Die Fußball-Bundesliga verkommt zur Krisen-Liga

Eigentlich gab es ja einen Hoffnungsschimmer: Mit Ach und Krach überstanden Borussia Dortmund und RB Leipzig die Zwischenrunde der Europa League und sind im Achtelfinale noch dabei. Dortmund gegen RB Salzburg mit guten Chancen auf ein Weiterkommen, bei RB Leipzig gegen Zenit St. Petersburg muss man wohl ein Fragezeichen setzen. Aber zusammen mit den Bayern und dem 5:0 gegen Besiktas Istanbul haben die Bundesliga-Klubs ein paar Punkte in der UEFA-Rangliste aufgeholt. Es ist doch noch nicht alles verloren.

Doch das Geschehen national sagt etwas anderes: Die Fußball-Bundesliga verkommt zur Krisen-Liga. Das Niveau sinkt, die meisten Vereine suchen ihr Heil nur noch in einem defensiven Konzept, die Fans randalieren und wollen ihre Wünsche durchdrücken, egal, was auf dem Rasen passiert. Vor allem verzeihen die Chaos-Fans, vornehmlich die Ultras, nicht, wenn der Verein sportlich in Schwierigkeiten gerät. Abstiegskampf ist in ihrem Weltbild nicht vorgesehen. Der Verein hat, verdammt noch mal, erfolgreich zu sein. Wenn Wunsch und Wirklichkeit auseinanderklaffen, dann randalieren sie auf der Tribüne, siehe Hamburger SV. Der einst stolze Weltklub versinkt im Chaos.

Aber manchmal hilft es nicht einmal, wenn im Verein erfolgreich gearbeitet wird. Martin Kind ist seit mehr als zwanzig Jahren Vorstand und Geldgeber bei Hannover 96. Er hat den Klub jahrelang in der Bundesliga gehalten, sogar in den Europacup geführt und den „Unfall“ Abstieg wieder repariert. Die Mannschaft behauptet sich als Neuling erfreulich gut im Mittelfeld, der Klassenerhalt ist nahe. Das muss ohne Anfeuerung von den Tribünen gehen, die Chaos-Fans boykottieren die Mannschaft und fordern „Kind muss weg“. Wie vage die Zukunft ohne Kind und seine Geldgeber aussehen würde, interessiert sie nicht. Sie haben ihr Feindbild, Verstand ist nicht gefragt. Kind steht bei ihnen auf der „Abschussliste“, weil er quasi über die 50+1-Relegung nach der absoluten Mach im Verein greift. Die Macht im Vereine wollen lieber die Chaos-Fans.

Schwache Leistungen auf dem Rasen, Trainerwechsel an der Tagesordnung, Chaos auf den Rängen – in der Bundesliga gab es schon bessere Zeiten. Da ist es gut, wenn ein Stern noch leuchtet, der FC Bayern München geht unbeirrt seinen Weg. Allerdings ist auch der Rekord-Meister nicht sorgenfrei. Die Zukunft erscheint ungewisser als gewünscht. Es gibt Probleme mit den Alten. Die Trainerfrage nach der Saison bleibt ungelöst, Nothelfer und Wunschkandidat Jupp Heynckes wehrt alle Fragen zu einem Weitermachen ab, der 72-jährige will nach dem Intermezzo wohl endgültig wieder zurück in den Ruhestand. Die Zukunft der Alten bei den Spielern ist ebenfalls noch ungelöst. Arjen Robben und Franck Ribery können sich eine Vertragsverlängerung gut vorstellen, allerdings können sie sich eine Altersteilzeit auf dem Rasen wohl weniger vorstellen, aber die ist unbedingt notwendig, um den jungen Nachfolgern Spielpraxis zu ermöglichen.

So sind die Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge besonders gefordert. Notfalls müssen sie auch das Vakuum füllen, das Jupp Heynckes hinterlässt, wenn sein Nachfolger weniger menschelt und auf die Befindlichkeit seines Personals weniger eingeht. Heynckes versucht zu moderieren, erklärt und beschwichtigt. Vorgänger Carlo Ancelotti hat dies wohl weniger getan und die Mannschaft verloren. Da haben die Bosse nicht gehandelt, sie müssen dies notfalls in der Zukunft besser machen.

Bayern München ist also auch nicht ohne Probleme, doch mit einem riesigen Vorsprung vorne dran, das zeigt, dass dahinter eine zu große Lücke klafft. Die anderen Klubs müssen wieder mehr Mut zur Offensive haben. Wer am Wochenende zur Bundesliga geht, will gute Spiele sehen und nicht nur Kampf und Krampf. Einziges Trostpflaster: Spannung ist garantiert, vor allem der Abstiegskampf wird uns bis zum Schluss fesseln, zumindest der Kampf gegen die Relegation. Zwei wegweisende Duelle stehen wieder an: Der HSV (Platz 17 und17 Punkte) kämpft (tut er das wirklich?) gegen Tabellennachbar Mainz 05 (Platz 16/24 Punkte) wohl schon um seine letzte Chance. Für Schlusslicht Köln (nach dem überraschenden 2:1-Sieg in Leipzig wie der HSV 17 Punkte) geht die Aufholjagd gegen Stuttgart weiter. Der VfB könnte im Kurs nach oben gestoppt werden. Auch bei den Stuttgartern zeigt sich, wie die Fans daneben liegen können. Trainer Tayfun Korkut wurde frostig empfangen, jetzt müsste er nach zehn Punkten in vier Spielen ohne Niederlage umjubelt werden. Doch die Zurückhaltung haben noch nicht alle abgelegt.

Hinweis: Ab sofort gibt es in der Regel jeden Montag an dieser Stelle einen Bundesliga-Kommentar. Eine Olympia-Bilanz folgt noch in dieser Woche.

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