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Kategorie: Motorsport

In Corona-Zeiten leidet der Motorsport noch unter einem anderen Virus

Corona ist in aller Munde, aber wenn es um den Motorsport geht, dann sorgt nicht allein Corona für Kopfschmerzen. Der Motorsport leidet noch unter einem anderen Virus, der am Ende sogar zu einer Selbstzerstörung führen könnte. Problem Nummer 1: Motorsport ist in Zeiten des Klimawandels nicht mehr zeitgemäß. Problem Nummer 2 ist hausgemacht: Eine Einigkeit unter den Firmen gibt es nicht, jeder versucht nur seine Vorteile zu sichern, denn nur Siege bescheren die nötige Aufmerksamkeit. Da sind wir aber bei Problem Nummer 3: Mit Erfolgen im Motorsport erzielt man nicht mehr den großen Imagegewinn wie früher. Wir sehen: Ein weitgestreutes Virus lässt den Motorsport leiden. Am Ende der Corona-Zeiten werden auch da Opfer zu beklagen sein.

Aktuelles Beispiel ist natürlich die DTM (Deutsches Tourenwagen-Masters), der Audi wohl den Todesstoß versetzt hat. Ein Blick zurück zeigt, wie sehr der angekündigte Ausstieg von Audi die DTM trifft. Letztes Rennen in Hockenheim, auf dem Siegerpodest verspritzen Nico Müller, Mike Rockenfeller und Gesamtsieger Rene Rast den Champagner. Alle drei fahren für Audi! 2021 wollen die Ingolstädter nicht mehr dabei sein, ob 2020 überhaupt gefahren wird, steht wie bei vielen Sportveranstaltungen in den Sternen. Nach dem Ausstieg von Mercedes und dem nur einjährigen Gastspiel von Aston Martin steht BMW jetzt alleine da. Da wird DTM-Chef Gerhard Berger bald nur noch das Ende der Serie verkünden können. Dabei war er hoffnungsvoll gewesen und sah eine Zusammenarbeit mit der japanischen Super-GT-Serie als Rettung. Mehr Internationalität, mehr Aufmerksamkeit und damit mehr Sponsoren und Teilnehmer war seine Kalkulation. Er hat sich verrechnet.

Es ist ein Bild der Zukunft: Audi sagt Nein zur DTM, aber Ja zur Formel E. Die Elektro-Serie elektrisiert die Konzerne, da sind neben Audi auch Mercedes und BMW dabei und diese Rennen sind auch im Zeichen des Klimawandels zeitgemäß, der Motorsport will auf leisen Sohlen quasi überleben. Die Formel E mit ihren Rennen in den Großstädten der Welt wird über kurz oder lang auch der Formel 1 den Rang als Königsklasse ablaufen.

Die Formel 1 ist auch ohne Corona krank. Gut, das Virus ist natürlich schuld, dass die Rennen 2020 bisher alle abgesagt werden mussten, alle Zukunftspläne mit Kostenreduzierung und neuen Regeln 2021 wurden zunichte gemacht. Jetzt kämpft die Formel 1 ums Überleben, versucht verzweifelt einige Rennen zu retten, wo doch 2020 eine Rekordsaison mit 22 Rennen sein sollte. Jetzt wird ein Start am 5. Juli in Spielberg ins Auge gefasst, ohne Zuschauer natürlich, nur für das Fernsehen. Sogar ein zweites Rennen am 12. Juli ist möglich und am 19. soll es in Silverstone in England weitergehen. Selbst Hockenheim, 2020 eigentlich Zuschauer, kommt wieder ins Gespräch. Geisterrennen kann man sich vielleicht eher vorstellen als Geisterspiele im Fußball. Corona hat viele Geister ins Sportlerleben gebracht. Der Vorteil der Formel 1: Die Mechaniker sind sowieso unter ihren Helmen mit Visier geschützt. Zumindest beim Rennen und Training.

Die Formel 1 versucht verzweifelt die Gegenwart zu meistern, aber die Zukunft sieht dennoch eher düster aus. Die neuen Besitzer, der US-Konzern Liberty Media, werden nicht glücklich mit dem Motorsport weil Boss Chase Carey den Laden nicht im Griff hat, Bernie Ecclestone kann nur den Kopf schütteln. Und so werden nur Schreckensmeldungen in die Welt gesetzt. Keine Einigkeit bei den Rennställen über die Kostendeckelung, die den Großen zu weit, den Kleinen aber nicht weit genug geht. Ferrari setzte sogar das Gerücht des Ausstiegs in die Welt, doch jeder weiß, die Formel 1 ist für Ferrari überlebensnotwendig. Wenn es nur endlich wieder Siege gäbe. Aber auch um Seriensieger Mercedes ranken sich Gerüchte, die Stuttgarter müssen wie alle Firmen sparen, haben Kurzarbeit ausgerufen und sinnieren schon, ob sich die Formel 1 noch lohnt. Dazu wurde aus dem Chefstrategen Toto Wolff ein unsicherer Kantonist, Gerüchte sind ein Trennungsvirus: Mal sieht man ihn als neuen Formel-1-Chef, mal sieht man ihn zur Konkurrenz abwandern, mal wird kolportiert, dass er sich ganz aus dem Motorsport zurückzieht. Nur über die Zukunft bei Mercedes wird wenig geredet. Und die Vertragsverlängerung von Weltmeister Lewis Hamilton ist auch noch offen. RTL-Experte Ralf Schumacher brachte jetzt sogar einen Platztausch von Sebastian Vettel und Hamilton bei Ferrari und Mercedes ins Gespräch. Das würde fast schon den Ausstieg von Mercedes bedeuten.

Corona hält die Welt in Atem und hat den Zerfall des Motorsports weltweit mit Sicherheit beschleunigt. In welchem Tempo das passiert, ist offen. Aber auch hier gilt: Nach Corona wird nichts mehr so sein wie vorher.

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Die Formel E ist das perfekte Versuchslabor

Vor einem Jahr orakelte der Sport-Grantler an dieser Stelle bereits „Die Formel E ist die Zukunft im Motorsport“ (siehe Kommentar vom 25. November 2017), heute darf er sich bestätigt fühlen. Die Elektro-Rennwagen elektrisieren im wahrsten Sinne des Wortes und sollten vor allem die deutschen Rennsportfans hinter dem Ofen hervorholen, denn die Formel E hat einen starken deutschen Anstrich. Dazu kommt, dass die Formel E für die Autokonzerne eine echte Hilfe ist, das, was der Königsklasse, der Formel 1, nämlich fehlt. Auf der Rennstrecke werden wichtige Erkenntnisse für den Alltag gesammelt. Ein BMW-Techniker schwärmt: „Die Formel E ist das perfekte Versuchslabor.“

Wenn am Samstag, 15. Dezember, in Al Diriyah nahe Riad in Saudi-Arabien die neue Saison beginnt, dann ist bei der 2014 gestarteten Serie wieder vieles neu. Die Autos wurden besser und schneller. Die wichtigste Neuerung betrifft aber die Batterie, denn die Techniker konnten die Batterien wesentlich verbessern, so dass sie das ganze Rennen halten und ein Auto-Wechsel, wie es ihn bisher gab, wegfällt. Mehr Reichweite für Elektro-Autos ist bekanntlich auch im Alltag der größte Wunsch. Dazu kommt, dass die Boliden einen optisch guten Eindruck machen. „Das hat etwas von einem Batmobil“, schwärmt der Allgäuer Daniel Abt, ein Mann der ersten Stunde der Formel E.

Neu ist eben auch Riad als Rennstrecke, wobei der Start in Saudi-Arabien nicht jedem schmeckt. Aber der spanische Manager der Rennserie, Alejandro Agag, hat dazu einen Trumpf im Ärmel: „Durch unser Engagement haben wir forciert, dass jetzt in Saudi-Arabien auch die Frauen ans Steuer dürfen.“ Und damit die Scheichs sehen, dass Frauen Auto fahren können, gibt es am Testtag ein Eröffnungsrennen von acht Amazonen am Steuer. Auch da wird die Formel 1 ein bisschen neidisch auf die Formel E schauen. Neu im Rennkalender ist übrigens neben dem chinesischen Sanya auch Bern, ein neuer Stadtkurs also. Die Formel E liebt die Städte, die Städte lieben die Formel E, die ruhigen Rennwagen ohne Abgasen. Nur der Weltverband liebt die Formel E nicht, denn der Status einer Weltmeisterschaft wurde ihr noch verwehrt. Da sollte auch FIA mal elektrisiert werden.

Die deutschen Autokonzerne haben die Formel E entdeckt, sie hilft (siehe oben) beim Fortschritt und Audi, BMW und Mercedes haben ja festgestellt, dass ihnen die Konkurrenz bei den Elektro-Autos davon läuft. Tesla ist die Nummer 1, auch die Japaner haben die Nase vorn. Aber gerade die Amerikaner von Tesla fürchten nun das deutsche Engagement. Audi war über den Partner Abt aus Kempten von Anfang an dabei, BMW startet in diesem Jahr offiziell und Mercedes nächstes Jahr, ist aber mit dem Kunden HWA bereits vertreten. Sie folgen also auf den Spuren von Jaguar und Nissan (für Renault), die schon gute Erfahrungen gemacht haben. Porsche steht zudem angeblich in den Startlöchern.

Auch das deutsche Fahrerfeld ist stärker als in der Formel 1, wo nur Sebastian Vettel und Nico Hülkenberg übriggeblieben sind. Daniel Abt ist das Urgestein, Andre Lotter aus Duisburg ist dabei und neu das Talent Maximilian Günther, dem der Sprung in die Formel 1 zugetraut wird. Von der Formel 1 träumt auch immer noch Pascal Wehrlein, der jetzt ebenfalls in der Formel E untergekommen ist. Aber auch für andere ehemaligen F-1-Piloten wird die Formel E zur Spielwiese, so fährt der Brasilianer Felipe Massa für Venturi, der Belgier Stoffel Vandoorne für HWA. Auch der ehemalige DTM-Champion Gary Paffett (England) greift für HWA ans Steuer. Erfreulich, dass auch alle vier bisherigen Champions am Start sind, nämlich Nelson Piquet jr. (Brasilien), Sebastien Buemi (Schweiz), Lucas di Grassi (Brasilien) und Titelverteidiger Jean-Eric Vergne (Frankreich).

13 Rennen stehen für 2018 auf dem Programm, aber der Terminkalender soll weiter anwachsen. Eurosport überträgt die Rennen im Fernsehen, aber auch ARD und ZDF werden gelegentlich live einsteigen. Die Formel E ist ein Wachstumsmarkt und die zukunftsträchtigste Spielwiese für die Techniker. Wenn das nicht elektrisiert!

Der Rennkalender: 15. Dezember Riad, 12. Januar 2019 Marrakesch, 26. Januar Santiago de Chile, 16. Februar Mexico City, 10. März Hongkong, 23. März Sanya (China), 13. April Rom, 27. April Paris, 11. Mai Monaco, 25. Mai Berlin, 22. Juni Bern, 13. und 14. Juli New York.

Formel E ist die Formel der Zukunft im Motorsport

Wachablösung! Am Sonntag, 26. November, ist die Saison der Formel 1 mit dem Rennen in Abu Dhabi beendet, am Samstag, 2. Dezember, beginnt die neue Saison der Formel E in Hongkong. Richtig: Die Rennserie der Boliden mit Elektromotor ist in den Städten der Welt zu Hause. Und das könnte im Rennsport überhaupt zu einer Wachablösung führen: Die Formel E ist nämlich die Formel der Zukunft.

Die Formel E hat das, was die Formel 1 gerne hätte: Sie darf in den Großstädten fahren. 14 Rennen stehen auf dem Terminplan vom 2. Dezember 2017 bis zum 29. Juli 2018. Gastiert wird nach Hongkong (zwei Rennen) noch in Marrakesch, Santiago, Mexico City, Sao Paulo, Rom, Paris, Berlin, Zürich, New York und Montreal (beiden Letztgenannten je zwei Rennen). Die Städte werben mit Rennsport mitten drin, die Formel E wirbt mit ihren Gastspielen in reizvoller Umgebung. Da kann die Formel 1 nur neidisch sein.

Und noch etwas hat die Formel E, was die Formel 1 nicht hat: Die großen deutschen Autokonzerne haben ihr Herz für den Elektromotor entdeckt. Audi ist bereits dabei, BMW steigt 2018 ein und Mercedes und Porsche haben sich schon für 2019 angemeldet. Dem Elektromotor gehört bekanntlich die Zukunft auch im Alltag und da können sich die Autokonzerne für diese Rennserie begeistern, weil sie auch wertvolle Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Motoren gewinnen können. Formel E könnte am Ende auch für Erfolg stehen. Bezeichnend, dass Mercedes zum Beispiel dafür sein Engagement in der Rennserie DTM aufgibt. Ein Zeichen! Folgt eventuell bald der Rückzug aus der Formel 1? Zumindest dann, wenn der Erfolg mal ausbleiben sollte?

Noch hat die Formel E nicht die Zuschauerzahlen, wie sie die Formel 1 vorweisen kann, der Raum in den Städten ist auch eher begrenzt und was das Fernsehen angeht, da müssen erst einmal Stars gemacht werden. Da könnte die Formel E gewinnen, wenn Größen aus der Formel 1 wechseln. Formel-E-Chef Alejandro Agag bekannte bereits: „Alonso, Hamilton und Co. sind uns willkommen.“

Die Formel E ist aber auch zuschauerfreundlich. Keine Abgase, die leisen Motoren scheinen nicht zu stören, die Formel 1 will dagegen wieder lauter werden. Die Rennen in der Formel E dauern nur eine Stunde, das kommt an. Nur 14 Autos sind am Start, die Zahl soll nicht gesteigert werden, weil der Platz auf den Stadtkursen wohl fehlt. So gibt es auch weniger „Hinterherfahrer“ wie in der Formel 1. Die PS-Zahl wird auf 224 gesteigert, so dass die Rennen schneller werden. Ein letztes Mal wird es in dieser Saison noch einen Wagenwechsel geben, im nächsten Jahr sollen die Batterien ein Rennen durchhalten. Dies zeigt: Eine wertvolle Entwicklung für die Alltagsfahrzeuge.

In der Fernsehpräsenz hat die Formel 1 natürlich noch die Nase vorn, da steht die Formel E zumindest in Deutschland erst am Anfang. Eurosport überträgt und kann an die Zahlen der Formel 1 bei RTL mit manchmal über fünf Millionen Zuschauern nicht heranreichen. Aber das könnte sich ändern, wenn die Formel 1 hier sich selbst das Wasser abgräbt: Die Bosse wollen mehr Rennen ins Pay-TV verlagern, was ihnen vielleicht kurzfristig mehr Geld bringt, im Umkehrschluss aber auch Attraktivität kosten könnte.

Vielleicht heißt es deshalb bald: Freie Fahrt für die Formel E, für den Elektromotor. Möglicherweise sogar auf allen Straßen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für einen Rücktritt?

 

Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg hat mit seinem Rücktritt unmittelbar nach dem Gewinn des Titels alle überrascht, natürlich auch den Sport-Grantler. Danach wurde heftig diskutiert, ob ein Sportler mit 31 Jahren zurücktreten kann, ja manche Leute fragten sogar, ob einer da überhaupt zurücktreten darf. Au dem Höhepunkt seiner Karriere! Nico Rosberg hat es getan und zunächst einmal scheint er mit seiner Entscheidung glücklich zu sein. Doch wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt für einen Rücktritt?

Um es kurz zu machen: Den richtigen Zeitpunkt gibt es im Prinzip nicht. Der richtige Zeitpunkt kann erst in der Zukunft bestätigt werden, wenn der Blick in die Vergangenheit geht. So wird sich auch der Formel-1-Weltmeister sicherlich noch öfters fragen, ob er nicht doch noch seiner Rennsportkarriere hätte einige Jahre hinzufügen sollen. Aber es scheint, als wäre der Entschluss des Rücktritts beim gebürtigen Wiesbadener kein spontaner gewesen, sondern er hat wohl mit seiner Frau Vivian Vor- und Nachteile und das Leben in der Zukunft ausdiskutiert. Da Familie, dort Rennsportkarriere, da das Glück der Siege, dort die Strapazen und der Ärger eines Spitzensportlers, der mit Stress und Niederlagen nicht leben will. Es schaut so aus, als hätte Nico Rosberg die richtige Entscheidung getroffen.

Nico Rosberg liegt auf einer Ebene mit der Biathletin Magdalena Neuner, die 2012 im Alter von nur 25 Jahren dem Spitzensport ade gesagt hat. Sie überraschte damit ähnlich wie Rosberg und gab ganz klar der Familie den Vorzug, heute ist sie zweifache Mutter. Im Sport hatte sie alles erreicht, war Doppel-Olympiasiegerin, gewann 34 Rennen, war dreimal Weltcup-Gesamtsiegerin, mit 12x Gold bei Weltmeisterschaften Rekordsiegerin, dreimal Sportlerin des Jahres in Deutschland. Was sollte noch kommen?

Viele Sportler haben den richtigen Zeitpunkt des Rücktritts verpasst. Alternde Boxer haben Schatten über ihre Karriere gelegt, weil sie im Alter plötzlich zu Prügelknaben mutierten. Leichtathleten, die statt vorneweg nur noch hinterher liefen, Schwimmer, denen man es nach Siegen später nur noch als Leistung ansah, dass sie nicht ertrunken sind. Fußballer, die nicht mehr auf dem Feld standen und eine Mannschaft führten, sondern nur noch auf der Ersatzbank versauerten. Viele Sportler (das gilt immer für Frauen und Männer) haben allerdings nicht für die Zeit nach ihrer Karriere vorgesorgt, bei vielen hat der Außenstehende den Eindruck, dass sie nichts anderes haben als den Sport und diesen dann notfalls eben bis zum bitteren Ende ausführen. Wer vom Held zur Witzfigur wird, der hat den richtigen Zeitpunkt seines Rücktritts wohl verpasst.

Wohl dem, der seine Karriere und seinen Rücktritt so planen kann wie der frühere Kapitän der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Philipp Lahm. Auf dem Höhepunkt seiner internationalen Karriere trat er 2014 nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft aus der Nationalmannschaft zurück. Jetzt hat er für 2018 auch seinen Abschied vom Leistungssport angekündigt, wird er den Vertrag bei Bayern München nicht mehr verlängern und seine Karriere als Fußballer endgültig beenden. Lahm ist im „Nebenberuf“ schon Unternehmer und ihm winkt auch eine Funktionärskarriere in seinem Stammverein. Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge hat Lahm bereits als künftigen Sportdirektor im Visier. Besser kann ein Übergang von der sportlichen zur nachsportlichen Leben nicht sein. Wohl dem, der den richtigen Zeitpunkt für seinen Rücktritt vom Leistungssport erkennt.

Es könnte sein, dass Nico Rosberg alles richtig gemacht hat. Warum soll er sich mit Lewis Hamilton, den Rennwagen und der Formel 1 noch herumärgern. Sein Lebensziel war es, Weltmeister zu werden. Ziel erreicht.

Nico Rosberg – der ungeliebte Formel-1-Weltmeister

 

Für ihn ging ein Traum in Erfüllung, für andere war der Weltmeister Nico Rosberg eher ein Albtraum. Die Stimmung in der Welt der Formel 1 ist geteilt: Da die Vernünftigen und Sportlichen, die von einem verdienten Titel für Nico Rosberg sprechen, dort die Geschäftemacher und PR-Strategen, die auf der Linie von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone liegen: „Ein Weltmeister Rosberg ist für ihn selbst und Mercedes gut, bringt aber der Formel 1 nichts“. Der 86jährige vermisst den Glamour-Faktor beim Deutschen.

Nico Rosberg ist endlich am Ziel, deshalb können diese Kritiken dem 31jährigen neuen Weltmeister egal sein. Er muss allerdings mit der Rolle des ungeliebten Weltmeisters leben. Da sind schon die Deutschen, die den gebürtigen Wiesbadener nicht als „ihren“ Weltmeister adoptiert haben. Rosberg liegt nicht auf der gleichen Beliebtheitsskala wie Sebastian Vettel oder schon gar nicht Michael Schumacher, die anderen beiden deutschen Weltmeister. Aufgewachsen in Wiesbaden und auf Ibiza, seit langem mit Wohnsitz in Monte Carlo, sehen die Deutschen den Rennfahrer mit deutscher Mutter und finnischem Vater nicht als „Einheimischen“. Rosberg hat die deutsche und finnische Staatsbürgerschaft, fährt mit deutscher Lizenz und spricht nicht einmal finnisch, dafür deutsch, englisch, französisch und italienisch fließend.

Das ist eben der Unterschied: Rosberg gilt als Liebling der oberen Elite, als gut erzogen, gebildet und gibt sich zurückhaltend. Glamour ist seine Sache nicht, Frau und Tochter geben ihm die notwendige Entspannung zwischen den Rennen. Konkurrent Lewis Hamilton, ebenfalls 31, ist der Lebemann, er sucht die Aufmerksamkeit, hat internationale Stars als wechselnde Freundinnen, beeindruckt mit Tätowierungen und dicken Goldketten. Der Engländer sorgt für die Schlagzeilen, die Bernie Ecclestone so gut für das Geschäft findet. Na ja, Hamilton war Weltmeister 2008, 2014 und 2015, da kann die Formel 1 einen braven Weltmeister Nico Rosberg verkraften. Zumal er dadurch, dass sein Vater Keke vor 34 Jahren ebenfalls Weltmeister war (das gab es außerdem nur bei Graham und Sohn Damon Hill), eine besondere WM-Geschichte schrieb.

Eine besondere WM-Geschichte schrieb sicherlich auch Mercedes und ebenso die Saison 2016. Sie war mit 21 Rennen die längste aller Zeiten und sie sorgte weitgehend für die in den letzten Jahren so schmerzlich vermisste Spannung. Das war zwar in erster Linie dem Stall-Duell bei Mercedes zuzuschreiben, aber das Finale in Abu Dhabi bewies, dass die Zeit der Alleinherrschaft von Mercedes zu Ende gehen könnte. Vor allem Red Bull hat aufgeholt.

Ein Verlierer der Saison war aber Ferrari, weil die Träume von einem Saisonsieg nicht in Erfüllung gingen und Red Bull an den Italienern vorbeizog. Ein Verlierer war deshalb auch Sebastian Vettel, der Ferrari in naher Zukunft den WM-Titel holen sollte, doch der ist weiter weg als vor einem Jahr. „Wie es weitergeht, werden wir im Laufe der nächsten Saison sehen“, äußerte sich Teamchef Maurizio Arrivabene bedeutungsschwer zur Zukunft des Deutschen, der allerdings beim Finale mit einer wilden Aufholjagd und Platz drei Punkte für sich gutmachen konnte. Vielleicht findet Vettel bei Mercedes einen Ausweg!

Gespannt darf man nämlich sein, wie die Zukunft bei Mercedes aussieht. Zum wiederholten Male hat Lewis Hamilton gegen die Stallorder verstoßen. Die Aufforderung, er solle schneller fahren, hat ihn in Abu Dhabi kalt gelassen, er hat alle taktischen Kniffe aus dem Hut gezogen, Nico Rosberg eingebremst und die Konkurrenz (sehr zum Unwillen von Mercedes) aufholen lassen. Sein Kalkül: Rosberg sollte Probleme bekommen und möglichst zwei Konkurrenten an ihm vorbeiziehen. Das wäre der Titel für Hamilton gewesen. Rosberg bewies eiserne Nerven, beeindruckte mit einem weltmeisterlichen Überholmanöver gegen Verstappen und hielt bis zum Ende Platz zwei, was reichte, auch wenn Hamilton mit elf Saisonsiegen die Nase vorn hatte. Rosberg genügten zehn Siege, er hatte u. a. 2016 das Glück, dass Hamilton wiederholt von technischen Problemen gestoppt wurde. Andererseits machte der Engländer selbst Fehler und machte so den Weg zum Titel frei.

So mag Nico Rosberg ein ungeliebter Weltmeister sein, ein würdiger und sympathischer ist er auf jeden Fall. Und Bernie Ecclestone mag sich trösten. 2016 mit dem Weltmeister Rosberg macht mehr Lust auf die WM 2017 als ein Dauer-Weltmeister Hamilton. Und nachdem der Formel-1-Chef quasi Krawall sucht, hat er ja noch Max Verstappen in der Hinterhand, der vom Zweitteam Toro Rosso in die erste Liga bei Red Bull aufstieg, Der 19jährige Niederländer mischte die Formel 1 mit forschen Auftritten auf und verunsicherte sie gleichzeitig. Dem jungen Draufgänger gehört die Zukunft – ganz im Sinne von Bernie Ecclestone.

Der Motorsport steht am Scheideweg

 

Es soll ja Zeitgenossen geben, die dem Motorsport sowieso skeptisch gegenüberstehen. Ausdauersportler zum Beispiel ätzen, „die treiben ja gar keinen Sport, die sitzen ja nur im Auto“. Umweltschützer sind die Luftverpester vom Grundsatz her ein Dorn im Auge, obwohl sich der Motorsport in allen Bereichen um mehr Umweltverträglichkeit bemüht hat. All diese Zeitgenossen werden Hoffnung schöpfen: Ist der Motorsport vielleicht am Ende?

Nein, am Ende wohl nicht, Motorsport wird es so lange geben, so lange die Konzerne ihn als Marketinginstrument sehen. Aber es wird einen gehörigen Wandel geben und die meisten sehen in der Zukunft keine röhrenden Motoren (vielen ist die Formel 1 heute schon zu leise), sondern leise Autos, die mit einem Elektromotor das Rennen bestreiten. Die Entwicklung wurde unter anderem durch die Abgasaffäre von Volkswagen und den daraus bedingten wirtschaftlichen Problemen beschleunigt. So zieht sich die Konzernmutter VW aus der Rallye-Weltmeisterschaft zurück, Konzerntochter Audi steigt aus den 24-Stunden-Rennen von Le Mans (für viele die Mutter aller Rennen) aus.

Bei diesen Entscheidungen gibt es nicht nur den einen Aspekt. Gut, die wirtschaftlichen Verhältnisse schlagen derzeit wohl am meisten durch. Da ist aber auch die elektrische Zukunft der Autoindustrie und die Rennen der Formel E kommen durchaus an. Zudem werden sich sowohl VW als auch Audi überlegt haben, ob die Seriensiege überhaupt noch dem Konzern einen Marketingwert bringen. Viermal hintereinander wurde VW Rallye-Weltmeister, seit 1998 hat Audi 13 Siege in Le Mans geholt. Auch dort gab es technische Entwicklungen, Audi gelang 2006 der erste Sieg mit einem Diesel-Rennwagen und 2012 der erste Sieg mit Hybridantrieb. Jetzt will man die Formel E aufmischen, dort war bisher der Allgäuer Partner Abt für Audi vertreten, künftig wird es ein Werksteam geben.

Der Motorsport steht am Scheideweg. Die Zukunft gehört zweifellos der Formel E. Neben Audi sind auch BMW, Renault und Jaguar in der Formel E dabei, Mercedes hat sich bereits ein Startrecht reserviert und auch prominente Interessenten von außen gibt es, so ist Hollywood-Star Leonardo DiCaprio am Team Venturi beteiligt. Die Formel E hat zudem den Weg in die Großstädte gefunden, statt weit draußen im Grünen wird mitten in New York, Paris oder Berlin gefahren. Davon hat ja die Formel 1 immer geträumt, in den Herzen von Großstädten wie Singapur vertreten zu sein. Durchaus vorstellbar, dass in Monte Carlo zum Beispiel künftig die Formel E präsent sein wird.

Für die Formel 1 könnte es dann schwierig werden, wenn neben Mercedes auch andere Konzerne wie Ferrari und Red Bull ihr Herz für den Elektromotor entdecken. Ist das vorstellbar, ein elektrischer Ferrari? Alles eine Sache der Entwicklung bzw. des Marketing. Mobilisiert die Formel E die Massen, wird Red Bull zum Beispiel dort vertreten sein. Mercedes wird bei seinen Überlegungen auch einbeziehen, dass Seriensiege in der Formel 1 den Bekanntheitsgrad nicht mehr steigern können. Siege sind kein Highlight mehr, Niederlagen dafür die weitaus größere Schmach. Die PR-Abteilung in der Zwickmühle.

Eines deutet sich aber an, was eben nicht allen Zeitgenossen gefallen wird: Motorsport wird es weiterhin geben, aber die Umweltschützer werden nicht mehr so zetern.

Formel-1-Traum: Spannender, lauter, billiger

Das ist gar nicht im Sinne der „Macher“ der Formel 1, besonders vom großen Zampano Bernie Ecclestone, der gerade seinen 85. Geburtstag gefeiert hat und noch nicht an die Rente denkt: Drei Rennen stehen noch aus, aber die Entscheidungen sind gefallen. Was bleibt ist Langeweile. Eine Langeweile, die bei den Fans auch während der Saison schon aufgekommen ist und deshalb rauchen die Köpfe der Verantwortlichen vor allem in Richtung Zukunft. Die Formel 1 soll wieder spannender, lauter, vor allem aber auch billiger werden. Bleibt das nur ein Traum?

Formel-1-Fans beschäftigt das Thema schon die ganze Saison, auch der Sport-Grantler hat sich damit beschäftigt (siehe am 27. Juli „Formel 1 soll wieder eine echte Königsklasse werden“). Passiert ist noch nichts, aber es pressiert und Vorschläge liegen auf dem Tisch. Aber es droht auch ein Aufstand, die kleineren Teams wollen mehr Geld. Sauber und Force India klagen bei der EU, sie sehen eine Wettbewerbsverzerrung und hinterfragen die Bonuszahlungen an die Top-Teams. Die Formel 1 soll also auch gerechter werden.

Die große Frage ist zunächst, wie die Formel 1 spannender werden kann. Mercedes und Lewis Hamilton dominierten das Geschehen in dieser Saison, frühzeitig waren Team- und Einzeltitel unter Dach und Fach. Dem Briten gefällt das, er feierte seinen dritten Titelgewinn und hat den vierten im Visier. Mannschaftskollege Nico Rosberg wurde notfalls von der Piste geschubst, wenn er im Wege stand. Die einen sagen „unfair“, die anderen sehen darin die Kaltblütigkeit eines echten Champions, Rosberg dagegen sei zu brav. Hamilton kann sich aber außerhalb des eigenen Hauses auf mehr Konkurrenz einstellen, nicht nur, weil Ferrari mit Sebastian Vettel aufholt und im nächsten Jahr chancenreich um den Titel kämpfen will.

Hamilton wird mehr Konkurrenz bekommen, weil Mercedes einen Teil seines technischen Vorsprungs freiwillig aufgibt und zugestimmt hat, dass die Konkurrenz früher als vorgesehen die Motoren weiterentwickeln darf. Auch Mercedes gewinnt lieber gegen starke Konkurrenz. Schlecht für das Geschäft wäre es nur, wenn die Konkurrenz so stark wird, dass Mercedes nicht mehr gewinnt… Wie auch immer, gewinnen könnte vor allem die Formel 1.

Mehr Konkurrenz versprechen sich manche auch davon, wenn es einheitliche Motoren gäbe, vor allem für die kleinen Teams, die unter den horrenden Preisen für Motoren stöhnen. Mehr Konkurrenz verspricht besseres Geschäft. Andererseits sind die Motoren sowieso der Knackpunkt. Mercedes sieht sich das Ganze von oben an, Ferrari arbeitet verzweifelt daran, die Lücke zu schließen, die anderen fahren hinterher. Vor allem Red Bull ist mit Renault nicht zufrieden, aber Mercedes und Ferrari wollen den einst übermächtigen Konkurrenten nicht wieder zur Nummer 1 machen. McLaren blockiert die Motorenlieferung von Honda, so dass sich Red Bull in der Zwickmühle befindet. Ein Rückzug von Red Bull und dem zweiten Team Toro Rosso würde der Formel 1 schaden und auch Mercedes und Ferrari nicht gefallen. Mal sehen, wer im Pokerspiel die besten Karten in der Hand hält.

Eins ist klar: Wieder einmal liegt die größte Spannung bei der Formel 1 in der Zukunftsfrage. Was kommt am Ende wirklich auf den Tisch, was wird Wirklichkeit und wie lange machen die Fans die Spielchen noch mit? Wieder einmal steht die Formel 1 am Scheideweg, wobei zumindest die Zielrichtung für alle klar ist: Spannender, lauter, billiger.