Wachablösung in der Bundesliga?

von knospepeter

Was viele Fußball-Fans in Deutschland seit Jahren herbeisehnen, ist im Zeichen der Corona-Pandemie jetzt wohl möglich: In der Bundesliga steht eine Wachablösung bevor, die Bayern könnten den Titel des „ewigen Meisters“ verlieren. Erstmals seit 2014 ist Bayer Leverkusen wieder Tabellenführer, RB Leipzig liegt mit den Bayern gleichauf und der VfL Wolfsburg ist wie Leverkusen immer noch ungeschlagen. Die Bayern haben dagegen müde Beine, haben von den letzten vier Spielen nur eins gewonnen und lagen in den letzten fünf Spielen jeweils mit 0:1 im Rückstand. Das ist keine Bilanz einer Mannschaft, die der Konkurrenz das Fürchten beibringen will. Union Berlin war einer der Nutznießer beim 1:1, das für den Titelverteidiger noch glücklich war. Die Kraft für ein Aufbäumen war wohl nicht vorhanden.

Ob es wirklich zur Wachablösung im Mai kommt, kann nach elf Spieltagen natürlich nicht endgültig beantwortet werden. Die Tücke des Spielplans will es so, dass noch Weihnachten die Weichen für die Bayern gestellt werden. Sie treffen ausgerechnet jetzt auf die beiden noch ungeschlagen Teams, könnten die Serien von Wolfsburg (Mittwoch) und Leverkusen (Samstag, Bayer am Mittwoch in Köln) beenden oder aber am Ende als der große Verlierer dastehen. Im Januar würden sie diese Bewährungsproben lieber angehen, nach einer kleinen Erholungspause und wieder mit dem Mittelfeldstrategen Joshua Kimmich, zumal jetzt vielleicht auch noch Leon Goretzka ausfällt. Das Fehlen des Mittelfeld.Duos Kimmich/Thiago (Wechsel nach Liverpool) wird deutlich. Eine Lösung für Trainer Hansi Flick bietet sich an: Abwehrchef David Alaba könnte er ins Mittelfeld vorziehen (da sieht sich Alaba sowieso), nachdem mit Boateng, Süle und Hernandez alle weiteren Innenverteidiger zur Verfügung stehen. Eine Aufholjagd im Frühjahr ist den Bayern immer zuzutrauen.

Die Erfolgswelle von Leverkusen und Wolfsburg ist schon erstaunlich, beide Klubs erlebten bisher noch kein Leistungstief, vor allem Bayer-Trainer Peter Bosz trotzte dem Verletzungspech und betätigte die Rotation virtuos und mit viel Glück. Wer auch immer zwangsläufig aufs Feld kam zeigte Bestform, so Torjäger Alario, der Neuzugang Schick ersetzen musste, wie auch Leon Bailey, der fast abgeschrieben war und ein erstaunliches Comeback hinlegte. Ähnliches in Leipzig, wo Trainer Julian Nagelsmann ein glückliches Händchen mit der jeweiligen Elf hat. Müdigkeit ist ein Fremdwort. In Wolfsburg gab es Knatsch mit Trainer Oliver Glasner, doch der ging spurlos am Team vorbei. So liest sich die Tabellenspitze mit Leverkusen, München, Leipzig, Wolfsburg im Moment ein bisschen seltsam. Wolfsburg bekommt es aber noch mit Dortmund und Leipzig zu tun.

Dortmund hofft auf Flick-Effekt

Die Parallelen sind ja unübersehbar: Vor einem Jahr verloren die Bayern 1:5 in Frankfurt – und Trainer Niko Kovac musste gehen. Es kam Co-Trainer Hansi Flick und eine Erfolgsstory begann. Jetzt verlor der selbsternannte Titelanwärter Borussia Dortmund 1:5 gegen den VfB Stuttgart – und Trainer Lucien Favre musste gehen. Dortmund hofft jetzt auf den Flick-Effekt und übergab das Kommando dem bisherigen Co-Trainer Edin Terzic. Favre stand schon länger in der Kritik, zu zögerlich sei, zu nachsichtig gegenüber den Spielern, die entsprechend zu oft einen allzu lässigen Auftritt hinlegten. Wie jetzt gegen Stuttgart. Der VfB übrigens hat eine seltsame Bilanz: Noch keinen Heimsieg, dafür noch keine Auswärtsniederlage! Ohne „Gelbe Wand“ der Fans schwächelt auch Dortmund zu Hause, verlor alle fünf Spiele ohne Zuschauer. Terzic soll das Gegenteil von Favre sein, energisch und lebhaft. So soll künftig auch wieder die Mannschaft sein. Noch kann Dortmund oben wieder angreifen.

Der Ruhr-Pott-Rivale Schalke 04 musste am Sonntag einen besonderen Schock hinnehmen. Die Negativerlebnisse reißen nicht ab. Führungsspieler Mark Uth lag in Augsburg nach zehn Minuten bereits bewusstlos am Boden. Ein Kopfballduell mit Uduokhai hatte schwerwiegende Folgen, Uth verlor schon in der Luft das Bewusstsein und knallte noch auf den Fuß von Augsburgs Khedira. Nach zehn Minuten Behandlung auf dem Feld wurde er ins Krankenhaus gebracht, wo er wieder zu Bewusstsein kam und die letzten Minuten sogar am TV anschauen konnte.

Was er sah, war der nächste Schock. Als Schiedsrichter Manuel Gräfe die Schalker befragte, ob sie weiterspielen wollten, bejahten sie und spielten weiter unter dem Motto: „Für Mark Uth“. Nach dem FCA-Führungstreffer, eingeleitet ausgerechnet vom Ex-Schalker Caligiuri, schafften sie die Wende zum 2:1 und in Überzahl sah alles danach aus, dass die Sieglosserie beendet werden könnte. Doch der nächste Schock folgte mit dem Ausgleich der Augsburger zum 2:2 in der Nachspielzeit. Die Beine waren schwer geworden, die Last, „nur kein Tor kriegen“ lähmte sichtlich. Die Sieglosserie bleibt bestehen, 27 Spiele, nur noch vier zum Rekord. Gibt es noch einen Sieg auf den Gabentisch zu Weihnachten? Zwei Heimspiele sind die Chance zur Wende, Freiburg und Bielefeld die Gegner. Im Abstiegskampf muss gegen diese Teams gepunktet werden, es ist doppelt wichtig auch für Trainer Manuel Baum, der in seiner alten Heimat Augsburg gerne glücklichere Momente gehabt hätte.

Für alle Vereine und Spieler gilt aber, noch einmal eine Stresswoche mit zwei Spielen bis Weihnachten, dann gibt es ein paar Tage frei, allerdings nur bis zum 2. Januar. Eine verkürzte Pause haben die Teilnehmer am DFB-Pokal, da steht für den 22./23. Dezember die nächste Runde an.

Nagelsmann trifft auf Klopp

Da hat der frühere Schweizer Torjäger Stephane Chapuisat als „Glücksfee“ bei der Auslosung des Achtelfinales der Champions League aber ein besonderes Händchen gehabt. Er brachte ausgerechnet den RB Leipzig mit dem FC Liverpool zusammen, damit gibt es das Duell der beiden angeblich besten deutschen Trainer Julian Nagelsmann und Jürgen Klopp. Allerdings: Nagelsmann gilt als Mann der Zukunft, Klopp ist der erfolgreiche Platzhirsch. Überhaupt hatte Chapuisat ein Händchen für besondere Paarungen: Borussia Mönchengladbach freut sich auf Pep Guardiola mit Manchester City, bei Bayern München gegen Lazio Rom trifft der beste Torhüter Manuel Neuer auf den besten Torjäger der letzten Saison, Ciro Immobile, bei Barcelona – Paris treffen die Spezls Messi und Neymar aufeinander, Dortmund bekommt es mit dem Champion der Europa League, FC Sevilla, zu tun und außerdem duellieren sich Atletico Madrid und Chelsea London, der FC Porto und Juventus Turin sowie Atalanta Bergamo und Real Madrid. Gespielt wird das Achtelfinale am 16./17. und 23./24 Februar sowie 9./10. und 16./17. März (es werden immer nur je zwei Spiele angesetzt).

In der Europa League dürfen die deutschen Vertreter ebenfalls vom Achtelfinale träumen. In der Zwischenrunde muss im Hinspiel am 18. Februar Bayer Leverkusen zum Schweizer Meister Young Boys Bern reisen, die TSG Hoffenheim nach Norwegen zum Molde FK (Rückspiele am 25. Februar). Beides sind machbare Lose für die Bundesligisten, so dass weiter die Hoffnung besteht, dass endlich mal ein deutscher Verein wieder in der Europa League für Furore sorgt.

Übrigens steht in dieser Woche am Donnerstag noch eine bedeutende Wahl an, der „Fußballer des Jahres“ wird gesucht (dazu auch die Trainer etc., auch bei den Frauen). Im Mittelpunkt steht aber die Frage, ob die Juroren (Spieler, Trainer, Journalisten) mal über ihren Schatten springen können und nicht die üblichen Verdächtigen Cristiano Ronaldo und Leonie Messi wählen, sondern Robert Lewandowski, der mit wichtigen Toren einer der Väter des Bayern-Triples war. Der Pole hätte es verdient.

Mehr zu Joachim Löw und die Rechtevergabe der Bundesliga steht in der nächsten Kolumne „DFB und DFL stellen keine Weichen für die Zukunft“. In dieser Woche folgen noch Blogs zur Formel 1 und dem Start der Deutschen Eishockey Liga.

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