Ultras werden zu Gegnern des Fußballs
Das Frühjahr ist eigentlich die hohe Zeit des Profi-Fußballs, weil in allen Ligen die Entscheidungen anstehen. In diesem Jahr fällt allerdings ein Schatten auf die Highlights, weil Hass und Hetze sich in den Stadien breitgemacht haben. Ausgerechnet Anhänger von Meister München sorgten in Sinsheim beim Spiel der TSG Hoffenheim gegen die Bayern für einen Tiefpunkt im Fußball, am Ende gab es allerdings auch einen Befreiungsschlag der Spieler, die mit einem Nichtangriffspakt die Begegnung beendeten und den Ultras auf den Rängen mit ihren Hass-Plakaten gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp zeigten: Ohne uns, die Grenze ist überschritten. Übrigens: Bei einem Abbruch wäre das 6:0 der Bayern in eine Niederlage umgewandelt worden.
Schon lange wurde das Verhalten von Fans in allen Vereinen, die sich in den Gruppierungen der Ultras zusammengeschlossen haben, kritisiert und mit Sorge beobachtet. Das (unerlaubte) Abbrennen der Pyrotechnik ist für die Ultras so etwas wie ein Machtbeweis. Der Hoffenheimer Milliardär Dietmar Hopp, der als Mäzen die TSG bis in die Bundesliga hievte und sich damit auch einen Lebenstraum erfüllte, wurde als personifizierter Vertreter des Kommerz zur Hassfigur, immer wieder wurde sein Konterfei vor allem von Dortmunds Ultras ins Fadenkreuz genommen. Angebote zu Gesprächen brachten keine Ergebnisse und Fortschritte. Weil es weiterhin zu Hassplakaten kam, urteilte das DFB-Sportgericht, dass Dortmunds Fans als Wiederholungstäter für zwei Spiele in Hoffenheim ausgeschlossen werden. Dies brachte für die verbohrten Ultras das Fass zum Überlaufen. Sie haben ihre eigenen Regeln, halten sich nicht an Bestimmungen und akzeptieren deshalb keine Kollektivstrafe.
Bei den Bundesligaspielen am Wochenende kam es zu gemeinschaftlichen Aktionen. Die Fangruppen hatten sich zusammengeschlossen, in verschiedenen Stadien Hassplakate gegen den Verband und Hopp gezeigt und so Spielabbrüche provoziert. Für Bayern-Boss Rummenigge ist das Ende der Fahnenstange erreicht, Bayern-Fans waren sich hinterher keiner Schuld bewusst, so dass es jetzt absehbar ist: Die Ultras werden zu Gegnern der Vereine. Die Ultras bezeichnen es als absurd, wenn Spiele abgebrochen würden, absurd ist aber, dass sie dem eigenen Verein schaden. Bisher mussten hohe Bußgelder bezahlt werden, künftig könnte es auch Punkte kosten.
Es geht nicht anders: Die Bundesliga muss die Ultras in den Kurven in die Schranken weisen. Zunächst gilt es strafrechtlich gegen die Urheber der Hassplakate und –parolen vorzugehen. Eine Sache der Polizei, die in Mannheim bereits eine Sonderkommission eingerichtet hat. Alle Vereine müssen sich aber einig sein, dass sie bisher gewährte Vergünstigungen für die Ultras streichen müssen, mehr noch, sie müssen hart vorgehen und Täter mit einem lebenslangen Stadionverbot ausschließen. Wenn jetzt nicht ernsthaft Hass und Hetze (auch gegen farbige Spieler) gestoppt wird, wird der Fußball nie zur Ruhe kommen. Er wird an Stimmung in den Stadien verlieren, aber er muss wieder Recht und Ordnung gewinnen. Die Ultras sehen die Stadien dagegen für sich als rechtsfreien Raum an. Das geht nicht!
Manche Fans sehen sich sowieso als die einzigen wirklichen Vertreter der Vereine, zum Beispiel dann, wenn sie Spieler zur Rechenschaft ziehen, wenn diese nicht die gewünschten Leistungen bringen. Wieder geschehen beim Hamburger SV, wo die Spieler sich erdreisteten in Aue 0:3 zu verlieren und somit der Aufstieg in Gefahr gerät. So geschehen bei Schalke 04, als Torhüter Alexander Nübel nach einem Fehler zum Buhmann gemacht wurde. Die Anfeindungen nach seinem verkündeten Wechsel nach der Saison zu den Bayern haben ihm die Nerven und damit die Form geraubt. Eine gewisse Sorte von Fans kennt keine Gnade. Immer gilt: In der Masse sind sie stark, die Menschlichkeit geht verloren.
Zum Sport: Bundesliga und Pokal
Hass und Hetze drängten den Sport leider in den Hintergrund. Fast erstaunlich, Fußball gespielt wurde auch und es war hochinteressant. So wurde die Frage, wie die Bayern ohne Torjäger Robert Lewandowski, der mit einer Knieverletzung vier Wochen ausfällt, zurechtkommen würden geradezu spektakulär in Hoffenheim beantwortet: Nach 15 Minuten stand es 3:0 für die Bayern, ein neuer Bundesliga-Rekord, noch nie führte eine Auswärtsmannschaft so schnell 3:0. Wer Lewandowski ersetzen soll, beantwortete Trainer Hansi Flick mit Nachwuchsmann Joshua Zirkzee, der schon als Joker entscheidende Tore erzielt hatte und jetzt wieder traf. Zum sportlichen Glück kam hinzu, dass Leipzig im Duell der Verfolger gegen Leverkusen nur ein Remis erreichte. Und am Wochenende können die Bayern wieder auf ein Verfolger-Duell schauen: Gladbach gegen Dortmund.
Bemerkenswertes außerdem: Hertha holte in Düsseldorf einen 0:3-Rückstand zur Pause auf und glich noch zum 3:3 aus. Entscheidender Mann in der Kabine soll der Jürgen Klinsmann kritisierte Torhüter Thomas Kraft gewesen sein, der seine Mitspieler aufrüttelte. Andere Spieler haben angeblich an der Taktiktafel das Spiel für die zweite Hälfe verändert. Von Trainer Alexander Nouri hörte man nichts. Die Mannschaft regelt in der Nach-Klinsmann-Zeit wohl alles selbst.
Auf Europas Bühnen wird in dieser Woche pausiert (es gibt nur die Auslosung für die Nations League), dafür tritt der DFB-Pokal in den Vordergrund. Eine englische Woche haben dabei die Bayern, Leverkusen und Frankfurt und alle drei wollen auch diesmal auf der Erfolgswelle bleiben. Die vor Selbstbewusstsein strotzenden Münchner treffen auf ein verunsichertes Schalke 04, Leverkusen auf das immer für Überraschungen gute Union Berlin und die Eintracht misst sich mit Werder Bremen, das nach einem Erfolgserlebnis lechzt. Das für Sonntag vorgesehene Bundesliga-Duell wurde bekanntlich verlegt, weil Frankfurt nach einer Sturm-Absage erst am Freitag in Salzburg spielen konnte. Im vierten Duell will Regionalligist 1. FC Saarbrücken gegen Fortuna Düsseldorf weiter den Hecht im Karpfenteich spielen. Spektakuläre Szenarien für die Zukunft: Union statt Hertha Berliner Klub im Finale im Olympiastadion oder mit Saarbrücken ein Regionalligist oder mit Düsseldorf ein Bundesliga-Absteiger… Alles ist möglich, die Auslosung am Sonntag in der ARD-Sportschau.
Sensationell: In der Champions League und Europa League blieben die Bundesliga-Vertreter im neuen Jahr ungeschlagen. Die Bayern setzten die deutsche Erfolgsserie mit dem starken 3:0 bei Chelsea London fort, Frankfurt, Leverkusen und Wolfsburg kamen eine Runde weiter und könnten in dieser Form auch das Achtelfinale der EL überstehen. Frankfurt trifft auf den FC Basel, Wolfsburg auf Donezk und Leverkusen muss bei den Glasgow Rangers antreten. Keine leichten, aber machbare Lose.
Noch eine kleine internationale Anmerkung: Jürgen Klopp musste in einer Woche gleich zweimal mit einer Niederlage leben, beim FC Liverpool zuletzt vollkommen ungewohnt. In der Champions League lässt das 0:1 bei Atletico Madrid noch alle Möglichkeiten für das Rückspiel, in der Premier League bedeute das 0:3 beim Abstiegskandidaten FC Watford das Ende einer unglaublichen Erfolgsserie von 44 Spielen ohne Niederlage. Die letzten 18 Spiele hatten die Reds alle gewonnen und damit die Rekordserie von Manchester City eingestellt. Ein neuen Rekord gab es für Jürgen Klopp also nicht, doch den Titel wird er kaum verspielen, bei immer noch 22 Punkten Vorsprung und nur noch zehn Spieltagen.