Der Sport – Grantler

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Tag: Christian Neureuther

Betrug an den Sportlern

Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Katar sorgt für Aktualität bei einem brisanten Thema, das endlich einmal seriös behandelt und aufgearbeitet werden muss: Der Betrug an den Leistungssportlern, die ein Spielball der Verbände sind. Die Sportler (Gesamtbegriff für Frauen und Männer) sind es, die im Mittelpunkt stehen und die Zuschauer in die Stadien locken (wenn es nicht gerade Doha ist) und die das Geld in die Kasse der Verbände spülen. Natürlich werden sie unterstützt und erhalten Prämien, doch ihre Interessen werden bei weitem nicht ausreichend berücksichtigt. Kein Sportler hätte eine Weltmeisterschaft in das heiße Katar vergeben, wo das Interesse an der Leichtathletik bei Null liegt und die WM eher der Belustigung der Scheichs dient.

Wann gehen die Sportler auf die Barrikaden, wann gründen sie eine Gewerkschaft zur Durchsetzung ihrer Interessen? Es wird Zeit. Schon vor drei Jahren hatte der ehemalige Ski-Star Christian Neureuther gefordert: „Die Sportler müssen rebellieren.“ (Siehe der Sport-Grantler vom 24. Oktober 2016 „Aufruf zur Rebellion im Sport“). Es geht je nach Sportart um Sicherheit, Belastung und Bezahlung. Die Verbände nehmen an Fernsehgeldern und von Sponsoren Millionen Dollar oder Euro ein, schütten aber nur eine geringe Summe an die Sportler aus, die Funktionäre dagegen genehmigen sich selbst schöne Reisen und zweigen hohe Tantiemen für ihre eigenen Bedürfnisse ab. Das Geld aber schaffen die Sportler heran. Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler hat es in einem Interview deutlich angesprochen, weil Verbände wie das IOC oder die IAAF mit den Sportlern verdienen: „Die verkaufen uns“, moniert er, „unsere Leistungen haben Werbe- und Unterhaltungswert, aber die Gelder kommen bei uns nicht an.“

Es ist Betrug am Sport und an den Sportlern, wenn die Bedingungen für den Leistungssport nicht stimmen, wenn die Belastung immer mehr gesteigert wird, so dass sich Verletzungen mehren, Ruhepausen wegfallen, aber die Verbände mehr kassieren. Es ist aber auch Betrug an den Zuschauern, wenn es den Athletinnen und Athleten nicht mehr möglich ist, ihre beste Leistung zu zeigen. Auch Doping ist Betrug am Sport und an den Sportlern, die oft nicht wissen, welche Pillen ihnen wirklich verabreicht werden oder sie werden unter Druck gesetzt, um gegen die Regeln zu verstoßen, nach dem Motto „merkt ja keiner“. Der Sport ist generell schön und reizvoll, gleichermaßen aber ebenso korrupt und verdorben. Das Motto „Sport macht Spaß“ gilt fast nur noch für den Freizeitsport.

Eine Umkehr kann es nur geben, wenn die Sportler sich ihrer Sache selbst annehmen. Alles hat seine Grenzen, so wie die Leichtathletinnen gegen die Kameras in den Startblöcken der WM in Katar protestierten. Sie fühlten sich bloßgestellt und drängten auf eine Abschaltung, die Bilder wurden zumindest eingeschränkt. Ob Fußballer, Handballer oder Basketballer, sie leiden unter einem unsinnigen Terminstress, der ihnen auferlegt wird nach dem Motto „mehr Spiele sind auch mehr Geld“. Erholungsphasen sehen die Verbandsfunktionäre fast nicht mehr vor, warum auch, sie selbst stehen ja nicht auf dem Rasen oder in der Halle.

Eine Umkehr können aber auch Zuschauer und Sponsoren einleiten. Die einen bleiben aus, weil es einfach eine Übersättigung gibt, die anderen könnten aus gleichem Grund ihre Gelder reduzieren, weil der Wert der Ware einfach nicht mehr stimmt. Erst dann kommen die Verbandsfunktionäre vielleicht zur Vernunft. Der Sport muss wieder im Vordergrund stehen, nicht das Geld. Volle Zuschauertribünen gehören zum Profitsport dazu, nicht leere Tribünen mit ein paar Scheichs die gnädig Beifall klatschen.

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Aufruf zur Rebellion im Sport!

 

Der Sport-Grantler hat schon oft in seinen Kommentaren die Machenschaften der Sport-Funktionäre angeprangert und gefordert, dass der Sport wieder Vorrang vor der Jagd nach Geld bekommen muss. Nun hat ein ehemaliger Sportler und Kenner der Szene die Stimme erhoben und gefordert: „Die Sportler müssen rebellieren.“ Die Forderung stellte der frühere deutsche Slalom-Star Christian Neureuther, Ehemann von Olympiasiegerin Rosi Mittermaier und Vater vom aktuellen deutschen Slalom-König Felix Neureuther. Vater Christian gewann einst selbst sechs Weltcup-Rennen.

In einem großen Interview in der Süddeutschen Zeitung zum Beginn des Ski-Winters legt Christian Neureuther, immerhin auch Aufsichtsrat der Marketing GmbH des Deutschen Ski-Verbandes, die Finger in viele Wunden. Er prangert die Missstände im internationalen Skisport an, fordert Verbesserungen in den Ausrüstungen, plädiert für mehr Sicherheit und könnte sich auch ein attraktiveres Rennprogramm vorstellen. Neureuther fordert eine Rückkehr zu den klassischen Disziplinen Abfahrt, Slalom und Riesenslalom, will die Streichung von Super G und Kombination. „Das versteht doch sowieso keiner, der Super G ist wie eine Abfahrt, die Kombinationen sind undurchsichtig, mal mit Abfahrt, mal anders, für den Zuschauer langweilig. Sein Vorschlag, der Gehör finden sollte: „Warum nicht öfters zwei Sprint-Abfahrten an zwei Tagen, wobei am zweiten Tag der Schnellste als Letzter über die Piste geht.“ Der Sport-Grantler meint: Da wäre Spannung drin, die Skiverbände suchen doch sowieso nach Möglichkeiten, ihren Sport attraktiver zu machen, um ihn besser verkaufen zu können. Siehe Slalom-Wettbewerbe in Großstädten wie München oder Moskau.

Christian Neureuther liest aber auch den Funktionären in den Verbänden die Leviten. „Es geht immer um Macht. Aus dem Grund geht vieles nicht weiter, die nationalen Interessen stehen im Vordergrund.“ Der Szene-Kenner fordert eine professionelle Struktur im Skisport, einen CEO als oberstes Entscheidungsgremium und Profitcenter für Alpin, Langlauf, Sprunglauf etc. Das Problem: Die Verbände müssten Macht abgeben. Wie wäre eine Änderung möglich? „Notfalls müssten die Sportler mal rebellieren.“ Motto: Ohne Sportler keine Sport, ohne Sport auch kein Geld für Verbände, keine Macht für die Funktionäre. So weit wird es aber leider nicht kommen.

Auch IOC-Präsident Dr. Thomas Bach bekommt in dem Interview sein Fett weg. Neureuther spricht dem Sport-Grantler aus dem Herzen: „…wie sich Bach zuletzt in Rio gegenüber den Athleten präsentiert hat, wie er das russische Dopingthema wegmoderiert und die russische Whistleblowerin Julia Stepanowa fallen gelassen hat – darüber bin ich schwer enttäuscht. Was ist aus diesem ehemaligen Sportler geworden (Bach war Fecht-Olympiasieger)? Man muss sich das mal vorstellen: Ein IOC-Präsident reist nicht zu den Paralympics, einer der wichtigsten und integrativsten Ideen unserer Zeit, die dazu aus der olympischen Bewegung entstanden ist. Nicht ein Wort waren ihm die Paralympics in seiner Abschlussrede in Rio wert – ein Offenbarungseid!“

An die Adresse des IOC fordert Neureuther mehr Rücksicht auf den Umweltschutz bei den Olympischen Spielen. „Ich kann doch nicht – wie für die Winterspiele 2018 in Pyeonchang – in ein Naturschutzgebiet eingreifen und einen Wald abholzen!“ Deutliche Worte: „Der Gigantismus und die nicht mehr überschaubare Flut von Sportstätten und Wettbewerben bei Olympia muss ein Ende haben. Gigantismus sollte in der Nachhaltigkeit stattfinden.“ Neureuther spricht es deutlich an: „Was hinterlasse ich der Jugend der Welt nach den Spielen? Emotionen, Werte, Visionen und Chancen? Oder betrogene saubere Sportler, Bauruinen und Stadien, die keiner mehr braucht?“ Der einstige Spitzensportler ist sich sicher, dass bei einer Umkehr im IOC künftig auch die Leute wieder erreicht werden könnten, die in München und Hamburg noch gegen die Olympischen Spiele plädiert haben.

Der Sport-Grantler wollte der vernünftigen Stimme auf dieser Seite Gehör verschaffen. Schade nur, dass die Vernunft gegenüber Macht und Geld auf verlorenem Posten steht.