Scheiden tut manchmal gar nicht weh
Der Volksmund sagt „scheiden tut weh“, doch Ferrari und Sebastian Vettel beweisen jetzt in der Formel 1, dass eine Scheidung manchmal gar nicht weh tut. Beide haben sich auseinander gelebt, was vor fünf Jahren als Traumhochzeit gefeiert wurde, endete jetzt als großes Missverständnis. Sebastian Vettel ist eben nicht Michael Schumacher. Ferrari hatte den Traum, dass es Vettel wie Schumacher schaffen würde, die „Roten“ wieder auf die Siegesstraße zu bringen, Vettel hatte den Traum, wie Schumacher der Held der deutschen Motorsportfans zu werden. Es wurden aber fünf Jahre der Enttäuschung, alle Hoffnungen blieben unerfüllt, Vettel gewann ein paar Rennen, aber keinen Titel. Mercedes und Lewis Hamilton standen im Weg und zuletzt sogar Stall-Rivale Charles Leclerc. Ferrari und Vettel haben eingesehen, die Zusammenarbeit der Erfolgslosigkeit zu beenden.
Die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung waren nur noch ein Schattenboxen. Ferrari bot Vettel nach dieser Saison nur einen Kontrakt über ein Jahr an, weil absehbar war, dass Vettel hinter Leclerc nur noch die Nummer zwei sein würde. Vettel wiederum wollte diese Rolle nicht spielen und beharrte auf sein Prinzip, nur einen Dreijahresvertrag zu akzeptieren. Es war ihm klar, dass er diesen bei den Italienern nicht bekommen würde. Am Ende gibt es auf beiden Seiten nur eins: Erleichterung!
Sebastian Vettel kam als vierfacher Weltmeister 2015 zu Ferrari. Von 2010 bis 2013 räumte er mit Red Bull die Titel ab, da war die Welt noch in Ordnung. Erste Schatten gab es, als er 2014 den Atem von Teamkollegen Daniel Ricciardo im Nacken spürte. Vettel machte Fehler, wurde Fünfter. Noch aber lebte er vom frischen Ruhm der Titel und erfüllte sich seinen Traum: Einmal für Ferrari fahren. Die Italiener sahen wiederum in einem Deutschen den Hoffnungsträger und träumten von einer goldenen Zukunft. Träume wiederholen sich aber nicht immer.
Ferrari baut also auf den Monegassen Charles Leclerc, auf den 22-Jährigen Jungspund, der den Weltmeister ausgestochen hat. An seiner Seite wird wohl künftig der 25-Jährige Carlos Sainz jun. fahren, der einen berühmten Namen trägt, der Vater war der weltbeste Rallyefahrer. Der Spanier ist schnell, machte auf sich aufmerksam, wird aber wohl die Rolle als Nummer zwei akzeptieren.
Sebastian Vettel aber will zunächst mal in Ruhe über seine Zukunft nachdenken. Noch hat er wohl einige Zeit, bis die Formel 1 wieder fährt, wenn sie überhaupt fahren kann. Die Atmosphäre im Team der „Roten“ wird nicht gut sein, es scheint, Ferrari hat das Jahr schon abgehakt, wird sich verstärkt auf 2021 konzentrieren. Für Vettel werden sich danach nicht viele Türen auftun, am ehesten McLaren, das eben Sainz verliert. Eine Rückkehr zu Red Bull ist keine Option, an Max Verstappen kommt Vettel nicht vorbei. Ob Mercedes für ihn eine Zukunft darstellt ist ebenfalls zweifelhaft. Lewis Hamilton hat wohl keine Veranlassung die Silbernen zu verlassen. Er könnte in diesem Jahr den Rekord von Michael Schumacher mit sieben WM-Titeln einstellen, wenn gefahren wird. Und sollte diese einst unvorstellbare Siegesserie gelingen, dann hat er wohl den alleinigen Rekord im Visier und der ist Stand heute am ehesten mit Mercedes möglich.
Sollte Sebastian Vettel seine Karriere in der Formel 1 beenden, dann wäre auch die einst so glorreiche Ära der deutschen Fahrer in der Königsklasse endgültig zu Ende. Einst wurde die Formel 1 als „Formel D“ bezeichnet, als 2010 mit Schumacher, Vettel, Nico Rosberg, Nick Heidfeld, Adrian Sutil, Nico Hülkenberg und Timo Glock gleich sieben deutsche Fahrer am Start waren und in Hockenheim und am Nürburgring die Formel 1 zweimal in Deutschland gastierte. Auch hier steht Deutschland derzeit im Abseits. Die einzige deutsche Hoffnung heißt Schumacher, Michals Sohn Mick hat offensichtlich viel Talent vom Vater geerbt, sorgt in der Formel 2 für Schlagzeilen und gehört dem Perspektivkader von Ferrari an. Die deutsche Hoffnung lebt also weiter in Maranello.
Der 32-Jährige Sebastian Vettel, der seit einigen Jahren mit seiner Familie auf einem ausgebauten Bauernhof in der Schweiz lebt, könnte allerdings noch einmal zum Hoffnungsträger werden. In der Formel E, der anscheinend die Zukunft gehört. Die neue Rennserie der Elektrorennwagen sorgt immer mehr für Furore und könnte einen Star aus der Formel 1 als PR-Lokomotive gut gebrauchen. Es wäre eine Win-Win-Situation, wenn Vettel noch genug Racing-Blut in seinen Adern verspürt.