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Tag: Jari Magnus Riiber

Ein Treffer war der Winter nicht

In den Alpen und Mittelgebirgen hat es in den letzten Tagen wieder geschneit, jetzt kündigt sich endgültig der Frühling an – Zeit also für eine Bilanz des Wintersports. Noch kann man eine Bilanz ziehen, immer mehr stellt sich die Frage, wie lange es noch einen echten Winter gibt. Der Sport-Grantler selbst hat seine Schneeschaufel in diesem Winter im Keller lassen können. Und im Sport verlief auch einiges chaotisch, es war ein Winter ohne große Ereignisse, geprägt von vielen Verletzungen und mit einem abrupten Ende durch das Coronavirus. Ein Treffer also war der Winter nicht.

Apropos Treffer. Dies war das Manko der deutschen Biathleten, die im Jahr eins nach Laura Dahlmeier keine schlechte Saison ablieferten, aber Probleme am Schießstand hatten. Dort verballerten sie WM-Medaillen und Podestplätze. Das sollte sich trainieren lassen, so dass die deutschen Männer und Frauen zielsicherer in die nächste Saison gehen können. Das Kommando gaben im Wintersport meist die Norweger an, so war es auch im Biathlon. Norwegen stellte in der Nationenwertung den Sieger bei den Männern und Frauen, dazu gesellten sich Frankreich (Zweiter bei den Männern, Dritter bei den Frauen) und Deutschland (Dritter bei den Männern, Zweiter bei den Frauen), also war es nicht so schlecht. Diese drei Nationen dominierten Biathlon, in die Phalanx brach einzig Südtirols Glamourgirl Dorothea Wierer ein, die den Gesamtweltcup bei den Damen erfolgreich verteidigte. Bei den Herren triumphierte Johannes Thingnes Bö trotz Babypause. Der große Triumphator der letzten Jahre, der Franzose Martin Fourcade beendete dagegen seine große Karriere ebenso wie die Finnin Kaisa Mäkkäräinen.

In der deutschen Mannschaft beeindruckte vor allem Denise Herrmann, die ein bisschen in die Fußstapfen von Laura Dahlmeier trat. Drei Saisonsiege, dazu drei weitere Podestplätze, dreimal WM-Silber und die kleine Kristallkugel im Sprint können sich sehen lassen. Dabei begann die Saison schlecht, die ersten Kritiken kamen auf, aber dann ging es bei Damen und Herren richtig los. Das Ende der Saison war wieder traurig mit Wettbewerben ohne Zuschauer. So trist sieht die Zukunft dann doch nicht aus. Allerdings muss man hier „nahe Zukunft“ sagen, denn ein Nachwuchsproblem gibt es schon.

Die Angst vor Verletzungen

Was die sonstigen Skisportler angeht, da läuft und springt die Angst vor Verletzungen mit. Fast alle Wettbewerbe waren überschattet von schweren Verletzungen, Kreuzbandrisse waren an der Tagesordnung. Die Skiverbände sind gefordert, denn sowohl alpin als auch im Skispringen muss es Materialverbesserungen oder -veränderungen geben, um diese Flut von Verletzungen zu verhindern. Besonders gebeutelt waren die Skispringerinnen, da musste Bundestrainer Andreas Bauer gleich auf vier seiner besten Springerinnen verzichten. Der größte Pechvogel war Andreas Leyhe, der beim letzten Springen in Trondheim in der Qualifikation stürzte, sich einen Kreuzbandriss zuzog – und dann wurde der Wettbewerb abgesagt, die Saison war beendet. Für das Glanzlicht sorgte Karl Geiger (Oberstdorf), es war sein Winter und hinter Stefan Kraft (Österreich) wurde er Weltcup-Zweiter.

Namensvetter Vinzenz Geiger war als Dritter bester Deutscher bei den Nordisch Kombinierern, aber Siege waren rar, die Norweger dominierten das Geschehen noch mehr, als es vor kurzem noch die Deutschen taten. Jari Magnus Riiber war schier unschlagbar, flog im Springen schon allen davon und hat sich in der Loipe so stark verbessert, dass er kaum noch einholbar war. Da schaute die Konkurrenz ganz schön hinterher, wobei Trainer Weinbuch genau weiß, was zu tun ist: „Wir müssen uns im Springen verbessern.“

Bei den Alpinen war Thomas Dreßen der große Held. Der Abfahrer kam nach einer Verletzung zurück wie eine Rakete, holte sich Siege in Lake Louise (Kanada), beim Heimrennen in Garmisch-Partenkirchen und schließlich noch in Saalbach in Österreich. Drei Saisonsiege schaffte noch kein deutscher Abfahrer und Platz zwei im Weltcup der Königsdisziplin war der Lohn. Auf Dreßen schauten die Ski-Fans, aber ganz konnte er den charismatischen Felix Neureuther, der seine Karriere beendet hatte, nicht ersetzen. Eine durchwachsene Saison mit Kritik an ihrem Trainingseifer erlebte Ski-Girl Viktoria Rebensburg, die am Ende nur Neunte im Gesamtweltcup wurde. Mit Alexander Aamodt Kilde (Norwegen) und Federica Brignone (Italien) gab es Überraschungs-Weltcupsieger, weil die Saison wegen Wetter und Corona vorzeitig beendet wurde. Die dominierende Mikaela Shiffrin aus den USA fehlte in den letzten Rennen nach dem überraschenden Tod ihres Vaters.

Siege für die Ewigkeit

Der Held des Winters schlechthin war Bob-Pilot Francesco Friedrich. Der 29-Jährige Sachse stellte einen Rekord für die Ewigkeit auf: Er wurde dreimal Doppel-Weltmeister in Folge und noch kein Pilot vor ihm hat je neun Titel im Zweier und Vierer geholt. Heute kann man sagen, seine große Karriere zeichnete sich frühzeitig ab, weil er mit 22 Jahren schon der jüngste Bob-Weltmeister aller Zeiten wurde, doch dass er einmal Italiens Legende Eugenio Monti übertrumpfen könnte, dachte damals keiner. Jetzt ist Friedrich selbst eine Legende, hat aber noch Ziele, die er erreichen will. Nach seinem Doppel-Erfolg in Südkorea hat er gleiches in Peking 2022 im Visier, denn „Doppelgold zu verteidigen, das hat noch keiner geschafft.“ Außerdem: 45 Weltcupsiege sind der Rekord des Oberhofers Andre Lange, Friedrich liegt bei 37. Der nächste Winter kann kommen.

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Die Nordischen Skisportler stehlen den Alpinen die Show

Früher waren die Rollen klar verteilt: Das Interesse im Skisport gehörte den alpinen Skifahrern, die mit rasanten Rennen und vielen Siegen die Herzen der Fans eroberten. Langlauf und Springen galt als langweilig und konnte in der Medaillensammlung nicht mithalten. Die Zeiten haben sich geändert. Langlauf und Skispringen bringen die Fans an die Fernsehgeräte weil die Wettbewerbe attraktiver wurden und die deutschen Frauen und Männer überaus erfolgreich sind. Die Alpinen haben ihre Weltmeisterschaft in Are in Schweden gerade beendet, mit einer mickrigen Silbermedaille für Viktoria Rebensburg im Riesenslalom. Die Nordische Ski-WM beginnt mit ihren Wettbewerben am Donnerstag in Seefeld in Tirol und zehn Medaillen sollten für die deutsche Mannschaft bis zum 3. März möglich sein. Die Fans wollen Erfolge sehen, also fliegen heute die Herzen den nordischen Skisportlern zu.

In der Tat lassen die diesjährigen Ergebnisse im Weltcup wieder eine erfolgreiche WM für den Deutschen Ski-Verband erwarten. Es dürfte eine Ausbeute ähnlich wie bei den letzten Weltmeisterschaften geben, mit acht Medaillen 2015 in Falun/Schweden und sogar elf vor zwei Jahren in Lathi/Finnland. Welche Farbe die Medaillen letzten Endes haben werden, steht in den Sternen, hängt von der Konkurrenz und der Tagesform ab. Im Langlauf wäre jede Medaille eine Überraschung, aber nicht in der Nordischen Kombination, wo es vier Wettbewerbe gibt, und im Skispringen, wo für Frauen und Männer sechs Wettbewerbe anstehen. In jeder dieser Konkurrenzen ist eine deutsche Medaille möglich, hier und dort auch mehr, dass also insgesamt zehn Medaillen keine allzu gewagte Prognose sind.

In der Nordischen Kombination war vor zwei Jahren der Oberstdorfer Johannes Rydzek der unschlagbare König, er gewann gleich alle vier Wettbewerbe, geht also in allen Disziplinen als Titelverteidiger an den Start. Doch die Kräfteverhältnisse haben sich geändert, in dieser Saison ist der 21-Jährige Norweger Jari Magnus Riiber der überragende Athlet. Er gewann bereits vorzeitig die Weltcup-Gesamtwertung und zeigt sowohl auf der Schanze als auch in der Loipe keine Schwächen. Die deutschen Athleten mussten nach eher schwachen Sprüngen oft hinterherlaufen. Es wird spannend sein, zu sehen, ob die Deutschen ihre Sprungschwächen im Training abstellen konnten und ob Riiber seine tolle Form halten konnte. Dazu kommen aber auch starke Mannschaftskameraden in Norwegen und Deutschland, dazu kommen aber auch starke Österreicher, die ihren Heimvorteil in Medaillen ummünzen wollen. Überhaupt, auch bei den Österreichern könnten die nordischen Skisportler den oft vergötterten Alpinen den Rang ablaufen, denn nur eine Goldmedaille (Marcel Hirscher im Slalom) bei der alpinen WM nagte schon ein bisschen an der selbsternannten Skisportnation Nummer 1 (immerhin acht Medaillen insgesamt und damit am meisten von allen Nationen).

Im Skispringen haben die Österreicher ihre einstige beherrschende Stellung auch verloren. Der frühere Seriensieger Gregor Schlierenzauer schaffte es nicht mehr ins Team, Altstar Thomas Morgenstern ist abgetreten. Nur ab und zu war ein Österreicher in dieser Saison vorn dabei, die Hoffnungen ruhen auf Stefan Kraft, Doppelsieger in Lahti. Doch die Springer aller Nationen schauen auf den jungen Japaner Ryoyu Kobayashi, der in dieser Saison das Maß aller Dinge darstellt und mit vier Siegen auch bei der Vierschanzentournee triumphierte. Dazu stellen die Polen und Norweger eine starke Mannschaft und eben auch die Deutschen. Im DSV-Team, das seinem österreichischen Trainer Werner Schuster zum Abschied noch einmal Medaillen schenken will, hat sich kein Springer eine richtig gute Konstanz erarbeitet, aber immer wieder war einer vorn dabei. Karl Geiger und Markus Eisenbichler lösten die einstigen Führungskräfte Richard Freitag, Severin Freund und Andreas Wellinger ab. Letzterer holte in Finnland noch Gold und zweimal Silber. Derzeit springt er eher hinterher.

Eine Medaillenbank sind dagegen die Frauen im Skispringen. Sie stehen zwar bei ihren Wettkämpfen noch im Schatten der Männer, aber wenn es in Seefeld um die Medaillen geht, könnten sie ihnen schon den Rang ablaufen. Katharina Althaus aus Oberstdorf führte lange Zeit den Weltcup an, ehe ihr die Norwegerin Maren Lundby die Show stahl. Dazu ist auch die Japanerin Takanashi eine Siegspringerin, aber die deutschen Mädchen stellen neben Althaus mit Juliane Seyfarth (Platz vier im Weltcup), Carina Vogt (Platz fünf) Ramona Straub oder Anna Rupprecht eine echte Gold-Mannschaft. WM-Medaillen könnten die Frauen auf der Schanze zu Überfliegern werden lassen und ihrem Sport einen Schub versetzen. Das würde dann zur aufgezeigten Tendenz passen: Die Nordischen Skisportler stehlen den Alpinen die Show.

Der Langlauf wird wohl von den Norwegern dominiert. Theresa Johaug ist nach ihrer Dopingsperre wieder dabei und könnte ebenso wie Johannes Kläbo bei den Männern in allen Rennen vorne dabei sein. Das wiederum könnte den Langlauf wieder langweilig machen.