Handball hat das Potenzial zur Nummer 1
Geht es um den Sport in Deutschland, dann heißt es immer, „es gibt nur Fußball, Fußball, Fußball“. Falsch gedacht! Es gibt auch Handball und (aufgepasst) Handball war im letzten Jahr sogar die Nummer 1 in Deutschland vor Fußball – bei den TV-Einschaltquoten! „Handball schlägt Fußball“ ist doch eine schöne Schlagzeile, 11,91 Millionen Zuschauer sahen am 25. Januar in der ARD das Spiel Deutschland – Norwegen bei der Handball-Weltmeisterschaft, mehr schauten ansonsten bei keiner Sportsendung zu. Knapp dahinter eben der Fußball mit 11,83 Millionen, die sich bei RTL über die EM-Qualifikation Niederlande – Deutschland interessierten. Unter den Top Ten 2019 der erfolgreichsten Sportsendungen fanden sich immerhin drei Spiele der Handball-WM. Wobei sich eines wieder zeigte: Bei ARD oder ZDF sind die Einschaltquoten bei Sport-Übertragungen höher als bei den Privaten. ARD und ZDF sind auch wieder bei der EM auf Sendung.
Der Januar ist der Handball-Monat, jetzt könnte Deutschland wieder zu einer Handball-Nation werden, nämlich bei der Europameisterschaft vom 9. – 26. Januar. Bei der EM sind erstmals 24 Nationen dabei (unterteilt in sechs Gruppen) und die spielen ebenfalls erstmals in drei Ländern, nämlich Österreich, Norwegen und Schweden. Deutschland bestreitet die Vorrunde in Trondheim/Norwegen, Gegner sind die Niederlande (Donnerstag, 9.1.), Titelverteidiger Spanien (Samstag) und Lettland (Montag), in der Hauptrunde könnte es nach Wien gehen und ab dem Halbfinale wird in Stockholm gespielt.
In der jeder Gruppe qualifizieren sich die beiden besten Mannschaften für die Hauptrunde, das sollte für Deutschland kein Problem darstellen. Bundestrainer Christian Prokop hat sogar eine Medaille als Zielsetzung ausgegeben. Mutig angesichts der Tatsache, dass die letzte EM 2018 mit Platz 9 in Kroatien total in die Hosen ging, als Prokop erstmals die Verantwortung für die Mannschaft übernommen hatte. Platz 4 bei der WM zeigte aber den Aufwärtstrend und bewies, dass Deutschlands Handballer wieder in der Weltspitze angekommen sind. EM-Titel gab es 2004 und 2016, achtmal wurde Deutschland Weltmeister, davon sechsmal auf dem Feld, außerdem 1978 und zuletzt 2007.
Der Bundestrainer hofft, dass seine Mannschaft wieder eine Euphorie in Deutschland auslöst, ähnlich eben wie vor einem Jahr beim WM-Turnier im eigenen Land und mit überragenden Einschaltquoten. Dafür müssen aber Erfolge her und die Voraussetzungen sind eigentlich nicht die besten, denn Prokop musste eine ganze Reihe von Ausfällen von Stammspieler hinnehmen, so fehlen ihm gleich sechs Rückraumspieler, die eigentlich das Herz der Mannschaft darstellen. Dennoch sorgte er für eine Überraschung, als er den 37-Jährigen Johannes Bitter, der 2011 aus dem Nationalteam zurückgetreten war, als zweiten Torhüter neben Andreas Wolff nominierte. Aber gerade die Torhüter sollen zusammen mit einer starken Abwehr die Basis zum Erfolg darstellen und vorne soll es vor allem Kapitän Uwe Gensheimer richten, mit 178 Länderspielen der erfahrenste Mann im Team.
Euphorie kann entstehen, aber die deutschen Sportfans wollen eben Erfolge sehen. Logisch, wer freut sich schon über eine Niederlage. Aber Handball hat nicht nur durch Erfolge die Chance zur Nummer 1 vor Fußball, sondern auch durch das Spiel und das Auftreten schlechthin. Handball ist spannend, torreich und nie langweilig. Die Spieler zeigen ein diszipliniertes Auftreten (Ausnahmen bestätigen die Regel), lamentieren nicht bei Fouls, Spielverzögerungen sind ihnen fast fremd, ebenso wie Schwalben. Sie zeigen sich als echte Kerle und nicht wie verwöhnte Zöglinge, wie es im Fußball oft kritisiert wird.
Aber noch ist der Fußball die Nummer 1, doch er könnte sich selbst ins Bein schießen, wenn nationale und internationale Spiele immer mehr ins Internet und Pay-TV abwandern. Dann könnten sich die Sportfans Ersatz suchen und da wäre Handball sicherlich vorn dabei. Das Potenzial zur Nummer 1 hat diese attraktive Sportart auf jeden Fall.