Der Sport – Grantler

Kommentare rund um Fußball und anderen Sport

Tag: Geisterspiele

Eine Bilanz: Der andere Fußball ohne Fans

Es ist vollbracht, die Fußball-Bundesliga hat ihren ersten Spieltag ohne Zuschauer gut über die Bühne gebracht. Jubel brach über die Geister-Spiele keiner aus, die Kritiker warnen natürlich (Das ist erst der Anfang) und bleiben skeptisch, das Ausland schaut mit Respekt nach Deutschland und auf dem Rasen selbst, na ja, da war der Fußball wie immer, nämlich logischerweise mal gut und mal schlecht, aber das Ambiente war ungewohnt und seltsam. Die Stille hatte ihr Gutes und ihr Schlechtes. Eine Bilanz über den anderen Fußball ohne Fans.

Zunächst ein Kompliment an die DFL und ihren Boss Christian Seifert, nur mit guter Arbeit und Besonnenheit wurde dieser Re-Start der Bundesliga möglich. Das Konzept wurde bis ins kleinste Detail erarbeitet, aber dort wo Menschen zugange sind, klappt natürlich nicht alles. Der eine oder andere Verein ist vielleicht nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit an die Sache rangegangen, es wurde deutlich, welche Klubs gut organisiert sind und welche nicht. So scheint Manager Michael Preetz den Laden bei Hertha BSC nicht im Griff zu haben. Zu viel Chaos gab es in den letzten Monaten (Stichwort Klinsmann), zu viele Peinlichkeiten in den letzten Tagen, angefangen mit dem unsäglichen und kindischen Video von Spieler Kalou. Auch jetzt ließen die Berliner die Ernsthaftigkeit vermissen, kein Team jubelte so ausgelassen und hautnah, alle Corona-Empfehlungen missachtend,wie die Herthaner. Da ist es auch das 3:0 gegen Hoffenheim keine Entschuldigung, weil bei der Hertha zuletzt Siege Mangelware waren. Also jubeln darf man schon, Bruno Labbadia feierte einen Einstand nach Maß und die Kirsche auf der Torte ist die Tatsache, dass die Hertha jetzt, am 26. Spieltag, wieder einen Punkt vor dem Lokalrivalen Union steht. Welche Fügung des Terminplans, dass am Freitag im (leeren) Olympiastadion das Berliner Derby steigt!

Auffallend war, dass die Mannschaften wohl einige Zeit brauchten, um sich an das komische Szenario ohne Fans zu gewöhnen. Die Spiele begannen zögerlich, wie „Alte Herren“, wie Thomas Müller treffend bemerkte. Das erste Geister-Tor fiel erst nach 29 Minuten, der Torschütze war – wenig verwunderlich – Dortmunds Norweger Erling Haaland. Das Derby gegen Schalke riss aber niemand aus dem Fernsehsessel, Dortmund trumpfte auf, Schalke 04 war schwach und machte seinem Vereinsnamen beim 0:4 wenig Ehre. Dortmund feierte seinen 800. Bundesliga-Sieg (nur die Bayern haben mehr, 1112!), Schalke hat jetzt eine Bilanz von acht Spielen ohne Sieg und rutschte aus den Europacup-Rängen. Am Sonntag (13.30 Uhr) kommt es zum Treffen zweier Sorgenkinder, Schalke erwartet mit dem FC Augsburg die schlechteste Mannschaft der Rückrunde (nur vier Punkte). Die Bayern glänzten auch nicht, doch sie fuhren ein souveränes 2:0 bei Union ein. Da war wohl der Eindruck eines Vorbereitungsspiels für den Tabellenführer zu stark. Wir wissen, die Bayern laufen dann zur Bestform auf, wenn es um etwas geht. Und so warten die Fans (im Wohnzimmer) auf den Schlager in Dortmund am Dienstag, 26. Mai (18.30 Uhr).

Apropos Fans, die blieben zu Hause oder versammelten sich (oft mit vorschriftsmäßigen Abstand – anders als die Hertha-Spieler!) in Kneipen und bescherten dem Pay-TV-Sender Sky einen Zuschauerrekord. Sky hat also beste Werbung für sich betrieben und richtig gehandelt, die Konferenz-Übertragung für alle zugänglich zu machen. Für viele Zuschauer an den Bildschirmen waren die Geister-Übertragungen sogar ein Gewinn, denn die Kommentatoren waren ohne Hintergrundgeräusche (oft das unsägliche Trommeln auf den Tribünen) gut zu verstehen und selbst Schiedsrichter Felix Brychs Erklärung über seine Hand-Entscheidung wurde als unfreiwilliger Service übertragen. Gewissermaßen erlebten die TV-Zuschauer Fußball pur. Ähnlich wie bei Skirennen, wo Jubel auch erst im Ziel aufbrandet. Ruhiger als sonst ging es auch auf dem Rasen zu, die Spieler agierten mit weniger Hektik und Reklamierten kaum, die aufgehetzte Stimmung auf den Tribünen ist ansonsten wohl Treibstoff für Proteste.

Aber wie gesagt, es war erst der erste von insgesamt neun Spieltagen (dazu Pokal) und gewonnen ist noch nichts. Die Mannschaften waren vorher in einer einwöchigen Quarantäne, jetzt dürfen alle wieder nach Hause, sollen aber bei ihren Familien bleiben, um Ansteckungen zu vermeiden. Doch können auch Familienangehörige das Virus einschleppen, zum Beispiel Kinder von der Schule mitbringen. Dies trifft zwar dann nur einige Spieler, die einzeln aus dem Verkehr gezogen werden, aber die Gefahr ist nicht gebannt. Und wie leichtsinnig selbst die Trainer mit den Bestimmungen umgehen, zeigte Augsburgs Coach Heiko Herrlich. Er sollte den FCA auf den Erfolgsweg bringen und war nicht bei der Mannschaft, die prompt verlor. Peinlicher kann ein Einstand nicht sein.

Ein vorzeitiger Abbruch der Saison ist also immer möglich und gilt als Horrorszenario. Deshalb hat die DFL dieses Thema – das ist der einzige große Fehler – wohl vor sich hingeschoben. Doch Entscheidungen müssen im Notfall getroffen werden. Ganz gefährlich sind Ideen, dass bei einem Saisonabbruch der Abstieg ausgesetzt werden muss und die Liga aufgestockt werden soll. Dieser Vorschlag wurde für alle Ligen gemacht, aber in der 3. Liga zeigt sich schon, dass sich manche Vereine gar nicht bemühen, die Saison fortzusetzen. Abstiegskandidaten könnten einen SaIson-Abbruch provozieren, um so die Klasse zu erhalten! Eine gerechte Lösung wird es nicht geben, aber es sollte immer der letzte Stand der Tabelle zählen, evtl. hochgerechnet auf alle Spiele. Jede Mannschaft hat bis dahin die Chance, sich entsprechend zu platzieren. Aufstockungen sorgen für Probleme in der nächsten Saison. Bei einigen fehlt halt der Weitblick und der Blick für das Ganze.

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Ganz Europa schaut auf die Bundesliga

Es ist geschafft! Die Fans atmen auf, die Fußball-Bundesliga spielt wieder und startet am 16. Mai in den Endspurt mit dem 26. Spieltag von insgesamt 34. Am Samstag, 27. Juni, soll dann der Meister gekürt werden. Die Fans atmen auf, aber nicht alle sind begeistert, weil die Zuschauer ausgesperrt sind und Geisterspiele eigentlich keinen hinter dem Ofen hervorlocken. Doch inzwischen hat sich auch bei den Anhängern die Erkenntnis durchgesetzt, dass Geisterspiele das geringere Übel sind, um einige Vereine vor der Pleite zu bewahren.

Insofern ist die Entscheidung der Politik eine lebensrettende Maßnahme, doch der Chor der Kritiker war lauter als die Jubeltöne. Was wurde nicht alles kritisiert, dass die Bundesliga eine unangebrachte Bevorzugung erhalte. Der Deutschlandtrend der ARD bestätigt die Skepsis, in einer Umfrage ist die Hälfte der Befragten gegen den Wiederbeginn der Bundesliga, 36 Prozent sind dafür. Da bekommt sogar der bekennende Fußball-Fan Markus Söder mehr Zustimmung, 53 Prozent halten Bayerns Ministerpräsidenten für den besten Kanzlerkandidaten von CDU/CSU. Söder beliebter als der Fußball!

In Deutschland wird vor allem über die Kritik diskutiert, außerhalb der Grenzen ist es anders. Ganz Europa schaut auf die Bundesliga, lobt den Wiederbeginn und zeigt Respekt vor der Arbeit der DFL. UEFA-Präsident Aleksander Ceferin stellte die Bundesliga sogar als „leuchtendes Vorbild“ dar. Die Medien in den Ländern der Top-Ligen sehen das genauso und würden sich wünschen, dass in ihren Ligen ebenso gut und konsequent gehandelt wird. In Italien heißt es u. a. „Die Lokomotive des europäischen Fußballs kommt wieder in Bewegung“ oder „Angela Merkel gibt ein wichtiges Zeichen der Normalisierung in Deutschland“. In Frankreich loben die Zeitungen „Der Bundesliga ist weltweite Beachtung sicher“ oder „Wenn wieder Fußball gespielt wird, ist Licht am Ende des Tunnels“ und „Deutschland profiliert sich in einem undurchsichtigen Europa.“

Natürlich bleibt der Spielbetrieb mit direkten Zweikämpfen eine Gratwanderung. Die DFL hat aber ein schlüssiges Sicherheitskonzept erarbeitet und damit alles menschenmögliche getan. Gegen Undiszipliniertheiten wie sie Hertha-Star Kalou offenbarte, kommt das beste Konzept nicht an. Wie heißt es so schön „Fußballer sind wie Kinder“ (deshalb darf die Bundesliga genau so schnell spielen wie die Kitas wieder geöffnet haben!) oder (was allerdings schon oft widerlegt worden ist) „die Fußballer haben es in den Füßen, nicht im Kopf“ Angesichts solcher Ausfälle kommen alte Vorurteile wieder hoch.

Es gibt genügend Unwägbarkeiten, die den Spielbetrieb wieder stoppen können. Zum Beispiel wenn sich die Fans vor den Stadien oder zu Hause vor den Fernsehern versammeln und Abstand Abstand sein lassen und zusammenrücken. Steigt die Zahl der Infizierten eklatant, ist Schluss. Oder auf dem Feld springt Covid-19 von einem zum anderen bei Zweikämpfen, bei Gerangel im Strafraum oder wenn die Mauer gestellt wird. Immerhin alle sind ja getestet und sollten Corona-frei sein. Auf gängige Gewohnheiten sollten die Profis verzichten: Das Spucken auf den Rasen, Rudelbildung und Beschimpfungen nah am Gegner mit Kopf-an-Kopf-Diskussion. Fußball in Corona-Zeiten kann auch ein bisschen Knigge-Schulung werden.

Im Deutschlandtrend sind nur 36 Prozent für den Start der Bundesliga, doch eigentlich hat man das Gefühl ganz Deutschland freut sich auf den Re-Start. Immerhin geht es gleich mit dem Revier-Derby Dortmund – Schalke los, Meister Bayern kreuzt am Sonntag bei Neuling Union Berlin auf. Mehr zum ersten Geister-Spieltag in Bälde an dieser Stelle.

Die Sehnsucht nach Normalität hilft auch dem Sport

Eine Nation rüttelt an den Ketten. Deutschland hat die Nase voll vom Lockdown und giert nach Bewegungsfreiheit. Die Regierung in Berlin bremst und beschreitet den Weg der Vernunft, doch das Leben zeigt immer wieder, ein bisschen Unvernunft gehört dazu. Deshalb ist es auch nur eine Frage der Zeit, wann es weitere Lockerungen der Beschränkungen für die Bevölkerung gibt, bei der nächsten Konferenz der Länder-Chefs mit der Kanzlerin wird das über die Bühne gehen. Die einzige Frage: Wie weit werden die Lockerungen gehen?

Von der Sehnsucht nach Normalität im Leben profitiert auch der Sport, der ja eigentlich Sinnbild ist für den Bewegungsdrang. Es geht nicht nur um die Wirtschaft oder um unsere Kinder, im Sport geht es eigentlich um uns alle. Der Stern, der ganz oben leuchtet (manchmal natürlich auch nicht) ist der Fußball, gerade die Nationalmannschaft kann eine ganze Nation bewegen. Die Lokomotive ist die Bundesliga und die rüttelt eben auch an den Ketten, will endlich wieder spielen. Für die Leute, aber in erster Linie natürlich für sich selbst, damit das Geld der Fernsehanstalten drohende Insolvenzen verhindert.

In der Öffentlichkeit gibt es eine Gemengelage, bei der deutlich wird, wie die Fußball-Bundesliga polarisiert. Die einen tönen „zuerst müssen die Kinder raus, ehe Fußball gespielt wird“, die anderen sehen die Bundesliga als Beitrag zur Normalität, als Abwechslung nach dem düsteren Corona-Szenario. Die Bundesliga übt sich im Gegensatz zu ihrem sonstigen Auftreten in Demut, will die Corona-Tests natürlich selbst bezahlen und unterstützt in vielfältigen Spendenaktionen (das wird immer wieder vergessen!) die leidende und über die Grenzen der Kraft gehende Bevölkerung. Auf diese Pluspunkte weist keiner der Populisten hin.

Dafür versuchen Politiker Pluspunkte zu sammeln, wenn sie dem Volk nach dem Mund reden. Typisches Beispiel ist der SPD-Co-Chef Norbert Walter-Borjans (wer kennt den eigentlich?), der fordert, die Bundesliga-Spiele müssten im freien Fernsehen zu sehen sein, damit auch wirklich jeder zuschauen kann, wenn schon gespielt wird (ohne Zuschauer in den Stadien). Verträge ignoriert er, genauso den Grund des Drängens nach Geisterspielen, weil nur dann eben das überlebensnotwendige Geld fließt. Es liegt am Rechteinhaber Sky, ob er als Werbegründen Spiele frei empfangbar ausstrahlt. Scheinbar will die Politik Druck machen, damit sich Fans nicht in Gruppen vor dem Sky-Fernseher versammeln. Aber Sky ist nun mal der Rechteinhaber.

Für die Bundesliga ist der Spielbetrieb so oder so eine Gratwanderung, weil eben keiner vorhersagen kann, ob Corona zuschlägt und wenn, in welchem Maße. Typisch der erste Schreckschuss, als drei Mann beim 1. FC Köln positiv getestet wurden und in Quarantäne mussten. Das Gesundheitsamt sagt aber: Eine erhöhte Ansteckungsgefahr durch die positiv getesteten Kollegen gibt es nicht. Die Kritiker der Geisterspiele sehen sich dagegen bestätigt, zum Beispiel der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach: „Das Konzept floppt und ist kein Vorbild“, Die zweite, entscheidende Testreihe blieb ohne positiven Befund, Aufatmen in Köln und in der Bundesliga. Danach hat die DFL erste Zahlen bekannt gegeben: Bei 1724 Tests in der 1. und 2. Bundesliga gab es ganze zehn positive Fälle.

Es geht aber nicht nur um Fußball. Der Sport ist ein Stück Normalität, so sitzen auch andere Sportarten in den Startlöchern wie die Basketball-Bundesliga zum Beispiel, in der zehn von 17 Vereinen noch den Meister ermitteln wollen und zwar an einem zentralen Standort. Aber es gibt auch viele kleine Vereine und deshalb macht der Dachverband DOSB Druck auf die Politik und fordert die Freigabe für den Amateursport. Für viele Kinder ist der Fußballplatz der beste Spielplatz.

Abseits von der Diskussion vom Corona-Szenario kann der Spitzenfußball so schnell nicht aus seiner Haut. Typisches Beispiel Bayern Münchens Sportdirektor Hasan Salihamidzic, der den Fans wohl Hoffnung für die Zukunft geben wollte und kundtat, dass die Bayern für die neue Saison mit Verstärkungen durch einen Topspieler und ein Toptalent planen. Damit erntete er Kritik (wer denkt jetzt an so was) und machte die zuletzt gute Arbeit zum Teil wieder kaputt, nämlich diverse Vertragsverlängerungen, u. a. mit Trainer Hansi Flick und Thomas Müller. Diesbezüglich soll es bald weitere Erfolgsmeldungen geben mit Manuel Neuer, David Alaba und Thiago („Ich könnte mir vorstellen, meine Karriere in München zu beenden“). So wird die Corona-Pause positiv genutzt.

Übrigens lassen sich die Bayern-Frauen ebenfalls nicht lumpen, sie rüsten auch für die Zukunft auf und könnten bald unter dem Namen SC Freiburg antreten. Mit dem 19-jährigen Stürmertalente Klara Bühl haben sie insgesamt jetzt die siebte Spielerin (!) aus Freiburg verpflichtet und mit Jens Scheuer gleich den Trainer dazu. Aus Essen kamen aktuell Torjägerin Lea Schüller und Marina Hegering, Bayern bläst also zum Angriff auf den dominierenden VfL Wolfsburg. Schade ist, dass die Frauen-Bundesliga die Corona-Pause ansonsten nicht zu mehr Eigenwerbung nutzen konnte. Auch die Frauen wollen spielen, angesichts der sonstigen Zuschauerkulisse mit unter tausend Besuchern im Schnitt ist der Schritt zu Geisterspielen gar nicht so weit.

Die Bundesliga kann dem Sport die Fesseln lösen

Die Fußball-Bundesliga zeigt sich bereit für sogenannte „Geisterspiele“ ohne Publikum, sie hat ein schlüssiges Konzept für die Durchführung vorgelegt, aber ob und wann sie grünes Licht für die Austragung bekommt, ist weiterhin fraglich. Die Meinungen in der Öffentlichkeit, bei Experten und vor allem in der Politik, wo sich einige Abgeordnete aus der zweiten Reihe in den Vordergrund plaudern wollen, gehen weiterhin ziemlich auseinander. Für Pro und Contra gibt es natürlich Argumente, aber vielleicht drückt es ein „Neutraler“ richtig aus: Ethikrat-Mitglied Reinhard Merkel sieht für die Fußball-Bundesliga „durchaus einen Grund, diese Gruppe anders zu behandeln“ und er fordert darüber hinaus „von der Gesellschaft kreative Wege“. Ein Wort, das er so auch an die Entscheider der Politik richten kann. Denen fehlt zum Teil der Mut und wenn sie vorpreschen, wie die Ministerpräsidenten Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen) und Markus Söder (Bayern) ausgerechnet via Bild, dann rudern sie bei leisester Kritik sofort wieder zurück. Entscheiden müssten die Virologen, so wird der Ball hin- und hergeschoben, ganz ohne Mundschutz und Trainingslager.

Eines ist klar, muss aber kurz wiederholt werden. Die Bundesliga genießt im deutschen Sport eine Sonderstellung, weltweit ist der Fußball die Sportart Nummer eins. Deshalb gebührt ihm durchaus eine andere Behandlung. Der Fußball kann eine Nation euphorisieren oder in Trauer stürzen, siehe den positiven Nutzen vom Sommermärchen der WM 2006. Daran sollten sich die Politiker heute erinnern. So eine Stimmungslokomotive vor die Hunde gehen lassen? Die Vereine brauchen das Fernsehgeld zum Überleben, das ist Fakt. Man kann ihnen schlechtes Wirtschaften vorwerfen, einen Wandel für die Zukunft empfehlen, aber die Gegenwart muss gemeistert werden. Da kann die Fußball-Bundesliga mit Gaststätten und Friseuren nicht in einen Topf geworfen werden, auch wenn Kritiker in Politik und Medien mosern: „Der Fußball soll sich nicht wichtiger nehmen als er ist.“ Er ist wichtiger für das Volk, als viele Kritiker es sehen!

Nur die Fußball-Bundesliga kann als Lokomotive dienen, um den Sport in Deutschland von den Fesseln zu befreien. Der Deutsche Olympische Sportbund versucht auch mit einem Brandbrief der Politik die Augen zu öffnen und betont den unschätzbaren positiven Effekt des Sports, der jetzt der Gesellschaft fehlt und den Aktiven in 90.000 Sportvereinen in Deutschland. Zaghafte Lockerungen mit einer größeren Bewegungsfreiheit in der Öffentlichkeit muss auch einhergehen mit neuen Anfängen zum Sporttreiben, natürlich unter allen Maßnahmen für die gesundheitliche Sicherheit. Die Bundesliga macht es vor.

Die Fußball-Bundesliga kann auch ein Vorreiter international sein, denn andere Nationen schauen auf Deutschland, das den Coronavirus einigermaßen im Griff hat. Die anderen Ligen schauen auf die Bundesliga, wie sie möglicherweise Geisterspiele organisiert. Die Saison abzubrechen ist eigentlich keine Lösung, siehe den Streit in den Niederlanden, wo die Saison beendet wurde, jetzt aber Klagen drohen. Egal in welchem Sport, dort wo die Ligen nicht einvernehmlich beendet werden können droht ein Streit, der auch künftige Spielzeiten beeinträchtigen könnte. Da zeigt sich dann eine Langzeitwirkung von Corona.

Die Entscheidung, ob und wann die Bundesliga eventuell wieder spielen kann, wird wohl frühestens am 4. Mai fallen, wenn die Politik erste Erkenntnisse über die Lockerungen im Geschäftsleben hat. Ein Start vor dem 16. Mai wird kaum machbar sein, zumal die Teams noch unter Wettkampfbedingungen trainieren wollen. Eher wird es also der 23. Mai, ein Ende der Saison bis zum 30. Juni also kaum möglich sein. Eine dann notwendige Saisonverlängerung sollte machbar sein, auch wenn am 30. Juni viele Spielerverträge auslaufen. Der DFB-Pokal mit Halbfinale und Finale muss schließlich auch noch untergebracht werden. Und dann gibt es noch die internationalen Wettbewerbe und da spricht die UEFA schon von Spielen im Juli und August. Corona ist ein unsichtbares Virus, sichtbar ist aber das Chaos, das es in allen Bereichen des Lebens hinterlässt.

Apropos Sommermärchen 2006: Die leidige Affäre um Millionenschiebereien rund um die WM in Deutschland nahm in der Schweiz ein seltsames Ende. Der angestrengte Prozess gegen die deutschen Funktionäre Zwanziger, Niersbach, Schmidt und Franz Beckenbauer ist am Montag geplatzt, weil die Anschuldigungen rund um den 6,7-Millionen-Transfer verjährt sind. Allerdings gibt es Nachwehen, weil sich dieser Prozess zu einem Schweizer Justizskandal ausweitete, in dem auch FIFA-Präsident Gianni Infantino zusammen mit dem Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber eine dubiose Rolle spielte. Es zeichnet sich ab, dass es im Nachhinein eine interne Untersuchung in der Schweiz über die Versäumnisse in diesem Prozess gibt. Das Virus, das der FIFA schadet heißt bekanntlich Korruption.

Die Bundesliga sucht nach dem richtigen Weg

Die ganze Welt stöhnt unter der Corona-Pandemie und überall gibt es nur eine Hoffnung: Wann geht dieses Chaos zu Ende, wann lässt der Peiniger wieder ein einigermaßen normales Leben zu. Fast die ganze Welt weiß allerdings auch, dass die Rückkehr zum früheren Alltag nicht so leicht ist und es noch dauern wird. So versuchen es viele Länder in der nächsten Zeit mit Lockerungen, die nur so weit gehen sollen, dass die Zahl der Viruserkrankungen nicht wieder steigt. Jeder sucht also nach dem richtigen Weg in eine normale Zukunft. Den sucht auch die Fußball-Bundesliga, die endlich wieder spielen will, damit einige Klubs nicht Insolvenz anmelden müssen, die endlich wieder spielen will, weil nur dann die Fernsehgelder fließen. Wie der Weg aussehen wird, darüber wird jetzt schon diskutiert, nur eines scheint klar zu sein: Es wird eine gewisse Zeit nur Geisterspiele ohne Publikum geben, vielleicht sogar bis in das nächste Jahr hinein.

Ob der richtige Weg je gefunden werden kann? Den suchen auch alle anderen Sportarten, wobei jede für sich vor besonderen Problemen steht. Nur eines steht fest: Das Publikum wird vorerst ausgeschlossen bleiben. Wer also profitiert von Sport ohne Zuschauer, aber mit Fernsehen? Wer kann Sport treiben ohne Nähe zum Gegner, ohne Kontakte. Das könnte Golf sein, wo auch Freizeitsportler in absehbarer Zeit vielleicht allein über den Platz gehen können, aber eben auch Profis. Das könnte Tennis sein, wo zumindest im Einzel der Sicherheitsabstand immer gewahrt bleiben kann, im Freizeit- und im Leistungssport.

Aber bleiben wir beim Fußball. In Deutschland wird die Regierung am Mittwoch über das weitere Verfahren in Sachen Corona entscheiden und mit ziemlicher Sicherheit gewisse Lockerungen vornehmen, doch wie weit gehen die. Davon hängt auch ab, wie schnell die Profifußballer der ersten bis zur dritten Liga wieder in die Stadien zurückkehren können. Die DFL tagt am Freitag und muss sich natürlich an den Vorgaben orientieren.

Dennoch werden jetzt schon Szenarien durchgespielt. So sollen Spieler, Betreuer und Schiedsrichter alle drei Tage getestet werden, angeblich wären die Kapazitäten dafür vorhanden, der Fußball also keine lebenswichtigen Tests blockieren würde. Die Zahl der Anwesenden in den Stadien soll stark begrenzt werden, von 600 auf etwa 300 mit wenigen Balljungen und Begleitpersonal. Dazu gibt es sogar die Idee, nicht in allen Stadien zu spielen, sondern zwei oder drei feste Spielorte zu installieren, um Reisen einzuschränken. Gespielt werden könnte zum Beispiel in Berlin, Dortmund und Frankfurt oder München. Aber soll die Bundesliga für mehrere Wochen in Quarantäne? Auf jeden Fall sollen die Reisen der Schiedsrichter beschränkt und die Regel gekippt werden, dass Schiedsrichter in ihrem Landesverband nicht pfeifen können. Die Referees sollen nicht übernachten und mit dem Auto anreisen. Den Gedanken wird freier Raum gelassen, nichts ist unmöglich. Es gibt nur ein Ziel: Endlich wieder spielen. Der richtige Weg dahin ist offen.

Viel mehr Probleme wird es auf der internationalen Bühne geben, weil zum Beispiel die Vereine der Champions League und der Europa League in ihren nationalen Ligen vor unterschiedlichen Aufgaben stehen, eine unterschiedliche Zahl von Spielen noch zu absolvieren ist, überall noch offen ist, ab wann überhaupt gespielt werden kann. So wird es mit Sicherheit ein unterschiedliches Ende der einzelnen Ligen geben. Manche erwarten sogar, dass die internationalen Wettbewerbe erst im Herbst weitergehen könnten. Doch auch das wirft wieder besondere Probleme auf: Wie sieht es dann mit Transfers aus, mit welche Mannschaften treten die Teams dann an? Eines zeichnet sich ab: Die Sommerpause könnte im Fußball wegfallen, auch wenn die Bundesliga ihre Saison unbedingt bis 30. Juni beenden will, um keine Probleme mit der Laufzeit von Verträgen zu bekommen. Doch damit sind nicht alle Ungereimtheiten beseitigt.

Corona bringt die Welt durcheinander und natürlich auch den Sport. Aber auch der Alltag muss weitergehen. So hat zum Beispiel der Bundesligist Hertha BSC gehandelt und mit Bruno Labbadia einen neuen Trainer verpflichtet. Der 54-Jährige gebürtige Darmstädter ist Rekordhalter was die Anzahl der Vereine angeht, als Spieler und Trainer macht er mit Berlin jetzt die zehn voll (bei acht Vereinen waren Jörg Berger, Friedhelm Funkel und Otto Rehhagel). Seine Stationen als Spieler waren HSV, Kaiserslautern, Bayern, Köln, Bremen und Bielefeld, als Trainer Leverkusen, HSV, Stuttgart, Wolfsburg und jetzt eben Hertha. Dort ist er der vierte Coach in einer Saison. Das er jetzt beginnt, ist allerdings nachvollziehbar. Manager Michael Preetz hat die Sorge, dass die Sommerpause als Neuanfang ausfällt, also wird der Neuanfang vorgezogen und Labbadia ist zunächst in der Rolle des Retters gefordert, die er eigentlich nicht mehr spielen will.

Der Alltag geht auch bei den Bayern weiter, wo vor allem die Verlängerung der Verträge ansteht. Nach Trainer Hansi Flick hat sich jetzt Vereinsikone Thomas Müller bis 2023 verpflichtet. Thiago soll als Nächster folgen, dagegen gibt es bei Torhüter Manuel Neuer wohl eine Hängepartie. Angeblich will er eine Verlängerung bis 2025, die Bayern aber wie bei den anderen nur bis 2023 und außerdem hat er wohl eine Gehaltsforderung von 20 Millionen Euro in den Raum gestellt, was die Bayern nicht zahlen wollen und was angesichts der derzeitigen Situation wohl auch unangemessen ist. Aber das ist ein anderes Thema, wie der Fußball in der Zukunft aussieht. Warten wir erst einmal ab, ob und ab wann überhaupt gespielt wird. Hoffen wir, dass die Bundesliga den richtigen Weg findet.

Ultras oder Corona – wer leert die Stadien?

Na ja, diese Erkenntnis ist nicht ganz neu, dennoch ein Hinweis darauf: Die Welt ist aus den Fugen geraten. Da passt das Coronavirus wie die Faust aufs Auge, denn dass die Welt aus den Fugen gerät, wird damit nämlich sichtbar. Das tägliche Leben hat sich geändert, bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Und natürlich bleibt der Sport davon nicht verschont, wobei es dafür zunächst nur geringe Anzeichen gibt mit Veranstaltungen ohne Zuschauer, aber sie werden mehr werden. In einigen Sportarten werden Veranstaltungen abgesagt, in anderen wird einfach weitergemacht, halt ohne Zuschauer. Das droht jetzt auch der Fußball-Bundesliga. Manche Fans nehmen die drohenden Geisterspiele fatalistisch: „Fußball ist ja sowieso ein Fernsehsport. Millionen sitzen vor den Fernsehern, Millionen Euro werden durch das Fernsehen verdient.“ Wo ist also das Problem? Machen wir wieder Radiokonferenz.

Blickt man auf die vergangenen Wochen und Tage zurück, dann stellt sich allerdings die Frage: Wer leert die Stadien zuerst? Die Ultras, die mit beleidigenden Äußerungen den Anstand vergessen und Spielabbrüche provozieren, oder eben Corona, wenn die Gesundheit im Vordergrund steht und Massenveranstaltungen dafür verantwortlich sein können, dass sich Viruserkrankungen verstärkt ausbreiten. Corona wird die Ultras schlagen, die dann nicht einmal mehr ihre Proteste anbringen können. Der Fußball kann also testen, wie es sich ohne Zuschauer und ohne Stimmung spielt.

Die Frage ist, ob die strengen Maßnahmen der Ministerien und Ämter nicht zu weit greifen und nur die Panik schüren. Da tätigen Menschen Hamsterkäufe, gleichzeitig aber fahren sie dichtgedrängt in der U-Bahn, am Wochenende auch in die Fußballstadien und standen dicht an dicht. Unten auf dem Feld kam es auch zum Körperkontakt, aber nicht vor dem Match. Die Spieler nahmen die Einlaufkinder nicht an die Hand, sondern legten ihnen die Hand auf die Schulter, statt Händeschütteln zur Begrüßung des Gegners gab es einen Ellenbogenkontakt. Abgeklatscht und umarmt wurden nur die eigenen Mitspieler.

Die Bundesliga wird spielen

Die Bundesliga lässt sich vom Coronavirus nicht stoppen, das hat DFL-Geschäftsführer Chrisian Seifert deutlich gemacht. Seinen Worten nach muss die Saison wie vorgesehen bis Mitte Mai zu Ende gespielt werden, um Auf- und Absteiger sowie die Teilnehmer an den internationalen Wettbewerben zu ermitteln. Vielleicht wird am Ende auch der Deutsche Meister unter Ausschluss der Öffentlichkeit bzw. der Fans feiern. Alles ist möglich.

So hat der Sport vielleicht auch wieder einmal die Aufgabe, von den großen Problemen der Welt ein wenig abzulenken. Wer also wird Deutscher Meister? Bayern München jedenfalls lässt nicht locker, mit Erleichterung wurde der 2:0-Sieg gegen den FC Augsburg registriert, ein Gegner, der oft Probleme bereitete und auch jetzt wieder unangenehm war. Aber auch ohne Torjäger Lewandowski bleiben die Bayern auf Kurs mit zuletzt sieben Siegen und dem 0:0 gegen Leipzig. Dortmund drängte sich wieder in die erste Verfolgerrolle mit dem 2:1 im Duell in Gladbach. Positiv wird bei der Borussia registriert, dass mit Haaland und Can genau die richtigen Typen geholt wurden, die der Mannschaft neben Haalands Toren vor allem das Kämpfergen inplantierten. Sprich: Auch schwächere Spiele werden gewonnen, wie es eben Bayern oft vormacht.

Anders sieht es in Leipzig aus, wo zwei Unentschieden die Stimmung trübten. Nicht mehr nach dem Titel schielen, sondern die Teilnahme an der Champions League sichern, sieht Trainer Julian Nagelsmann jetzt als Aufgabe. Das gilt auch in Gladbach und Leverkusen, das sich als Mannschaft der Stunde bezeichnen kann. Da haben inzwischen Schalke, Wolfsburg und Hoffenheim den Anschluss verloren. Dazwischen liegt noch Freiburg mit 36 Zählern, aber dort sieht man einiges anders. Trainer Christian Streich atmet tief durch: „Mit dem Abstieg haben wir nichts mehr zu tun.“ Fast sensationell: Auch Köln sieht es so und schielt mit 32 Punkten und sechs Siegen in den letzten acht Spielen nicht mehr nach unten, sondern eher nach oben. Na ja, in Köln schwenkt die Stimmung immer schneller um als an anderen Orten.

Im Abstiegskampf selbst treten die Klubs quasi auf der Stelle, ein Glück für Vereine wie Augsburg, Hertha und Frankfurt, die zuletzt zu wenig gepunktet haben und immer auf den Abstand nach unten schauen. Paderborn kann das Schlusslicht nicht abgeben, Bremen schafft die Wende nicht und Düsseldorf kommt auch nicht voran. Gegen Mainz wurde schon die zweite Chance zum Punktesammeln gegen Konkurrenten im Abstiegskampf verpasst, mit Unentschieden kommt man nicht weiter. Nächste Chance Freitag gegen Paderborn.

Geisterspiele international

Eines ist wohl sicher: Geisterspiele werden kommen. „Getestet“ haben am Sonntag Juventus Turin und Inter Mailand, auf dem Spielfeld war es eigentlich wie immer. Erste Erkenntnisse kann Dortmund am Mittwoch in Paris sammeln, dort wurde entschieden, die Zuschauer auszuschließen. Die Champions League geht in dieser Woche weiter und es wird einige Geisterspiele geben, u. a. Valencia – Bergamo. Mal sehen, ob die deutschen Klubs auch ohne Fans ihren Siegeszug fortsetzen können. Dortmund lebt von einem 2:1 im Hinspiel und trifft auf eine verunsicherte Mannschaft von Thomas Tuchel. Paris konnte sich ausruhen, das Spiel in Straßburg wurde abgesagt. Leipzig muss einen 1:0-Vorsprung gegen Tottenham verteidigen, diesmal würde ein Unentschieden nicht für lange Gesichter sorgen. Die Bayern haben noch Ruhe, treffen erst nächsten Mittwoch, 18. März, auf Chelsea London.

In der Europa League steht jetzt auch das Achtelfinale an, Frankfurt gegen Basel, Wolfsburg gegen Donezk und Leverkusen bei den Glasgow Rangers sollten nicht chancenlos sein. Im Sport stehen die Zeichen gut für die Bundesliga, in Sachen Corona nicht so gut.

Ob es im DFB-Pokal auch Geisterspiele gehen wird? Optimisten hoffen, dass sich die Epidemie bis zum 21./22. April abgeschwächt hat. In Saarbrücken wird allein die Begeisterung auch Corona besiegen, so eben wie Köln und jetzt Düsseldorf. Nun trifft der Viertligist auf Bayer Leverkusen, außerdem erwarten die Bayern den alten Pokal-Kontrahenten Eintracht Frankfurt.

Der Fußball hat auch noch andere Sorgen, Frag nach in Nürnberg, dort haben einer oder mehrere Unbekannte 50 Flyer mit fast schon unverhohlenen Morddrohungen gegen Nürnberger Spieler aufgehängt. Diese Auswüchse sind schlimm und zeigen, dass die Welt wirklich aus den Fugen geraten ist, leider auch der Fußball und deren Anhänger. Geisterspiele passen also zu geistesgestörten Anhängern.