Rot träumt, Silber holt Gold
von knospepeter
Drei Rennen stehen in der Formel 1 noch auf dem Programm (Mexiko 26.10., Sao Paulo 11.11., Abu Dhabi 26.11.), doch die Spannung ist dahin. Der WM-Titel 2018 ist praktisch vergeben, Lewis Hamilton benötigt gerade noch einen siebten Platz, um die Ernte einzufahren, umgekehrt müsste Sebastian Vettel aber auch alle drei Rennen gewinnen, um seine Chance zu wahren. Wer glaubt daran… Schon ein Sieg von Vettel in Mexiko City wäre ein Wunder, seine Bilanz der letzten drei Rennen: Ausfall, Zeitstrafe, Kollision mit Hamilton und kein Sieg.
Die Saison 2018 hat sich für Ferrari und den Deutschen anders entwickelt, als sie es vorgehabt haben. Dabei ging es gut los und Vettel saß anscheinend im besseren Auto. Doch Ferrari und Vettel blieben sich treu, Fehler auf beiden Seiten. Von einem Vorsprung gegenüber Mercedes konnte in der zweiten Saisonhälfte keine Rede mehr sein und Sebastian Vettel muss anerkennen, dass Lewis Hamilton der bessere Fahrer ist – ein würdiger Weltmeister. Dass Ferrari durchaus gewinnen kann, zeigte ausgerechnet der Finne Kimi Räikkönen, der bekanntlich gehen muss. „Rot“ träumte vom Titel, Vettel hatte wie Hamilton seine fünfte Meisterschaft im Visier, aber anscheinend träumte der Heppenheimer auch auf der Strecke, nur so lassen sich drei Crash in den letzten fünf Rennen erklären. Hamilton behielt die Nerven und so holt jetzt Silber das Gold.
Bei Mercedes wird offensichtlich seriöser und beständiger gearbeitet als bei Ferrari, wo eher mal Luftschlösser gebaut werden. Das Ungestüme der Italiener färbt wohl auch auf Vettel ab, der in den Zweikämpfen gern das Risiko sucht und oftmals der Leidtragende ist, wenn der Gegner nicht – wie von Vettel erwartet – zurückzieht. Vettel kann bei Hamilton eine Lehrstunde nehmen, der blieb vernünftiger und nahm da und dort eine Niederlage im direkten Duell mit einem Konkurrenten hin – um am Ende eben zu gewinnen. Sein Rat für den Deutschen: „Es ist manchmal besser, nicht das Risiko zu suchen.“ So wird man dann Weltmeister.
Sebastian Vettel hat eine Chance vergeben, für die nächste Saison kann er noch einmal träumen, aber er sollte aufmerksam verfolgen, was sein englischer Kontrahent von sich gibt. Lewis Hamilton glaubt nämlich „ich habe das Beste noch vor mir“ und auch der bald fünfmalige Weltmeister, der damit mit der Legende Juan Fangio gleichziehen kann, hat Träume: „Mein großes Ziel sind acht Titel.“ Er möchte den bisherigen Rekordweltmeister Michael Schumacher (sieben Titel) entthronen. Wer kann ihm den Rekord verwehren? Ein Vettel, der ruhiger und vernünftiger wird, oder vielleicht das ebenfalls noch ungestüme Talent Max Verstappen mit Red Bull? Ein Trost für die Formel-1-Fans, dass ein bisschen Spannung schon noch erhalten bleibt, trotz der Dominanz von Mercedes und Hamilton.
Träumen werden auch die Rennsportfans in Deutschland und von Ferrari, dass nämlich die Legende Schumacher wieder auflebt. Wie es dem bei einem Skiunfall schwer verunglückten Rekord-Weltmeister geht, bleibt im Geheimen, aber Sohn Mick hat sich aufgemacht, in die großen Fußstapfen des Vaters zu treten. Der 19-Jährige holte sich die Meisterschaft der Formel 3, was als Sprungbrett in die Formel 1 gilt. Die sogenannte Superlizenz für die Königsklasse hat er mit seinem Erfolg schon in der Tasche. Jetzt fragt sich jeder, wer hat bald Mick in der Tasche? Ferrari träumt, dass der Name Schumacher wieder auf der Siegerliste der Roten stehen könnte. Mercedes will sich hier nicht mit Silber (sprich Zweiter zufrieden geben), sondern arbeitet daran, dass es für Mick eine silberne Ära geben könnte. Auch bei Mercedes träumt man ja ein bisschen, nämlich von einem deutschen Fahrer im deutschen Auto. Mit Michael Schumacher klappte es nicht mehr, Nico Rosberg war die Ausnahme.
Die Formel 1 ist aber kein Traumland, sondern harte Arbeit ist gefragt. Arbeit und Talent, aber auch die entsprechende Vernunft und manchmal eben auch Zurückhaltung. Nicht nur Mick Schumacher muss noch lernen, sondern auch der 31 Jahre alte vierfache Weltmeister Sebastian Vettel.