Der Eishockey-Weltmeister als Vorbild
Im Profi-Sport ist meist nur von Geld und Stars die Rede. Motto: Wer das meiste Geld hat, der gewinnt. Aktuelles Beispiel im Fußball: Die reichen Klubs der englischen Premier League mischen die Konkurrenz in Europa auf. Doch es geht auch anders. Bestes Beispiel, ein Vorbild für die „Underdogs“, für die Davids im Sport ist der sensationelle Eishockey-Weltmeister Finnland. Als die Mannschaft Helsinki zum Turnier in der Slowakei verließ, da sprachen die Fans ätzend von „der schlechtesten Mannschaft aller Zeiten“. Grund: Stars der nordamerikanischen NHL sagten ab, auf weitere Stars verzichtete Trainer Jukka Jalonen freiwillig. Sein Erfolgsrezept: Der Star ist die Mannschaft. Die angeblich schlechteste kehrte als beste Mannschaft der Welt wieder zurück und wurde gefeiert.
Kurios, Finnland gewann zum WM-Auftakt gegen die NHL-Truppe aus Kanada mit 3:1 und beendete mit dem gleichen Resultat im Finale gegen die Ahornblätter das Turnier. Es war erst der dritte Titel für Finnland nach 1995 und 2011. Gefeiert wurde vor allem Kapitän Marko Anttila, der zweimal in Finale traf. Selbstverständlich war dies nicht, denn bei seinen bisherigen zwei WM-Turnieren erzielte der 2,04-m-Mann auch gerade mal zwei Treffer! Jetzt huldigten ihm die finnischen Fans, zumal Antilla einen Tag nach Gold seinen 35. Geburtstag hatte. 5,5 Millionen gratulierten ihm im Internet – genau so viele wie Finnland Einwohner hat! Antilla erzielte auch im Halbfinale das goldene Tor zum 1:0-Sieg, der Held aber war da Torhüter Kevin Lankinen und der spielt nicht in der NHL, sondern in der zweitklassigen AHL.
Finnland musste im Laufe des Turniers nur eine Niederlage in der regulären Spielzeit einstecken, zum Abschluss der Vorrunde mit 2:4 gegen Deutschland. Vielleicht hat dieses Ergebnis für beide Teams etwas bewirkt. Die Finnen erkannten, dass es ohne den letzten Einsatz und Konzentration nicht geht, das Team rückte noch enger zusammen. Die Deutschen befanden sich im Siegesrausch und wollten nach den Sternen greifen. „Jetzt ist alles möglich“, hieß es. Die Ernüchterung im Viertelfinale folgte mit dem 1:5 gegen Tschechien. Die Ursache des Ausscheidens wurde von den Spielern erkannt, „wir waren hinten nicht konsequent genug und wollten es vorne lieber spielerisch lösen“. Da war also ein Schuss Übermut dabei.
Was bei der deutschen Mannschaft blieb, ist das Selbstbewusstsein, das schon der Vorgänger von Bundestrainer Toni Söderholm (ein Finne!), nämlich Marco Sturm dem Team implantiert hatte. Kapitän Moritz Müller, NHL-Star Leon Draisaitl und das Verteidiger-Talent Moritz Seider äußerten sich gleichlautend nach dem nun eher doch enttäuschenden Ausscheiden: „Wir können es mit den Großen aufnehmen“. Deutschland spielte ja mit fünf Siegen in der Vorrunde (Niederlagen nur gegen Kanada und die USA) die beste Vorrunde aller Zeiten und darf mit einer jungen Mannschaft auf die Zukunft hoffen. Aktueller sichtbarer Erfolg ist der Sprung in der Weltrangliste von acht auf sieben und die direkte Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking.
Der Sport-Grantler hatte im Vorfeld der WM gefragt, „kann Deutschland Eishockey-Weltmeister werden?“. Die Finnen gaben die Antwort, dass auch gegen NHL-Stars ein Team ohne große Ausnahmekönner den Titel holen kann. Allerdings haben die Skandinavier ein ganz anderes Talente-Reservoir zur Verfügung als Deutschland, in der Nachwuchsarbeit fehlt es beim DEB immer noch. Aber der aktuelle Kader könnte bei ein bisschen Turnierglück und als echte Mannschaft die Aussicht auf eine Sensation haben. Die nächste Chance bietet sich vom 8. bis 24. Mai 2020 in der Schweiz, wo Deutschland in der Vorrunde in Lausanne (zweiter Spielort ist Zürich) auf Kanada, Schweden und Tschechien von den großen Nationen trifft, zu schlagen gilt es dann wie in Kosice die Slowakei, Dänemark und Großbritannien sowie Weißrussland, um den Traum weiter leben zu können.
Allerdings wird das DEB-Team bei uns nie die Begeisterung wecken können, wie es die Finnen zu Hause taten. Da hieß es einfach „ein Land dreht durch“.
Jedem David sind allerdings auch Grenzen gesetzt, so zum Beispiel in Punktrunden wie der Bundesliga, wenn es über 34 Spieltage geht. Da spielt dann eben doch das Geld und der entsprechend starke Kader eine größere Rolle als in einem kurzen Turnier. Deshalb wird ein Verein wie der FC Augsburg nie Meister werden können. Apropos Meister, lesen Sie auch den nachfolgenden Kommentar über das „Wochenende des FC Bayern München“.