Der Kampf um den Titel ist reine Nervensache
Samstag, 15. April 2023, Tag des Ärgers beim FC Bayern München. 14.00 Uhr: Die Frauen bestreiten im Campus das Pokal-Halbfinale gegen den VfL Wolfsburg. 16.00 Uhr: Nach dem enttäuschenden 0:5 hört man von Trainer Alexander Straus: „Die Leistung war Bayern München nicht würdig.“ 15.30 Uhr: Bundesliga-Pflichtaufgabe für die Männer gegen die TSG Hoffenheim, nach der Pleite von Manchester soll ein Sieg her, Aufwind für das Rückspiel, Chancen für die Meisterschaft intakt halten. 17.30 Uhr: Nach dem enttäuschenden 1:1 hört man von Trainer Thomas Tuchel: „Die Leistung war Bayern München nicht würdig.“ Statt Erfolgen, Glanz und Gloria mutierte der FC Bayern wieder zum FC Hollywood, gibt es Krach und Theater statt Tore, statt „mia san mia“ muss es heißen „mia san am Boden“. Die Tabellenführung tröstet noch, doch 59 Punkte nach 28 Spieltagen sind die schlechteste Bilanz seit zwölf Jahren.
Die Bayern schlecht, Borussia Dortmund nicht besser. Der Kampf um den Titel ist zur reinen Nervensache geworden. Bisher hieß das Vorteil Bayern, zuletzt traute man Dortmund mehr zu, doch das 3:3 beim VfB Stuttgart war ein Rückfall in alte Zeiten. „Ich dachte, wir haben das Dümmste hinter uns,“ war Trainer Edin Terzic verzweifelt. Der Gleichstand mit Bayern war nahe, 2:0-Führung nach 33 Minuten, der Gegner ab der 39. Minute mit einem Mann weniger – was soll da passieren? Es passierte der Ausgleich für Stuttgart (in Unterzahl!), alles schien wieder gut nach dem 3:2 in der 92. Minute durch Joker Reyna, doch dann das oft erlebte Blackout der Borussia: Debütant Soumalia Coulibaly tritt am Ball vorbei, VfB-Silas haut ihn in der 97. Minute zum 3:3 rein. Die Bayern bleiben zwei Punkte vorn, Dortmund schlägt sich selbst, wie schon so oft. Allerdings: Meisterlich sind beide Kandidaten nicht.
Die Bayern haben es also weiterhin selbst in der Hand, aber die Verunsicherung ist größer als jegliche Zuversicht. Dazu der Krach zwischen Mané und Sané mit der Suspendierung des Senegalesen. Der Hoffnungsträger wurde zum Sorgenkind. Das gilt auch für Torhüter Yann Sommer. Mit 1,83 m gilt er als „klein“ für einen internationalen Klasse-Torhüter. Beim ersten Gegentreffer in Manchester reichte er nicht hin und die Frage tauchte auf: Hätte den der zehn Zentimeter größere Manuel Neuer gehalten? Ex-Nationaltorhüter René Adler machte im ZDF noch einen Sommer-Fehler deutlich: Falsches Stellungsspiel, zu spät abgesprungen. Die Diskussion wurde am Samstag fortgeführt beim Freistoß-Gegentor von Kramaric, der sich diesen Schuss durch einen Faller (er sagt „clever“) erschlichen hat: Sommer war mit der Hand dran, der Ball aber via Innenpfosten doch drin, die Bayern am Boden.
„Wir haben eine der besten Mannschaften Europas“ hieß es immer in München, die Tatsachen sagen anderes aus: Der Torhüter gibt keine Sicherheit, die Gier im Team fehlt, bei Kampfgeist ebenso Fehlanzeige wie bei Toren, Künstler am Ball, aber keine Arbeiter, im Mittelfeld fehlt ein Anführer, Joshua Kimmich ist es nicht. Erschreckend: Für die Tore müssen die Abwehrspieler sorgen, zuletzt Pavard,de Light und Upamecano, doch ausgerechnet Pavard fehlt jetzt am Samstag in Mainz mit Gelbsperre. Mainz hat auch das Zeug zum Stolperstein, ist seit neun Spielen ungeschlagen!
Doch zunächst steht die Aufgabe Manchester City in der Champions League an, ein 0:3-Rückstand muss aufgeholt werden. Das hat es schon gegeben, so machen sich die Münchner Mut. Doch der derzeitige Leistungsstand gibt das nicht her. City hat Erling Haaland, der erzielte am Wochenende wieder einen Doppelpack, mischt die Premier League auf, steht vor einem Rekord. Die Bayern haben dagegen keinen Robert Lewandowski mehr. Der Verlust schmerzt mehr als gedacht. In der Bundesliga müssen die Münchner eher darauf hoffen, dass den Dortmundern die starken Nerven zum Titelgewinn fehlen. Nächste Bewährungsprobe ist Frankfurt, seit sieben Spielen ohne Sieg.
Es wird wohl an Bayer Leverkusen liegen, ob die Bundesliga in Europa weiterhin vertreten ist. Das 1:1 gegen die Belgier von Saint-Gilloise verströmt auch nicht gerade Hoffnung, doch sind die Chancen noch intakt. Das 0:0 in Wolfsburg wiederum machte auch deutlich, dass die Belastung der Erfolgsserie in den letzten Wochen zunehmend die Substanz angreift. Hält Bayer durch? Zwei „Endspiele“ in einer Woche: Nach dem Match am Donnerstag in Belgien geht es am Sonntag gegen RB Leipzig, wieder auf Rang vier, dem letzten Platz für die Champions League. Bayer ist sieben Punkte zurück – nur ein Sieg lässt weiterhin Hoffnung zu. Übrigens: Xabi Alonso hat Bayer geweckt, so einen wie ihn früher als Spieler (auch bei Bayern) würden die Münchner heute im Mittelfeld benötigen.
Im Abstiegskampf hat Hertha BSC als Schlusslicht gehandelt. Die 2:5-Niederlage im „Endspiel“ auf Schalke war ein Offenbarungseid. Trainer Sandro Schwarz musste gehen, der „ewige“ Pal Dardai übernimmt bis zum Sommer, er sitzt zum dritten Mal auf dem Trainer-Stuhl. Der Größenwahn hat Hertha das Genick gebrochen, jetzt wird der „Berliner Weg“ von Neu-Präsident und Ex-Fan Kay Bernstein ausgerufen, er könnte direkt in die 2. Bundesliga führen. Pal Dardai wird erst gegen Bremen gefordert, danach geht es nach München. Gegen Werder ist es fast ein Endspiel, beide Teams eint eine Misserfolgsserie von sechs Spielen. Ein paar Punkte brauchen die Bremer auch noch, ebenso wie Augsburg, das schon seit fünf Spielen kein Erfolgserlebnis hatte. Jetzt kommt Stuttgart, derzeit auf dem Relegationsplatz mit fünf Zählern Rückstand auf den FCA. Da geht es für beide Team also um eine Weichenstellung.
Die gibt es übrigens auch in der 2. Bundesliga und sorgt so für besondere Brisanz im Hamburger Derby. Der HSV wankt, lässt die Fans nach der 0:2-Niederlage in Kaiserslautern verzweifeln, aber auch St. Pauli wurde gestoppt. Die Erfolgsserie endete überraschend zu Hause gegen Braunschweig, es gab keinen neuen Rekord. Das Derby am Freitag also unter besonderen Vorzeichen, das Duell der Gebeutelten und der Hoffenden – die Bundesliga lockt Hamburg. Doch welcher Verein schafft es?
Wölfinnen träumen vom Triple
Das war ein Statement: Die Frauen des VfL Wolfsburg wiesen Bayern München im Halbfinale des DFB-Pokals mit 5:0 in die Schranken, und das, obwohl mit Popp, Lattwein und Hegering wichtige Spielerinnen fehlten. Doch Wolfsburg hat einfach den besseren Kader, die Münchnerinnen können Ausfälle nicht so gut verkraften. Der Pokal ist sowieso die Heimat der Wölfinnen, die zum neunten Mal in Serie gewinnen wollen. Letzte Hürde ist das Finale am 18. Mai in Köln gegen den SC Freiburg, der den aufstrebenden RB Leipzig mit 1:0 bezwang. Das Siegtor fiel in der 96. Minute! Leipzig durfte dennoch jubeln, der Aufstieg in die Bundesliga steht fest.
Die Wölfinnen träumen dagegen vom Triple, haben in der Champions League gegen Arsenal London gute Chancen und in der Bundesliga hetzen sie Bayern München bei nur einem Punkt Rückstand. Halten die Bayern-Mädchen diesem Druck stand? Im Pokal-Duell wirkten sie ausgelaugt, verunsichert und müde. In der Bundesliga sollte die Erfolgsserie von zwölf gewonnen Spielen Selbstvertrauen geben. Die letzte Niederlage gab es im Oktober mit dem 1:2 in Wolfsburg. Fünf Spiele stehen noch aus, Freiburg ist aber am Samstag bereits eine gefährliche Hürde.