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Tag: Leon Draisaitl

Eishockey zwischen Traum und Wirklichkeit

Die Saison der Deutschen Eishockey Liga kennt kaum Pausen, Hochbetrieb herrscht vor allem rund um den Jahreswechsel wenn es andere Sportarten ruhiger angehen lassen und die Fußball-Bundesliga Winterpause hat. Einen Break im Punktspielbetrieb gibt es nur im November für den Deutschland Cup, später richten sich alle Augen auf die Play-Off-Runde, die fast nahtlos in den Saison-Höhepunkt, die Weltmeisterschaft übergeht. Der Sommer ist dann ja lang genug.

Sieht danach aus, als wäre es auch schwierig, die Probleme des deutschen Eishockeys zu lösen. Der Deutschland Cup brachte wieder ein Thema auf den Tisch, das fast so alt ist wie das Profi-Eishockey hierzulande selbst. Wie viele Ausländer tun dem Sport gut? Derzeit darf jeder Verein elf Ausländer verpflichten, neun dürfen jeweils spielen. Zu viel, sagen die Experten des Sports, so können sich die deutschen Nachwuchsspieler nicht entsprechend entwickeln. Weniger geht nicht, sagen die Finanzexperten, denn Ausländer sind billiger als gute deutsche Nachwuchsspieler, die werden nämlich zur Luxusware, wenn man auf sie angewiesen ist. Da wird die Diskrepanz deutlich, das deutsche Eishockey schwebt nämlich zwischen Traum (international erfolgreich sein) und Wirklichkeit (der Nachwuchs bekommt zu wenig Einsatzmöglichkeiten). Nur absolute Top-Talente wie der jetzige NHL-Star Leon Draisaitl setzen sich durch.

Der Verband und viele Vereine sehen die Notwendigkeit, den Ausländeranteil zu reduzieren, aber die DEL blockt ab und macht wieder einmal deutlich, dass der DEB als Dachverband im Spitzensport nichts zu sagen hat, auch wenn er (noch) die Verantwortung für die Nationalmannschaft hat. Bundestrainer Toni Söderholm machte aus der Not eine Tugend, verzichtete beim Deutschland Cup auf viele Stammspieler und gab dem Nachwuchs eine Chance. Der schlug sich gut, bezwang Russland (ebenfalls eher ein Nachwuchsteam) mit 4:3 und unterlag Sieger Schweiz und der Slowakei jeweils erst in der Verlängerung (3:4 und 2:3), was Platz zwei bedeutete. Der Zuschauerzuspruch in Krefeld war ansprechend, so dass auch die DEL zufrieden sein kann, nämlich das die Nationalmannschaft Werbung für das Eishockey gemacht hat.

Dass Eishockey gegenüber dem Fußball nur in der zweiten Liga spielt, macht sich auch international bemerkbar, denn auch im Eishockey gibt es eine Champions League. Die ist allerdings keine Geldbeschaffungsmaßnahme wie im Fußball, sondern die Vereine müssen noch Geld mitbringen, wenn sie nur die ersten Runden überstehen. Die werden aus Termingründen bereits im Sommer gespielt, im Winter ist kaum mehr Zeit für Zusatzbelastungen. Da stehen nur noch die Entscheidungen an. Auch hier also Traum (attraktiver Wettbewerb mit Gewinn) und Wirklichkeit (eher zusätzliche Belastung, kaum Ruhm).

Dennoch sind die deutschen DEL-Klubs erfolgreich, München, Mannheim und Augsburg siegten sich bis ins Achtelfinale und damit in die Preisgelder. Reich werden sie dennoch nicht, aber ein Newcomer wie Augsburg macht aus der Teilnahme dennoch einen Gewinn. Die Fans feiern den Auftritt auf internationaler Bühne wie ein Weihnachtsgeschenk, machen die Spiele in der Champions Hockey League zu einem Ereignis, weil sie wissen, dass dies gegenüber den reichen Klubs wie München und Mannheim nicht mehr so schnell vorkommen wird. So sorgen die Fans aber auch dafür, dass Augsburg in der CHL als Bereicherung wahrgenommen wird, „die Stimmung ist fantastisch“, lobte CHL-Boss Martin Baumann. Auch so kann das deutsche Eishockey zum Sieger werden. Ein Traum.

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Der Eishockey-Weltmeister als Vorbild

Im Profi-Sport ist meist nur von Geld und Stars die Rede. Motto: Wer das meiste Geld hat, der gewinnt. Aktuelles Beispiel im Fußball: Die reichen Klubs der englischen Premier League mischen die Konkurrenz in Europa auf. Doch es geht auch anders. Bestes Beispiel, ein Vorbild für die „Underdogs“, für die Davids im Sport ist der sensationelle Eishockey-Weltmeister Finnland. Als die Mannschaft Helsinki zum Turnier in der Slowakei verließ, da sprachen die Fans ätzend von „der schlechtesten Mannschaft aller Zeiten“. Grund: Stars der nordamerikanischen NHL sagten ab, auf weitere Stars verzichtete Trainer Jukka Jalonen freiwillig. Sein Erfolgsrezept: Der Star ist die Mannschaft. Die angeblich schlechteste kehrte als beste Mannschaft der Welt wieder zurück und wurde gefeiert.

Kurios, Finnland gewann zum WM-Auftakt gegen die NHL-Truppe aus Kanada mit 3:1 und beendete mit dem gleichen Resultat im Finale gegen die Ahornblätter das Turnier. Es war erst der dritte Titel für Finnland nach 1995 und 2011. Gefeiert wurde vor allem Kapitän Marko Anttila, der zweimal in Finale traf. Selbstverständlich war dies nicht, denn bei seinen bisherigen zwei WM-Turnieren erzielte der 2,04-m-Mann auch gerade mal zwei Treffer! Jetzt huldigten ihm die finnischen Fans, zumal Antilla einen Tag nach Gold seinen 35. Geburtstag hatte. 5,5 Millionen gratulierten ihm im Internet – genau so viele wie Finnland Einwohner hat! Antilla erzielte auch im Halbfinale das goldene Tor zum 1:0-Sieg, der Held aber war da Torhüter Kevin Lankinen und der spielt nicht in der NHL, sondern in der zweitklassigen AHL.

Finnland musste im Laufe des Turniers nur eine Niederlage in der regulären Spielzeit einstecken, zum Abschluss der Vorrunde mit 2:4 gegen Deutschland. Vielleicht hat dieses Ergebnis für beide Teams etwas bewirkt. Die Finnen erkannten, dass es ohne den letzten Einsatz und Konzentration nicht geht, das Team rückte noch enger zusammen. Die Deutschen befanden sich im Siegesrausch und wollten nach den Sternen greifen. „Jetzt ist alles möglich“, hieß es. Die Ernüchterung im Viertelfinale folgte mit dem 1:5 gegen Tschechien. Die Ursache des Ausscheidens wurde von den Spielern erkannt, „wir waren hinten nicht konsequent genug und wollten es vorne lieber spielerisch lösen“. Da war also ein Schuss Übermut dabei.

Was bei der deutschen Mannschaft blieb, ist das Selbstbewusstsein, das schon der Vorgänger von Bundestrainer Toni Söderholm (ein Finne!), nämlich Marco Sturm dem Team implantiert hatte. Kapitän Moritz Müller, NHL-Star Leon Draisaitl und das Verteidiger-Talent Moritz Seider äußerten sich gleichlautend nach dem nun eher doch enttäuschenden Ausscheiden: „Wir können es mit den Großen aufnehmen“. Deutschland spielte ja mit fünf Siegen in der Vorrunde (Niederlagen nur gegen Kanada und die USA) die beste Vorrunde aller Zeiten und darf mit einer jungen Mannschaft auf die Zukunft hoffen. Aktueller sichtbarer Erfolg ist der Sprung in der Weltrangliste von acht auf sieben und die direkte Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking.

Der Sport-Grantler hatte im Vorfeld der WM gefragt, „kann Deutschland Eishockey-Weltmeister werden?“. Die Finnen gaben die Antwort, dass auch gegen NHL-Stars ein Team ohne große Ausnahmekönner den Titel holen kann. Allerdings haben die Skandinavier ein ganz anderes Talente-Reservoir zur Verfügung als Deutschland, in der Nachwuchsarbeit fehlt es beim DEB immer noch. Aber der aktuelle Kader könnte bei ein bisschen Turnierglück und als echte Mannschaft die Aussicht auf eine Sensation haben. Die nächste Chance bietet sich vom 8. bis 24. Mai 2020 in der Schweiz, wo Deutschland in der Vorrunde in Lausanne (zweiter Spielort ist Zürich) auf Kanada, Schweden und Tschechien von den großen Nationen trifft, zu schlagen gilt es dann wie in Kosice die Slowakei, Dänemark und Großbritannien sowie Weißrussland, um den Traum weiter leben zu können.

Allerdings wird das DEB-Team bei uns nie die Begeisterung wecken können, wie es die Finnen zu Hause taten. Da hieß es einfach „ein Land dreht durch“.

Jedem David sind allerdings auch Grenzen gesetzt, so zum Beispiel in Punktrunden wie der Bundesliga, wenn es über 34 Spieltage geht. Da spielt dann eben doch das Geld und der entsprechend starke Kader eine größere Rolle als in einem kurzen Turnier. Deshalb wird ein Verein wie der FC Augsburg nie Meister werden können. Apropos Meister, lesen Sie auch den nachfolgenden Kommentar über das „Wochenende des FC Bayern München“.

Kann Deutschland Eishockey-Weltmeister werden?

Leon Draisaitl hat auf die Frage eine eindeutige Antwort: „Natürlich, wer zur Weltmeisterschaft fährt, will auch Weltmeister werden.“ Der neue deutsche Eishockey-Star blendet dabei die Realität nicht aus, sondern will nur die ganze Bandbreite der Möglichkeiten aufzeigen, nach dem Motto, wer bei Olympia die Silbermedaille gewann, kann auch Weltmeister werden. Doch von Silber bei Olympia zu Gold bei einer WM ist es mehr als nur ein Schritt. Die beiden Turniere sind nicht zu vergleichen.

Deutschland reist als Achter der Weltrangliste zur Weltmeisterschaft in der Slowakei, die am Freitag beginnt und am 26. Mai endet. Der achte Platz, sprich der Sprung ins Viertelfinale, ist auch das erste Ziel, denn das würde die direkte Qualifikation für die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking bedeuten. Im Wege stehen in der Gruppe A Kanada (1. der Weltrangliste), die USA (4.), Finnland (5.), Gastgeber Slowakei (10.), Dänemark (12.), Frankreich (13.) und Neuling Großbritannien (22.), der erste (Aufbau-)Gegner am Samstag. Bei den Platzierungen wird deutlich, dass es vor allem gegen die Slowakei und Dänemark um Rang vier in der Vorrunde geht. Die „Großen“ Kanada, Finnland und die USA vertrauen vielfach auf NHL-Stars und schon das letzte Testspiel am Dienstag gegen die USA (2:5) zeigte, dass die Trauben hoch hängen.

Die NHL ist das Zauberwort bei einer Weltmeisterschaft, bekanntlich fehlten die Stars bei Olympia. In der Slowakei sind viele Größen dabei, so auch Russlands Top-Star Alexander Owetschkin (Washington) oder eben Leon Draisaitl. Der 23-Jährige mutierte ebenfalls zu einem Top-Star der NHL, erzielte 50 Tore für die Edmonton Oilers und gab 55 Vorlagen zu Toren und war damit zweitbester Torschütze und vierbester Vorlagengeber der Saison. Das hat noch kein deutscher Spieler geschafft. Dennoch waren die Oilers, die einst mit Superstar Wayne Gretzky den Stanley-Cup gewannen, eines der schlechtesten Teams der NHL, obwohl Draisaitl mit Kapitän Connor McDavid noch einen kongenialen Partner an seiner Seite hatte. Ähnliches könnte ihm im Nationalteam widerfahren, dass er glänzt, aber der Erfolg ausbleibt.

Oder führt er Deutschland zum Erfolg? Zwölf deutsche Spieler waren zu Saisonbeginn in der NHL dabei, gerade drei konnte der neue Bundestrainer Toni Söderholm im Team begrüßen. Neben Draisaitl sollen Verteidiger Korbinian Holzer (Anaheim Ducks) und Dominik Karhun (Chicago Blackhawks) für Stabilität sorgen. Die Hoffnungen ruhen noch darauf, dass Torhüter Philipp Grubauer nachkommt, der dann aber mit Colorado in den Play-Offs ausscheiden müsste. Im Vorjahr gewann Grubauer mit Washington als vierter deutscher Spieler den Stanley-Cup (nach Uwe Krupp 1996 und 2002, Dennis Seidenberg 2011 sowie Tom Kühnhackl 2016 und 2017). Kühnhackl sagt übrigens verletzt ab.

Der eher unbekannte Söderholm tritt ein schweres Erbe an, denn Vorgänger Marco Sturm begeisterte Spieler und Fans mit seiner offenen Art und Erfolgen, wie eben Silber bei Olympia. Der Kater kam schon bei der folgenden WM mit Platz elf. Die Jahre davor waren es Rang acht und sieben, das lässt also hoffen. Der 40-Jährige Finne kommt offensichtlich bei der Mannschaft gut an, so dass Tiefpunkte wie in den Jahren 2012 bis 2016 nicht zu befürchten sind, als Deutschland unter „ferner spielten“ abschnitt.

Mit einer Weltmeisterschaft ist für das deutsche Eishockey die Hoffnung verbunden, endlich in der Öffentlichkeit besser wahrgenommen zu werden, zum Beispiel durch Übertragungen im Free TV (Sport1). In der Entwicklung kommt der DEB aber nicht wirklich voran, obwohl von Präsident Franz Reindl oft große Sprüche und Hoffnungen zu vernehmen sind. In der Nachwuchsarbeit hakt es nach wie vor, Leon Draisaitl und der neue Kapitän Moritz Müller (Köln) fordern unisono, dass junge deutsche Spieler mehr Chancen in den Vereinen bekommen müssten. In der DEL dominieren die Ausländer, so dass Erfolge wie die Finalteilnahme der Red Bulls aus München in der Champions League Augenwischerei sind.

Aber woher kommen die vergleichsweise vielen Deutschen in der NHL? Deutsche Talente sind heute eher offen für eine Lebensveränderung als frühere Generationen von Erich Kühnhackl bis Udo Kießling oder Dieter Hegen. So ist auch hier Leon Draisaitl ein Beispiel. In jungen Jahren zog es ihn nach Kanada, dort wurde aus dem Talent ein Star. Ab 2012 spielte er im Juniorenteam der Prince Albert Raiders, zwei Jahre später wechselte er in die NHL nach Edmonton. Die beste Schule für künftige Eishockey-Cracks liegt also in Übersee und nicht in Deutschland. Folgen viele diesem Weg, kann Deutschland auch mal Eishockey-Weltmeister werden. Der DEB würde feiern, ändern bzw. bessern würde sich hierzulande aber nichts.

Eishockey: Nach Silber jetzt Gold oder Blech?

Es war im Februar, als Deutschland ein bisschen eishockeyverrückt wurde, als die deutsche Nationalmannschaft bei Olympia in Südkorea sensationell die Silber-Medaille holte – der größte Erfolg aller Zeiten. Doch der Boom ist abgeflaut und auch vor der Eishockey-Weltmeisterschaft, die am Freitag, 4. Mai (bis 20. Mai), in Dänemark beginnt, ist keine erhöhte Temperatur zu beobachten. Das hat natürlich seine Gründe, die der Sport-Grantler schon vor einem Jahr in seinem Kommentar „Warum Eishockey in Deutschland keine Zukunft hat“ (6. Mai 2017) dargelegt hat.

Dennoch werden die Sportfans vermehrt auf das Abschneiden des DEB-Teams schielen, weil sie wissen wollen, ob die Silber-Medaille nur ein positiver Ausrutscher war oder ob es mit dem deutschen Eishockey tatsächlich aufwärts geht. Im Raum steht die Frage, gibt es nach Silber jetzt vielleicht Gold oder bleibt am Ende nur Blech? Da ist auch Bundestrainer Marco Sturm, der „Macher“ des Eishockey-Wunders, betont vorsichtig: „Die WM kann man mit Olympia nicht vergleichen.“

Da hat er natürlich recht, wie will man einem Eishockey-Experten und ehemaligen NHL-Profi auch widersprechen. Bei Olympia nutzte die deutsche Auswahl bekanntlich die Gunst der Stunde, weil die NHL-Profis alle fehlten und die Favoriten in unterschiedlichem Maße geschwächt waren. In Dänemark sind viele Stars wieder dabei, wenn natürlich auch nicht alle, denn traditionell geht in Nordamerika der Kampf um den Stanley Cup jetzt erst in seine entscheidende Phase. Nur die Verlierer sind bei der Weltmeisterschaft dabei, aber das kennen wir ja. So kann auch Marco Sturm auf NHL-Stars zurückgreifen, allen voran auf Jung-Star Leon Draisaitl (Edmonton), aber auch auf Dennis Seidenberg (New York Islanders) und Korbinian Holzer (Anaheim Ducks). Dafür fehlen ihm aber eine Reihe von Silber-Helden, die zum Teil nach Olympia ihre Karriere beendet haben, wie Kapitän Marcel Goc und Fahnenträger Christian Ehrhoff. Insgesamt musste Sturm rund ein Dutzend Absagen aus unterschiedlichen Gründen hinnehmen. Die WM-Mannschaft wird also nicht das Silber-Gesicht haben.

Es ist wie immer vor einer Weltmeisterschaft, Deutschland gehört auch in Dänemark zu den Außenseitern, ein erneuter Medaillengewinn wäre wieder eine Sensation. Das Ziel heißt zunächst einmal Viertelfinale, das muss der Weltranglisten-Siebte auch ansteuern und sollte gegen die Gruppengegner Dänemark (4. Mai), Norwegen (6.), USA (7.), Südkorea (9.), Lettland (12.), Finnland (13.) und Kanada (15.) auch möglich sein. Ein vorzeitiges Ausscheiden würde gleich wieder einen Schatten werfen, nach dem Motto „haben wir es doch gewusst, Olympia war reiner Zufall“.

Sollten in Dänemark der Spaß und der Erfolg fehlen, dann könnte dies auch die Zukunft des DEB-Teams gravierend beeinflussen, weil sich nämlich Trainer Marco Sturm dann wohl verstärkt Gedanken über seine Zukunft machen würde. Der 39-jährige hat zwar einen Vertrag bis 2022 unterschrieben, aber einem vorzeitigen Abschied würde der Verband kaum im Wege stehen. Sturm hat eines klargestellt: Sein Traum, sein Ziel ist eine Trainertätigkeit in der Profi-Liga NHL in Nordamerika. Sein Haus in Florida wartet auf ihn, seine Familie kann sich ein Leben in Übersee gut vorstellen. Die Frage ist, welches Abschneiden führt eher zu einem Abschied von Sturm: Der Erfolg, dann würde Sturm als Trainer für andere noch interessanter werden, oder der Misserfolg, dann würde Sturm wohl über einen Abschied nachdenken, weil er eine ungewisse Zukunft sieht. Eishockey wird in Deutschland nie ganz in den Vordergrund rücken, wie sie es im Verband erträumen. Gold oder Blech – beides kann für den Deutschen Eishockey-Bund zu einem Problem werden.

Olympia wird keine Werbung für das Eishockey

Die kalte Jahreszeit hat begonnen und so nimmt auch der Wintersport Fahrt auf. Für den Spitzensport wird es wieder eine besondere Saison, denn die Olympischen Spiele im Februar in Pyeongchang (Südkorea) stehen bevor. Allgemein herrscht bei Sportlern und Fans eine gewisse Vorfreude auf so ein Großereignis, doch diesmal ist die Vorfreude gedämpft.

Da ist einmal der Austragungsort. Pyeongchang liegt nur rund 100 km von der Grenze zum kriegslüsternen Nordkorea entfernt, die Wintersportbegeisterung in Südkorea hält sich zudem in Grenzen. Außerdem denken viele mit Schrecken daran, dass die Zeit der Asien-Spiele beginnt, denn 2020 ist Tokio Gastgeber bei den Sommerspielen, 2022 erwartet Peking wiederum die Wintersportler. Vielleicht mit Smog statt Schnee.

Besonders skeptisch schaut man in Eishockeykreisen auf die kommenden Winterspiele. Eigentlich ist das Eishockey-Turnier das Herzstück von Winter-Olympia, doch diesmal herrscht Unsicherheit und es sieht danach aus, als sollte die Spiele keine Werbeplattform für das Eishockey werden. Das hat seinen Grund in der Absage der National Hockey League (NHL), der Profiliga in Nordamerika, die ihre Stars erstmals seit 1998 nicht freistellen wird. Die eigene Punktrunde geht vor, die Angst vor Verletzungen des teuren Kapitals Spieler ist zu groß. Die Absage erfolgte ausgerechnet in dem Jahr, in dem die NHL (am 22. November 2017) ihr 100jähriges Bestehen feiert. Damit wird Olympia im Eishockey nur noch ein zweitklassiges Turnier.

Und dies ist nicht der einzige Eisblock, der den Verbänden vor die Füße geworfen wird, jetzt droht auch noch das Pendant zur NHL, die osteuropäische Profiliga KHL mit einem Boykott der Spiele, allerdings aus einem anderen Grund. Die von Russland dominierte Liga mokiert sich, dass Russland an den Doping-Pranger gestellt wird und will ihre Spieler nicht freistellen, wenn das IOC Russland wegen der Doping-Affären ausschließen sollte. Dies würde das Eishockey-Turnier besonders treffen. Vor allem die deutschen Gruppengegner Finnland und Schweden würden darunter leiden und würden von Medaillenkandidaten zu Außenseitern werden.

In Deutschland haben sich die Eishockey-Fans, vor allem aber Funktionäre, Vereine und Spieler auf Olympia gefreut, weil sie Entzugserscheinungen hatten. Bekanntlich hatte Deutschland die Qualifikation für 2014 in Sotschi nicht geschafft. Das war damals das Ende für Bundestrainer Pat Cortina und gleichzeitig der Start in eine hoffnungsvollere Zukunft, als 2015 der Landshuter Marco Sturm kam. Der 39-jährige ehemalige NHL-Profi, vom Typ Sonnenschein mit einem Dauerlächeln im Gesicht, hauchte dem deutschen Eishockey neues Leben ein. Einige im Verband träumten sogar davon, dass Deutschland bei Olympia angesichts des Aufschwungs und des Fehlens der NHL-Profis eine Chance auf eine Medaille haben könnte. Doch diese Euphorie ist vorbei, sie war auch nicht angebracht.

Der Deutschland-Cup, der einzige Test vor Olympia, sorgte für Ernüchterung. Deutschland unterlag Russland deutlich mit 2:8 und der Slowakei mit 0:3 und schaffte mit einem 5:1-Sieg gegen schwache amerikanische College-Boys gerade noch Rang drei. Die bittere Erkenntnis: Ohne NHL-Verstärkung fehlt dem DEB-Team das Rückgrat. Immerhin sieben NHL-Profis stünden zur Debatte, darunter der neue Star Leon Draisaitl (Edmonton) und Stanley-Cup-Sieger Tom Kühnhackl (Pittsburgh). Vermisst werden aber vor allem die Torhüter Thomas Greiss (New York Islanders) und Philipp Grubauer (Washington). Bedenklich, dass eine Erkenntnis aus dem Vergleich mit Russland (das nur eine zweite Auswahl schickte und dennoch Turniersieger wurde) lautete: Dem Tempo nicht gewachsen. Deutschland wird also Außenseiter bleiben und ein Überstehen der Gruppenspiele wäre eine Überraschung, es sei denn die Kräfteverhältnisse verschieben sich durch politische Einflüsse eklatant.

Statt Vorfreude also Sorgen, statt Rückenwind für eine Sportart, die nach mehr Anerkennung lechzt, eher Gegenwind. Deutschland kann nichts dafür, aber wieder einmal wird eine Chance verpasst, Olympia wird keine Werbung für das Eishockey.

Eishockey-WM: Handballer sind das Vorbild

 

Von so einem Märchen träumt jede Mannschaft: Die deutschen Handballer wurden bei der Europameisterschaft Ende Januar in Polen sensationell Europameister. Zwar mit Ambitionen, aber eigentlich ohne Erwartungen in der Öffentlichkeit starteten sie als Nobody eine Siegesserie bis zur Sensation – dem Titelgewinn! Eine Nation lebte plötzlich Handball, rund 13 Millionen Zuschauer sahen an den Fernsehgeräten das Finale, den 24:17-Triumph über den Favoriten Spanien. Eine junge, verletzungsgeplagte Mannschaft ließ sich nicht aufhalten. Eben ein Märchen.

Von so einem Märchen träumen sie im Eishockey schon lange. Bisher platzten allerdings alle Träume ziemlich frühzeitig, in den letzten Jahren war man schon froh, wenn die Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft nicht zu den Absteigern zählte. Auch Olympia fand zuletzt ohne Deutschland statt. Der Sprung ins WM-Viertelfinale gelang zuletzt 2011, als Deutschland unter Uwe Krupp Vierter wurde. Doch vor der Weltmeisterschaft 2016 in Russland (Moskau und St. Petersburg) herrscht eine Aufbruchstimmung, was vor allem mit dem neuen Bundestrainer Marco Sturm zusammenhängt.

Bei der Suche nach einem Nachfolger für den erfolglosen Pat Cortina gelang dem neuen DEB-Präsidenten Franz Reindl ein Coup: Mit dem heute 37jährigen ehemaligen NHL-Profi Marco Sturm holte er einen Sympathieträger ins Boot. Der gebürtige Dingolfinger und frühere Landshuter Nationalspieler hat zwar keine Erfahrung als Trainer, aber er ist auf Grund seiner NHL-Erfahrung eine Galionsfigur wie Uwe Krupp, zu der die Spieler aufschauen. Zuletzt stellte die Nationalmannschaft für die Spieler nicht unbedingt einen großen Anreiz dar, jetzt sind sie wieder alle dabei. Aufbruchstimmung eben.

In seinem Aufgebot für St. Petersburg, wo die deutsche Mannschaft ab Samstag ihre Vorrunde absolviert, hat Marco Sturm gleich sieben WM-Neulinge stehen, aber auch vier Cracks aus der Profiliga NHL. Die Verteidiger Ehrhoff (Chicago) und Holzer (Anheim) sollten der DEB-Abwehr Sicherheit verleihen, die Stürmer Rieder (Arizona) und Draisaitl (Edmonton) vorne für Power sorgen. Vor allem auf das große Talent Leon Draisaitl sind die Augen gerichtet, er wird in Übersee als „The German Gretzky“ gefeiert. Welche Ehre, mit dem größten Eishockeyspieler aller Zeiten verglichen zu werden.

Draisaitls Vater Peter war dabei, als Deutschlands Eishockey zum letzten Mal Aufmerksamkeit bei einer breiten Öffentlichkeit fand. Es war 1972 bei den Olympischen Winterspielen in Albertville, als sich Deutschland und Kanada im Viertelfinale einen Eishockey-Krimi bis zum Penaltyschießen lieferten. Über zehn Millionen saßen auch damals beim Eishockey an den Bildschirmen, die Tagesschau wurde verschoben, und sie sahen, wie Peter Draisaitls entscheidender Schuss auf der Linie liegenblieb… Seitdem ist die Nationalmannschaft mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden.

Mit Marco Sturm sollen also auch die Herzen der Fans im Sturm erobert werden. Der Anfang muss mit einem guten Abschneiden in Russland gemacht werden, die Voraussetzungen sind nicht schlecht. Wichtig wird ein guter Start sein, wie im Vorjahr in Prag ist der erste Gegner Frankreich, der in der Weltrangliste als Zwölfter gerade einen Platz vor Deutschland steht. Vor einem Jahr gelang ein 2:1-Erfolg, außerdem wurde Lettland geschlagen und dem späteren Absteiger Österreich unterlag Deutschland erst im Penaltyschießen. Platz fünf in der Gruppe war ehrenwert, das Viertelfinale wurde aber wieder verfehlt.

Auf dem Weg dahin gilt es diesmal mehr Siege einzufahren. Gegner sind nach Frankreich in der Reihenfolge noch Finnland (4. Weltrangliste), Slowakei (8.), Kanada (1., Titelverteidiger), Weißrussland (9.), USA (5.) und Aufsteiger Ungarn (19.). In der Gruppe A in Moskau spielen Gastgeber Russland, Schweden, Tschechien, Schweiz, Lettland, Norwegen, Dänemark und Aufsteiger Kasachstan.

Nach dem Handball-Märchen gleich auch ein Eishockey-Märchen? Das wäre zu viel verlangt. Für die DEB-Auswahl geht es vor allem darum, Sympathien zu gewinnen, Aufmerksamkeit zu schaffen und sportlich einem Fortschritt erkennen zu lassen. Es warten nämlich fast noch wichtigere Aufgaben. Vom 1. bis 4. September vor allem die Olympia-Qualifikation in Riga/Lettland und 2017 die Heim-WM, die Deutschland zusammen mit Frankreich austrägt. Das Eishockey-Märchen käme 2017 zu rechten Zeit. Aber auch bei Olympia 2018 in Südkorea sollte Deutschland nicht fehlen.