Alles spricht für die Bayern als Geister-Meister
Nach wie vor bleibt der Re-Start der Fußball-Bundesliga am kommenden Samstag, 16. Mai, umstritten. Die Kritiker kommen aus allen Ecken, da melden sich Politiker zu Wort um Schlagzeilen zu fischen, da warnen Ärzte, weil mögliche Langzeitschäden der Corona-Infektionen noch gar nicht erforscht wären (wie lange muss dafür der Spielbetrieb ruhen?), da erheben Moralapostel den Zeigefinger, dass die reiche Bundesliga doch ein schlechtes Beispiel für arme Kinder sei. Über den Sport spricht keiner. Drum: Reden wir heute über den Sport (mehr über den Hintergrund lesen Sie in der anschließenden Kolumne („Ganz Europa schaut auf die Bundesliga“).
Eines ist klar: Es wird für alle ungewohnt sein, in ein leeres Stadion ohne Fans und Geräuschkulisse aufzulaufen, ohne die gewohnten Abläufe vor dem Spiel. Kein Klatschen von den Rängen, kein Abklatschen mit Mitspielern und Gegnern, keine Einlaufkinder, kein Aufstellen am Spielfeldrand. Der eine oder andere Spieler hat ein Geisterspiel schon erlebt (zum Beispiel Gladbach – Köln im März). Dennoch ist die wichtigste Frage: Wer kommt mit dieser komischen Atmosphäre zurecht, wer kann angesichts des Eindrucks eines Trainingsspiels seine beste Leistung abrufen?
Das Form-Barometer ist ebenfalls nur ein großes Fragezeichen. Der Re-Start ist wie ein Saisonstart ohne Trainingslager. Einzeltraining in Zeichen der Kontaktsperre konnte nur zum Teil die Form bewahren, das Mannschaftstraining reduziert sich auf ein paar Einheiten mitten in der einwöchigen Quarantäne, in die alle Mannschaften in dieser Woche vor dem Start geschickt wurden. Damit verbunden die Hoffnung, dass unmittelbar vor dem Auftakt kein Akteur (dazu zählen auch die Schiedsrichter und der Staff um das Team) eine Corona-Infektion aufweist. Ob die Rechnung aufgeht?
Wer also findet am Schnellsten seinen Rhythmus, wer kommt mit der ungewohnten Atmosphäre zurecht? Eigentlich spricht alles für den FC Bayern München als Geister-Meister. Der Titelverteidiger und Tabellenführer (vier Punkte Vorsprung vor Dortmund und fünf vor Leipzig) hat erfahrene Spieler und in der Gesamtheit wohl auch das Personal, das mangelnde Form oder Fitness mit Klasse und Technik überspielen kann. Das Gastspiel am Sonntag (18.00 Uhr) bei Neuling Union Berlin ist eigentlich gleich typisch. In normalen Zeiten hätte Union in der Alten Försterei auf seine Fans als Rückhalt gebaut, die Anfeuerung, welche die Spieler zu mehr Einsatz treiben kann, fällt jetzt weg. Dagegen sind die Bayern die Mannschaft, die am ehesten ohne Anfeuerung leben kann. Dies auch im eigenen Stadion und deshalb haben die Bayern hier auch einen Vorteil gegenüber Dortmund, weil die Borussia auf ihre berüchtigte „Gelbe Wand“ verzichten muss. Das ist schon ein besonderer Aspekt beim Revier-Derby am Samstag zwischen Dortmund und Schalke. Die Fans fehlen werden auch Teams wie Augsburg, Frankfurt und Schalke, dagegen werden sich wohl die Hertha (meist ein halbleeres Stadion), Leverkusen und Wolfsburg leichter tun, denn überkochende Stimmung kennen sie nicht.
Vor dem Re-Start herrscht also große Ungewissheit und Unsicherheit, es könnte Überraschungen hageln, weil der eine ohne Fans zu großer Form aufläuft, der andere dagegen überhaupt nicht in Schwung kommt. Da tönen auch wieder die Kritiker, dass Punktspiele ohne Publikum ungerecht wären und den Ausgang der Meisterschaft beeinflussen würden. Allerdings: Jeder hat die gleichen Bedingungen.
Vereine wollen den Spielbetrieb zu Fall bringen
Ob die Fußball-Saison überhaupt zu Ende gespielt werden kann, das steht in den Sternen. Sicher ist nichts, selbst in der 1. und 2. Bundesliga. Die Beispiele Köln und Dresden sind typisch: In Köln gab es noch getrenntes Gruppen-Training als drei Infizierte in Quarantäne geschickt wurde, der Rest durfte weiter trainieren. In Dresden wurde das gesamte Team zur Quarantäne verdonnert, weil es bereits Mannschaftstraining gab. Möglich aber auch, dass das Gesundheitsamt in Köln großzügiger reagierte als das in Dresden. Die ersten beiden Spiele von Dynamo fallen schon aus, noch hat der Terminplan die nötigen Lücken für Nachholspiele, doch irgendwann kann es eng werden.
Aber ist gibt noch eine Gefahr für den ganzen Fußballbetrieb. Das sind zum Teil die Klubs selbst. Es hat nämlich den Anschein, als wollten einige Vereine den Spielbetrieb zu Fall bringen. Besonders auffällig ist dies in der 3. Liga, wo die Mannschaften auf den Abstiegsplätzen und in Abstiegsgefahr für einen Abbruch plädieren und darauf vertrauen, dass es dann keinen Absteiger geben wird. Ähnlich denken die Spitzenteams, die wiederum auf einen Aufstieg ohne weitere Hindernisse spekulieren, wenn abgebrochen wird. Auffällig auch das Zusammenspiel der Gesundheitsämter in Halle und Magdeburg, die Spielverbote aussprachen. Gäbe es ein Ende der Runde wären beide Teams in der 3. Liga gerettet. Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt… Nehmen wir die ersten drei Ligen zusammen, dann entscheiden 56 Gesundheitsämter über 56 Vereine und der Fußball besitzt kein Widerspruchsrecht. Das macht deutlich, dass es fast einem Wunder gleich käme, wenn die Saison im Profi-Fußball wirklich beendet werden könnte.
Vor allem in der 3. Liga wird weiter gerungen, der DFB will eine Klärung in einem außerordentlichen Verbandstag am 25. Mai. Festgelegt wurde darüber hinaus dass das Pokalfinale am 4. Juli wie gewohnt im Berliner Olympiastadion ausgetragen werden soll, natürlich ohne Zuschauer. Die Halbfinals sind für den 9. und 10. Juni vorgesehen, möglich, dass hier der Anpfiff bei Tageslicht erfolgt, weil die Polizei Bedenken bei Abendspielen äußerte. Die Frauen-Bundesliga soll übrigens am 29. Mai starten, hier stehen noch sechs Spieltage aus.
Zunächst einmal rollt der Fußball wieder ab dem 16. Mai, doch wie lange er rollt, das weiß keiner.