danach kommt Leipzig nach Dortmund und die Schlagerspiele gegen die Konkurrenten Bayern und Union stehen am 26. und 27. Spieltag an. Die Bundesliga erlebt also derzeit eine Spannung, nach der sie sich schon lange gesehnt hat.
Genauso spannend geht es am Tabellenende zu. Auf den Abstiegsplätze Schalke (13 Punkte) und Hertha (17), davor mit Stuttgart, Hoffenheim und Bochum drei Teams mit je 19 Zählern. Im Aufwind der VfB, der unter Bruno Labbadia erstmals siegen konnte (3:0 gegen Köln). Im Aufwind auch der FC Augsburg, der den Freitagabend unter Flutlicht als seine „Champions League“ ansieht, da fünfmal gewann und mit dem 1:0 Hoffenheim in den Abstiegskampf schickte, selbst aber Abstand schaffte. Nun folgt das Duell bei der Hertha und Schalke steht quasi nach viermal 0:0 vor der letzten Chance gegen Mitkonkurrenten Stuttgart. Beim Kampf um einen Platz in der Bundesliga gibt es in der zweiten Liga eine Parallele zum Oberhaus: Mit Darmstadt und Hamburg stehen sich am Samstag die Aufstiegskandidaten der Plätze eins und zwei direkt gegenüber.
Champions League zweiter Teil
Die Champions League ist im Achtelfinale bekanntlich zweigeteilt. In der ersten Woche haben Dortmund und München mit ihren 1:0-Siegen über Chelsea London und Paris ihre Aufgaben erfüllt. Jetzt gilt es für Eintracht Frankfurt und RB Leipzig. Für sie wird es auch nicht leichter, die Eintracht trifft auf Maradonas Erben, seit dem Gastspiel des argentinischen Stars war der SSC Neapel nie so erfolgreich wie jetzt, führt die Serie A mit 15 Punkten Vorsprung vor Inter Mailand an. RB trifft auf Manchester City mit Erling Haaland, dem Torschützenkönig der Premier League, und Trainer Pep Guardiola, der immer wieder gern nach Deutschland kommt – zum Siegen!
Nicht ganz so erfolgreich wie die Kollegen in der CL waren die Vertreter in der Europa League. Am Donnerstag stehen bereits die Rückspiele an, Leverkusen muss in Monaco ein unglückliches 2;3 aufholen, Union Berlin hat nach dem 0:0 bei Ajax Amsterdam jetzt Heimvorteil. Ein 0:0 dürfte es nicht noch einmal geben… Der SC Freiburg kann übrigens zuschauen, er ist bereits für das Achtelfinale qualifiziert.
Aber seit Sonntag wissen die Freiburger auch, dass wieder ein besonderes Spiel auf sie wartet, sie müssen im Viertelfinale des DFB-Pokals zum FC Bayern reisen, der bis dahin womöglich den Pokal als letzte Titelchance sieht und erstmals in dieser Saison ein Heimspiel hat. Genau so schwer wie für Freiburg wird es für Titelverteidiger RB Leipzig gegen Borussia Dortmund. Mit Eintracht Frankfurt und Union Berlin treffen zwei CL-Kanidaten aufeinander, der einzig verbliebene Zweitligist 1. FC Nürnberg hat Heimrecht gegen den VfB Stuttgart. Gespielt wird am 4./5. April.
Für den Club ist der Pokal das Trostpflaster, in der Punktrunde klappt es nicht, deshalb wurde Trainer Markus Weinzierl am Montag entlassen. Gerade mal elf Spiele stand er an der Seitenlinie, davon hat der drei gewonnen. Der Pokalerfolg hat ihn auch nicht mehr gerettet. Überraschung: Sportvorstand Dieter Hecking, der nicht mehr auf die Trainerbank zurückkehren wollte, übernimmt. Seine erste Bewährungsprobe ist am Samstag gegen Schlusslicht SV Sandhausen, das seinerseits Trainer Alois Schwartz entlassen hat. Wo wirkt die „Arznei“ besser?
Ohne großen Druck können die Fußball-Frauen antreten. Die Nationalmannschaft absolvierte ein Trainingslager in Marbella und testet die Form am Dienstag (18.15 Uhr) in Duisburg gegen den ewigen Kontrahenten Schweden. 16.000 Karten sind bereits verkauft, das ZDF überträgt live, das Spiel soll wieder ein Mosaikstein zu mehr Anerkennung sein.