Handball ist ein Vorbild für den Fußball

Als die Weltmeisterschaft zu Jahresbeginn in Deutschland ausgetragen wurde, da war die Nation plötzlich nicht mehr Fußball- sondern Handball-Land. 11,91 Millionen Fernsehzuschauer sahen das Halbfinale gegen Norwegen, leider mit einer Niederlage der DHB-Auswahl. Aber die Begeisterung zeigte, dass Handball hierzulande Potential hat und es gab noch eine besondere Hochachtung für die Handball-Asse: Es fiel den Beobachtern auf, dass unsportliche Auswüchse des Fußballs im Handball nicht zu sehen sind, zum Beispiel Schwalben, Rudelbildung und Diskussionen um Schiedsrichter-Entscheidungen und anderes mehr, das manchmal schon als Betrug gelten kann. Fazit: Handball kann man anschauen, Handball begeistert. Handball ist ein Vorbild für den Fußball.

Doch wenn jetzt die Handball-Bundesliga in die neue Saison startet, dann muss sich der attraktive Sport wieder ins zweite Glied hinter dem Fußball einreihen. Die Nationalmannschaft zieht, die Vereine weniger, die deutschen Spieler sind meist in der Unterzahl (wie im Fußball auch), die Öffentlichkeit nimmt das Bundesliga-Geschehen eher nur am Rande war. Allerdings hat sich die TV-Präsenz durchaus verbessert, der Privatsender Sky überträgt alle Spiele live, die ARD ist im Ersten und in den 3. Programmen bei ausgewählten Partien dabei und überträgt das Pokal-Finalturnier. Internationale Spiele der Champions League und des EHF-Pokals sind bei Sky und DAZN zu sehen. Da kann es kaum Klagen geben. Basketball und Eishockey sind zum Beispiel schlechter dran.

Im Gegensatz zum Fußball kann sich die Handball-Bundesliga auch immer noch damit brüsten, die stärkste Liga der Welt zu sein. Zwar hat die internationale Konkurrenz aufgeholt, Geld zieht auch im Handball Stars ins Ausland ab, aber in punkto Attraktivität und Spielstärke bleibt die Bundesliga die Nummer 1. Rückkehrer Uwe Gensheimer, Kapitän der Nationalmannschaft, urteilte nach drei Jahren in Paris über die Bundesliga: „Die Leistungsstärke in der Breite und die Stimmung in den Arenen sind unerreicht.“ Handball ist nicht nur Fernsehsport, sondern kann auch ein Erlebnis sein. Allerdings: Der letzte große internationale Erfolg liegt schon einige Jahre zurück, zuletzt 2014 gewann eine deutsche Mannschaft die Champions League.

Die Handball-Bundesliga kann aber auch mit sportlicher Spannung locken. In den letzten Jahren ging der Kampf an der Spitze und gegen den Abstieg meist bis zum letzten Spieltag. Eine Siegesserie wie die des FC Bayern München mit sieben Titeln in Folge gab es im Handball noch nie, wenn auch der THW Kiel das Geschehen von 2005 bis 2015 beherrschte, unterbrochen wurde die Siegesserie von damals sechs und dann vier Meisterschaften 2011 vom HSV Hamburg. Doch diese Zeiten sind vorbei, zweimal wurden die Rhein-Neckar Löwen aus Mannheim Meister, zuletzt triumphierte die SG Flensburg-Handewitt zweimal. Abwechslung könnte es auch jetzt wieder geben, die Experten trauen dem THW Kiel das große Comeback zu. Flensburg hat Abwehrchef Karlsson (Karriereende) und Regisseur Lauge (Kielce) verloren, Kiel hat aufgerüstet. Aber Titelverteidiger Flensburg und die Rhein-Neckar Löwen (mit Uwe Gensheimer) gelten als heiße Herausforderer, aber auch Magdeburg, Berlin und Melsungen wird viel zugetraut. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann ist zufrieden: „Ich glaube, wir haben viel mehr potentielle deutsche Meister als jemals zuvor.“ Davon ist der Fußball bekanntlich ein Stück entfernt, er ist schon froh, dass Dortmund (und vielleicht noch Leipzig) die Bayern herausfordern.

Eines haben die Handball-Profis mit denen vom Fußball gemeinsam: Sie klagen über die zu große Belastung. Die Hetzjagd im Handball ist dabei noch ungleich größer, diese führte in der Vergangenheit sogar dazu, dass die Rhein-Neckar Löwen an einem Wochenende national und international im Einsatz sein mussten. Mitten in der Bundesliga-Saison steht im Januar die Europameisterschaft an, eine gute Vorbereitung ist da kaum möglich und Urlaub ist schon gar nicht drin. Bei diesem Höhepunkt geht es um einen anderen Höhepunkt: Nur der Europameister ist automatisch für Olympia in Tokio qualifiziert, ansonsten droht die Qualifikationsmühle. Olympische Spiele sind aber sportlich und werbemäßig das absolute Highlight. Der Terminstress wird also nicht weniger. Handball ist auch Stressball.

Übrigens: Der Sport-Grantler feierte „Geburtstag“, seit sechs Jahren gibt es diese Kolumnen zum Sport, dies ist eine Jubiläumsausgabe, die 400.! Weiterhin viel Spaß beim Lesen.

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