Eine Eishockey-WM ist immer eine Reise ins Ungewisse

Den nationalen Höhepunkt hat das deutsche Eishockey am 23. April erlebt, als der EHC Red Bull München mit einem 3:1 über den ERC Ingolstadt und damit 4:1 Siegen im Finale Deutscher Meister wurde. Es war der vierte Titel für die Münchner. Von einem Titelgewinn dürfen die deutschen Eishockey-Cracks, die am Freitag gegen Schweden in die Weltmeisterschaft 2023 starten, nicht träumen. Erstes Ziel ist das Erreichen des Viertelfinales, das würde nämlich auch die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2026 bedeuten. Mehr darf es natürlich schon sein, doch der neue Bundestrainer Harold Kreis sagt selbst: „Weltmeister können wir nicht werden.“

Gewiss ist das nicht, eine Eishockey-WM ist nämlich immer eine Reise ins Ungewisse. Damit möglichst viele NHL-Stars auch bei der WM spielen können, wird seit Jahren erst im Mai gespielt. Um das diesjährige Turnier gab es zusätzliche Probleme, weil eigentlich St. Petersburg als Austragungsort vorgesehen war, doch durch den Überfall Russlands auf die Ukraine hat der Weltverband logischerweise St. Petersburg das Mandat entzogen. Finnland, schon im Vorjahr Ausrichter, sprang zusammen mit Lettland ein, so wird jetzt in Tampere und Riga gespielt. Die DEB-Auswahl tritt in Tampere in der Gruppe A an, neben Schweden sind Finnland, die USA, Dänemark, Österreich, Ungarn und Frankreich die Gegner. In der Gruppe B in Riga spielen neben Gastgeber Lettland noch Kanada, Tschechien, die Schweiz, die Slowakei, Slowenien, Norwegen und Kasachstan. Das Viertelfinale wird in beiden Städten gespielt, ab Halbfinale ist Tampere der Schauplatz.

Die sportliche Ungewissheit ist groß, Überraschungen sind Tür und Tor geöffnet, auch ohne NHL-Stars können einige Nationen starke Teams aufbieten. Titelverteidiger ist Co-Gastgeber Finnland, der im Vorjahr mit einem 4:3 in der Overtime gegen Kanada zum vierten Mal Weltmeister wurde. Beide Mannschaften gehören zum üblichen Kreis der Verdächtigen auf Gold, ebenso wie Schweden und Tschechien. Typisch für die Ungewissheit ist die USA, die einmal mit einer Studententruppe antritt, dann wieder mit ausgebufften Profis – alles möglich.

Ungewissheit liegt auch über der deutschen Auswahl. Da ist erst einmal der neue Bundestrainer, der Toni Söderholm ablöste, der nach dem letzten Turnier überraschend um Vertragsauflösung bat. Harold Kreis (64) ist im deutschen Eishockey kein Unbekannter. Der Deutsch-Kanadier kam 1978 als Spieler nach Mannheim, machte sich als ausgezeichneter Verteidiger einen Namen und dann auch als Trainer, wurde 1980 und 1997 mit Mannheim Meister. Kreis, der seit 45 Jahren dort wohnt und zuletzt in Schwenningen tätig war, gilt als angenehmer Zeitgenosse. Allerdings begann seine Tätigkeit mit unangenehmen Meldungen. Gleich 15 (!) WM-Kandidaten mussten wegen Verletzung oder Unpässlichkeit absagen. Zuletzt auch der „Spieler der Saison“, der Münchner Torjäger Ehliz.

Natürlich wären auch Verstärkungen aus der NHL schön, doch der große Star Leon Draisaitl, der gerade die NHL als Torjäger und Top-Scorer aufmischt, ist mit seinem Klub Edmonton Oilers noch im Stanley Cup beschäftigt und möchte ihn gern gewinnen. Selbst wenn er in der laufenden Runde mit den Oilers gegen Las Vegas ausscheiden würde, ist fraglich, ob er nach so einer Enttäuschung Lust auf WM hätte. Gleiches gilt für den überragenden Torhüter Philipp Grubauer, der mit Seattle ebenfalls noch nach dem Stanley Cup greifen kann.

Ein Stanley-Cup-Sieger ist allerdings an Bord, der gebürtige Augsburger Nico Sturm (28) von den San Jose Sharks hat Zeit und feiert sein WM-Debüt im Nationalteam. Vor einem Jahr gewann er mit Colorado den Riesenpokal der NHL. Aus der NHL sind zudem JJ Peterka (Buffalo) und der als großes Verteidiger-Talent gefeierte Moritz Seider (Detroit) dabei. Kapitän Moritz Müller freut sich darüber: „Sie tun uns gut“. Die Vorbereitung war durchwachsen, gegen Tschechien gab es zwei Niederlagen, gegen Österreich Sieg und Niederlage und gegen die Slowakei zwei 4:3-Erfolge. Abschluss war ein 3:6 am Dienstag gegen die USA, als beide Nationen ihre WM-Teams auf dem Eis hatten. Dicke Brocken bekommt Deutschland auch zu Beginn der WM präsentiert, nämlich nach Schweden dann Finnland (13.) und wieder die USA (15.). Drei Niederlagen sind möglich, die Frage ist, wie dann die Stimmung ist, bevor die schlagbaren Gegner kommen. Platz vier in der Gruppe muss es sein, um ins Viertelfinale einzuziehen. Was bleibt, ist Ungewissheit.

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