Dem Wintersport fehlt der Nachwuchs – Biathlon vor dem Absturz

von knospepeter

Am kommenden Wochenende nimmt der Sport endgültig Abschied vom Winter. Doch der lässt sich nicht so einfach beiseite schieben, wie das Schneechaos mit Rennabsagen der Alpinen im Schweizerischen Lenzerheide zeigt. Das Wetter ist das eine Problem des Wintersports, der manchmal unter fehlendem Schnee leidet, aber auch immer mit Sturm und Nebel rechnen muss. Der deutsche Wintersport hat aber noch ein ganz anderes Problem, das keine gute Zukunft prophezeit: Es fehlt der sportliche Nachwuchs.

Fehlende Talente ist das Problem aller Wintersportdisziplinen und wird in Zukunft durch den Klimawandel noch verstärkt auftreten. Wo die Kinder in den Alpen früher am Nachmittag nach der Schule einfach zum Skifahren gegangen sind, wenden sie sich heute – wenn sie nicht vor dem Computer sitzen – anderen Sportarten zu, weil eben der Schnee fehlt. Früher war auch die Bereitschaft der Eltern größer, Mühen für ihre Kinder aufzuwenden, um ihnen den Sport zu ermöglichen. Größere berufliche Anstrengungen und finanzielle Probleme setzen hier Grenzen. Ein Dilemma, für das die Verbände oft kein probates Gegenmittel haben.

In diesem WM-Winter gibt es noch einige Sportarten, die für die bevorstehenden Olympischen Winterspiele 2022 in Peking hoffen lassen. Die Rodler zum Beispiel, die an ihren Standorten in Königssee, Winterberg und Oberhof immer wieder Talente finden und Medaillen hamsterten. Erfreulich, dass Natalie Geisenberger nach ihrer Babypause gleich wieder den Weltcup gewann und das Felix Loch nach einem Leistungstief zu alter Form zurückfand. Bei den Bobfahrern gehörten die Schlagzeilen Francesco Friedrich, der Rekorde einheimste und weil auch die Frauen stark fahren, ist Deutschland die Bob- und Rodel-Nation Nummer 1!

Das kann man bei Ski alpin natürlich nicht sagen, aber nach den Rücktritten von Felix Neureuther und Regina Rebensburg sah die Saisonbilanz insgesamt besser aus als gedacht. In Cortina d’Ampezzo spielte auch das Wetter mit, so dass DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier doppelt strahlte: „Es waren extrem schöne Wettkämpfe in einer sensationellen Landschaft und wir haben uns selbst überrascht.“ Zwei Medaillen waren sein Ziel, was schon als zu hoch gegriffen angesehen wurde, sogar vier sind es geworden. Deshalb, weil die Speedfahrer „explodierten“, Andreas Sander und Romed Baumann mischten plötzlich vorne mit und gewannen ebenso Silber wie sensationell Kira Weidle in der Damen-Abfahrt. Sonnig sind die Zukunftsaussichten wie gesagt nicht, der Nachwuchs fehlt ebenso wie wohl immer öfters der Schnee.

Sonne und Schnee gab es bei der Nordischen Weltmeisterschaft in Oberstdorf, aber wie auch bei den anderen Veranstaltungen leider keine Zuschauer. Die deutsche Mannschaft konnte mit dem Gesamtergebnis zufrieden sein, doch Nachdenklichkeit kommt mit Blick auf die Zukunft auf. Die Bilanz war ausgeglichen, je zweimal Gold, Silber und Bronze waren ein guter Ertrag, Norwegen dominierte mit 13x Gold,11x Silber und 7x Bronze das Geschehen, in der Nationenwertung folgten mit großen Abstand Österreich und Schweden vor Deutschland. Die Skispringer flogen zu überraschenden Siegen, profitierten aber vor allem von der immensen Nervenstärke von Karl Geiger, der auf seinen Heimschanzen zweimal der entscheidende Schlussspringer war. Vier Medaillen gab es insgesamt. Die Kombinierer waren noch vor kurzem die dominierende Mannschaft, jetzt hat ihnen Norwegen den Rang abgelaufen und in Österreich erwächst starke Konkurrenz. Zwei Medaillen blieben übrig, einen Mann wie den Einzelsieger von der Großschanze, den erst 19-jährigen Österreicher Johann Lamparter, hat Deutschland nicht. Auch der Dominator Jarl Magnus Riiber aus Norwegen ist erst 23 Jahre alt. In der Altersklasse kann gerade mal der 23-jährige Oberstdorfer Vizenz Geiger mithalten, ansonsten fehlt der Nachschub.

Ganz schlecht sieht es im Biathlon aus, da war aktuell der Rücktritt von Arnd Peiffer eine Nachricht, die wie die Faust aufs Auge passt. Es ist niemand in Sicht, der die Erfolge eines Simon Schempp oder Arnd Peiffer in letzter Zeit oder bei den Damen einer Magdalena Neuner oder Laura Dahlmeier wiederholen kann. Bei der WM war die Ausbeute mit zweimal Silber so schlecht wie seit 2013 nicht mehr. Bei den Herren werden trotz Benedikt Doll und Erik Lesser Podestplätze in Zukunft überhaupt Mangelware sein, bei den Damen ruhen die Hoffnungen kurzfristig noch auf Franziska Preuß und Denise Herrmann, aber dahinter tut sich eine große Lücke auf.

Die Norweger dominieren auch im Biathlon das Geschehen, bei den Herren befinden sich vier Norweger unter den besten fünf Startern im Weltcup, bei den Damen führen zwei Norwegerinnen. Mit dem 24-jährigen Stura Holm Laegreid präsentieren die Skandinavier auch das größte Talent. Die Hoffnung der Deutschen ruht da eher auf dem Nesselwanger Philipp Nawarath, der im zweitklassigen IBU-Cup in der Saisonwertung Zweiter wurde, aber bereits 28 Jahre alt ist. Da gilt Vanessa Voigt bei den Damen als größere Hoffnung, die Thüringerin gewann den IBU-Cup und ist erst 23 Jahre alt. Auf breiter Front sieht es aber nicht so aus, als sollten die alten Erfolge Bestand haben können. Biathlon droht der Absturz!

In diesem Winter war Biathlon noch das Lieblingskind der deutschen Fernsehzuschauer. Die Einschaltquoten lagen oft bei über vier Millionen Zuschauern und übertrumpften alle anderen Wintersportarten um Längen, allein Skispringen konnte da mithalten. Aber auch Handball kam trotz Weltmeisterschaft hinter Biathlon und auch die Formel 1 kann im Sommer kaum mehr Zuschauer vorweisen. Der Mix aus Laufen und Schießen kommt an, vor allem die Spannung, dass bei jedem Schießen sich das Ergebnis ändern kann, sorgt für Spannung. Den Höhepunkt lieferte Franziska Preuß mit einer Aufholjagd bei der WM-Staffel, als sie als Schlussläuferin noch Silber rettete. Fragt sich für die Zukunft, ob die deutschen Zuschauer dem Biathlon treu bleiben, wenn die deutsche Mannschaft kaum mehr um den Sieg mitkämpfen kann. Nur den Norwegern zujubeln, reißt wohl nicht so viele von den Sitzen.

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