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Tag: WADA

Vergabe Fußball-EM 2024: Wie ticken die Funktionäre?

Wieder steht für den deutschen Fußball eine bedeutsame, vielleicht sogar zukunftsweisende Entscheidung bevor: Die Vergabe der Fußball-Europameisterschaft 2024. Die Entscheidung fällt am Donnerstag, 27. September, in Nyon in der Schweiz, 18 Mitglieder des Exekutivkomitees der UEFA sind stimmberechtigt, nach Lage der Dinge werden 16 anwesend sein. Zwei Kandidaten stehen zur Wahl: Deutschland und die Türkei.

Der deutsche Fußball hat in der letzten Saison bekanntlich viele Rückschläge hinnehmen müssen, sportliche Fehlschläge wie das blamable Abschneiden der Klubs außer Bayern München in Champions- und Europa-League ebenso wie die Pleite der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland. Dazu kommt, dass der Bestechungsskandal rund um die WM 2006 in Deutschland immer noch nicht komplett aufgearbeitet ist. Eigentlich nicht die besten Voraussetzungen für einen Kandidaten, der ja Glanz und Gloria verbreiten soll oder zumindest versprechen. Dazu kommt, dass der umstrittene DFB-Präsident Reinhard Grindel unter besonderem Druck steht: Bekommt Deutschland die EM nicht, wird er wohl auch seinen Posten an der Spitze des Verbandes räumen müssen.

Die Hoffnung könnte groß sein, doch die Zweifel bleiben. Der Europäische Fußball-Verband hat den Evaluationsbericht zur Bewerbung der EM veröffentlicht und darin schneidet Deutschland in den meisten Kategorien besser ab als die Türkei. Dem DFB wird eine „inspirierende, kreative und sehr professionelle Vision“ bescheinigt. EM-Botschafter Philipp Lahm darf stolz sein, zumal die bekannten Mängel der Türkei hier schon aufgeführt wurden, Probleme mit der Infrastruktur, offene Fragen in punkto Wirtschaft und Menschenrechte. Dass Präsident Erdogan als größter Werbeträger auftritt, kann positiv und negativ bewertet werden. Die Türkei hofft auf einen Vorteil: Sie hat sich schon mehrfach beworben und oft wird so ein langer Atem belohnt.

Die Zweifel bleiben, weil keiner weiß, wie Funktionäre wirklich ticken, sie sind unberechenbar wie heutzutage viele Richter bei ihren Urteilen. Was ist im Hintergrund gelaufen, fließen doch wieder Gelder über dunkle Kanäle? Das Vertrauen in die Funktionäre bei der UEFA ist getrübt, auch wenn die Skandale in Europa nicht so groß waren wie beim Weltverband FIFA. Zählen nur die harten Fakten, dann kann die UEFA die EM 2024 nur nach Deutschland vergeben. Beobachter wollen wissen, dass die Mehrzahl der Delegierten dem DFB auch die Stimme geben wird, die Fachzeitung Sport-Bild will elf Sympathisanten für Deutschland festgestellt haben. Aber bis zum Donnerstag kann noch viel passieren.

Dass Funktionäre im Sport unberechenbar sind, zeigte sich ja jetzt auch wieder bei der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada), deren Vorstände mit 9:2 Stimmen Russland den Weg zurück olympische Gemeinschaft ebneten. Der russischen Agentur Rusada wurde nach dreijähriger Sperre bescheinigt, dass sie wieder regelkonform arbeitet. Verschiedene Bedingungen müssen bis zum 30. Juni 2019 noch erfüllt werden, z. B. der freie Zugang zum Moskauer Analyselabor mit Einblick in die dortigen Doping-Daten und –Proben. Dabei hat Russland in letzter Zeit keine Anstalten gemacht, wirklich offen und sauber zu arbeiten, Insider bemängeln nach wie vor fehlende Kontrollen. Die Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht des sauberen Sports, deutsche Athleten, die ständig kontrolliert werden, müssen sich verschaukelt vorkommen. Für sie muss es so wirken, als ob sie auch in Zukunft wieder einen ungleichen Kampf führen müssen. Die Wada hat mit dieser Entscheidung Vertrauen verloren, sie kann sich eigentlich auflösen. Nicht klar ist auch, welche Rolle der russland-freundliche IOC-Präsident Thomas Bach gespielt hat.

Dieses aktuelle Beispiel zeigt einmal mehr deutlich, dass Sport-Funktionäre in ihrer eigenen Welt leben und keinesfalls den Sport und die Athleten sowie einen fairen Kampf in den Vordergrund stellen. Sie sehen sich leider vielfach nicht als Diener des Sports, sondern als die Herrscher, die alles dürfen. Deshalb darf sich auch Deutschland vor der EM-Vergabe trotz bester Beurteilung nicht sicher fühlen – man weiß nie, wie Funktionäre ticken!

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Die Tour de France ist eine Tour de Farce

Sie sind wieder unterwegs, die Ritter der Pedale, sie schinden sich beim größten Radrennen der Welt, klettern über Berge, kämpfen gegen den Wind, sprinten um den Sieg, nehmen Stürze und Schrammen in Kauf. Die Tour de France zieht auch in ihrer 105. Auflage viele in ihren Bann, aber inzwischen sind genauso viele angewidert und wenden sich ab. Die Tour de France ist immer noch eine Tour der Leiden, aber mehr noch eine Tour de Farce.

Dass der Radsport gegen ein Negativimage ankämpfen muss, zeigt ein Blick auf die Siegerliste der Tour de France. Da sind Sternchen zu finden, da fehlen Sieger, vor allem dem Oberdoper Lance Armstrong wurden die Siege von 1999 bis 2005 aberkannt, einen Nachrücker gibt es nicht. Die Tour fand statt und steht auf ewig ohne Sieger da. In anderen Jahren gab es Nachrücker. Und in diesem Jahr? Wird der Sieger auch in einigen Jahren noch in der Siegerliste aufgeführt werden und ist der Held von heute der gleiche Held wie in den letzten Jahren? Wenn es so ist, dann sind die Siege mit einem Makel behaftet. Der Brite Christopher Froome wandelt bei seinem Hattrick von 2015 bis 2017 in doppeltem Sinne auf den Spuren von Lance Armstrong. Er siegt, aber mit welchen Mitteln? Allein, dass Fragezeichen bleiben, dass es keine gültigen Antworten gibt, macht die Tour de France zur Tour de Farce.

Der Blick zurück. Bereits am 7. September 2017 wurden beim Kapitän des Sky-Rennstalles stark überhöhte Werte des Asthmamittels Salbutamol festgestellt. Neun Monate dauerte es, bis es bei einer eindeutigen Sache zu einer Klärung und die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zu dem Urteil kam, dass Froome kein Doping nachgewiesen werden kann: „Die Verbotsliste der Wada sieht vor, dass ein Athlet beweisen darf, dass sein abnormales Ergebnis die Folge einer erlaubten Verwendung war, wodurch der Fall nicht als Regelverstoß zu werten ist,“ so das Urteil. Froomes Rechtsanwälte hatten ganz Arbeit geleistet, Froome selbst ist sich keiner Schuld bewusst. „Ich habe seit meiner Kindheit Asthma, ich habe mich schlecht gefühlt, deshalb habe ich die doppelte Portion der Arznei genommen.“ Seltsam, schlecht gefühlt hat er sich nach einem schwachen Tag, am Tag darauf hat er sich (nach Einnahme der doppelten Portion) gut gefühlt und ist dem Feld davon gefahren. Asthma muss man halt haben…

Ein absurdes Urteil nach einer absurd langen Zeit und Chris Froome beteuert seine Aufrichtigkeit. „Ich war völlig ehrlich, als ich auf dem Podium gesagt habe, dass ich dem Gelben Trikot niemals Schande machen werde.“ Nun ja, Sünder gestehen erst etwas, wenn sie zweifelsfrei überführt werden können und keinen Ausweg (auch mit den besten Rechtsanwälten nicht) mehr wissen. Die Konkurrenten äußern sich vorsichtig, lassen aber schon durchblicken, was sie von diesem Affentheater halten. Die Fans äußerten sich nicht so vorsichtig, sie pfiffen den Briten aus und sollte Froome wirklich am 29. Juli auf der Champs-Elysee als Sieger einfahren, dann könnte ihm passieren, dass er kein umjubelten Sieger sein wird. Eher wird es heißen „ausgerechnet der…“.

Mancher Konkurrent, der sich nicht schon hat eine Asthma-Krankheit attestieren lassen, wird ins Grübeln kommen und seinen Ärzten sagen: „Seht ihr nicht, dass ich Asthma habe, ich möchte auch mal die Tour gewinnen.“ Früher wurden die Ritter der Pedale bei ihrem Ritt über die Berge mit waghalsigen Abfahrten bewundert. Gerade für die Abfahrten und Sprints mit den Gefahren der Stürze werden sie auch heute noch bewundert und das macht zum Teil noch den Reiz der Tour aus. Aber im Hintergrund bleiben immer die Zweifel und je stärker sich der Sieger von der Konkurrenz abhebt, umso stärker sind auch die Zweifel. Beim Giro d’Italia siegte Froome übrigens das erste Mal. Zunächst spielte er keine Rolle, dann fuhr er der Konkurrenz an einem Tag davon. Wahrscheinlich ging es ihm am Morgen noch ziemlich schlecht…

Deutsches Olympia-Team steht vor einer Blamage

Wenn man keine Probleme hat, dann macht man sich welche. Und wenn man Probleme hat, dann ist es ja egal, ob noch ein paar dazu kommen. Nach dem Motto handelt wohl der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), in erster Linie sein unglücklicher Präsident Alfons Hörmann. Der war sich wohl in einer gewissen Einfalt der Tragweite nicht bewusst, als er Partei für die Eisschnelllauf-Oma Claudia Pechstein als Fahnenträgerin der deutschen Mannschaft für die Eröffnungsfeier bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang ins Gespräch brachte. Die 46-jährige ist eine von fünf Kandidaten für diese Ehre, sie ist bekannt, weiß Unterstützung für sich zu mobilisieren, ist aber denkbar ungeeignet Aushängeschild der deutschen Mannschaft zu sein. Alfons Hörmann war der Wegbereiter dafür, dass das Olympia-Team jetzt vor einer Blamage steht.

Wer als FahnenträgerIn ausgewählt wird, sollte olympische Erfolge vorweisen können, populär sein, aber auch eine gewisse Vorbildfunktion haben. Genau diesen Punkt erfüllt Claudia Pechstein nicht. Es ist zwar toll, dass sie bereits fünf Goldmedaillen gewann und jetzt mit 46 Jahren noch einmal aussichtsreich an ihren siebten Olympischen Spielen teilnehmen kann. Aber sie war von 2009 bis 2011 wegen auffälliger Blutwerte gesperrt worden und über ihrer Karriere liegt ein Schatten. Sportrechtlich ist diese Strafe bisher nicht revidiert worden, auch wenn sich Pechstein mit allen möglichen Klagen dagegen gewehrt hat und noch einen Schadensersatzprozess laufen hat. Angeblich steckt eine vererbte Blutanomalie dahinter, wie Experten ihr bestätigten. Allerdings ist es schon seltsam, dass diese „vererbte Leistungssteigerung“ ausgerechnet immer zu den sportlichen Höhepunkten auftrat. Kommt noch hinzu, dass sich Claudia Pechstein lange Zeit nicht gerade als Teil des Eisschnelllaufteams sah, Alleingänge unternahm und eine Sonderstellung im Training für sich beanspruchte. Dies übrigens auch im Olympia-Team, denn nur sie hat ihren Lebensgefährten Matthias Große an ihrer Seite, auf den sie als mentalen Trainer angeblich nicht verzichten kann. Große viel vor allem dadurch auf, dass er Pechstein-Gegner einzuschüchtern versuchte. Vorbildfunktion?

Diese kann man eher den anderen Kandidaten bescheinigen. Zum Beispiel Natalie Geisenberger, die in den letzten Jahren die Rodel-Konkurrenz auf Abstand hielt, Viktoria Rebensburg, Aushängeschild der alpinen Ski-Mannschaft oder Eric Frenzel, lange Zeit der dominierende Mann in der Nordischen Kombination. Alle gewannen sie bereits Olympia-Gold. Und da ist noch Christian Ehrhoff, Abwehrrecke der Eishockey-Nationalmannschaft mit NHL-Erfahrung, der vor seinen vierten Spielen steht. Allesamt gute Kandidaten, alle aber nicht so im Gespräch wie die Eisschnelllauf-Oma, die überall eher in den Medien auftauchte, wenn es um die Meldung über die Wahl des Fahnenträgers oder der Fahnenträgerin ging. Billige Werbung für sie.

Das ist nämlich schon von Gewicht, denn auch die Fans können wählen. Je zur Hälfte haben die Sportler und Fans den Stimmenanteil. Der DOSB hält sich raus und will allen Kritiken vorbeugen, dass er die falsche Wahl getroffen habe. Die falsche Vorauswahl war es aber bereits. Wählen kann man unter http://www.teamdeutschland.de bis einschließlich 4. Februar.

Wenn Claudia Pechstein tatsächlich gewählt werden sollte, dann würde das erstens ein schlechtes Licht auf das deutsche Team werfen, wäre aber auch irgendwie passend zur derzeitigen Situation der olympischen Familie. Dopingsünden von den letzten Winterspielen 2014 in Sotschi sind noch nicht ganz aufgearbeitet, da drohen auch für Pyeongchang gravierende Dopingvergehen. Journalisten deckten auf, dass die Dopingproben leicht manipuliert werden können. Beim IOC und der Dopingagentur WADA wird offensichtlich schlecht oder nur halbherzig im Kampf gegen das Doping gehandelt. So gab es für das erwiesene Staatsdoping von Russland nur wachsweiche Sanktionen. Russland als Nation ist nicht dabei, aber 169 angeblich saubere russische Sportlerinnen und Sportler unter neutraler Flagge.

Da mag eine Fahnenträgerin Pechstein ein kleines Übel sein, für den Ruf der Mannschaft wäre sie dennoch ein großes Übel. Nachdem sich Alfons Hörmann so für Pechstein ins Zeug gelegt hat, sollte der DOSB-Präsident bei einer Wahl Pechsteins Konsequenzen ziehen und seinen Rücktritt erklären. Er wäre dann nämlich dafür verantwortlich, dass die deutsche Mannschaft in einem schlechten Licht erscheint und vor dem ersten Start schon mal eine Niederlage erlitten hätte.