Dortmunder Offensive und Münchner Offenbarungseid
von knospepeter
Das Blatt hat sich gewendet: Unsichere Dortmunder strotzen vor Selbstbewusstsein, den „mia-san-mia-Bayern“ ist das Selbstbewusstsein abhanden gekommen. Die Dortmunder gingen schon vor dem Wochenende in die Offensive und verkündeten als Antwort auf das angeblich „typische“ 3:3 der Borussia in Stuttgart, als der Sieg aus der Hand gegeben wurde, dass sie „Meister werden wollten und sie würden es schaffen“. Die erste Bestätigung folgte mit einem fulminanten 4:0 gegen Frankfurt. Offensichtlich waren die Bayern ob der Ankündigung geschockt. Bevor die Dortmunder gegen den Ball traten, leisteten sich die Münchner ein 1:3 in Mainz mit einer katastrophalen Leistung nach einer 1:0-Führung. Es war nichts anderes als ein Offenbarungseid, nach zehn Titeln in Folge ist das Chaos ausgebrochen und mit der Aussicht auf einen neuen Meister sagen in der Bundesliga viele Fans „endlich“.
Die Krise in München ist hausgemacht und fußt auf falscher Personalpolitik, sowohl bei der Führung als auch in der Mannschaft. Das Hauptübel ist offensichtlich, dass die Mannschaft keine wirkliche Mannschaft mehr ist, sondern eher ein zerstrittener und jetzt auch noch verunsicherter Haufen. Zielscheibe der Kritik wurde vermehrt Vorstandsboss Oliver Kahn, der Fehler gemacht hat, doch die Hauptschuld trägt zweifellos Sportvorstand Hasan Salihamidzic, der fachlich und menschlich versagt hat. Dazu kommt, dass offensichtlich im Hintergrund Ehrenpräsident Uli Hoeneß als starker Aufsichtsrat noch mitmischt und vor allem auch dem Boulevard, wohl vor allem der Bild, Futter gibt und Salihamidzic als „seinen“ Mann schützt. Die Süddeutsche Zeitung schreibt über den Zustand des Vereins: „Der Machtkampf ist eröffnet, Hoeneß, Hainer (Präsident), Kahn, Salihamidzic, die Bild, alle sammeln ihre Truppen. Das Misstrauen nimmt zu, und jedes durchgesteckte Gerücht hat ein Geschmäckle – das des Vertrauensbruchs“.
Salihamidzic als Sportvorstand, der offensichtlich menschlich Schwächen zeigt und sowohl mit dem erfolgreichen Trainer Hansi Flick, dem beliebten Co-Trainer Hermann Gerland und Torjäger Robert Lewandowski im Zwist lag und sie aus dem Verein vergraulte. Dazu kam eine schlechte Personalpolitik, die Abgänge von Lewandowski und Alaba als Führungsfiguren konnten nicht adäquat ersetzt werden, Trainer Julian Nagelsmann bekam völlig unnötig, ja dilettantisch, einen Fünf-Jahres-Vertrag und zuletzt erwies sich die Verpflichtung von Torhüter Yann Sommer als Fehlgriff, er ist den Anforderungen eines Spitzenklubs offensichtlich nervlich nicht gewachsen, bekam aber auch einen längeren Vertrag. Kasper Schmeichel (Nizza), ein renommierter Keeper, wäre für ein halbes Jahr zu haben gewesen, als Ersatz für den verletzten Manuel Neuer, der wie Lewandowski als Stütze fehlt. Talente sind da, Stützen nicht.
Die Entlassung von Julian Nagelsmann vor den entscheidenden Spielen der Saison erwies sich vom Zeitpunkt her als zu spät und war so unsinnig – allein schon ein Entlassungsgrund für die handelnden Personen. Nachfolger Thomas Tuchel hat sich das natürlich anders vorgestellt, er hat Stärke und Selbstbewusstsein des Teams falsch eingeschätzt. Er hat nur zwei von sieben Spielen gewonnen und steht ratlos vor einem Scherbenhaufen („Keine Energie, kein Aufbäumen, keine Ahnung, was los ist“). Salihamidzic leistet ebenfalls einen Offenbarungseid, wenn er sagt: „Der Trainer musste die Mannschaft erst einmal kennenlernen.“ Die Reaktion von Tuchel: In seiner ersten vollen Trainingswoche bekamen die Spieler zunächst drei Tage frei, „damit sie zur Besinnung kommen“. Dann muss er handeln. Vielleicht vertraut er im Tor auf Sven Ulreich, der Neuer schon einmal gut vertreten hat. Gegen die Formkrisen von zahlreichen Star-Spielern wie Upamecano, Goretzka, Kimmich, Gnabry, Musiala und sogar Müller, kann er nicht so schnell ankommen, die hat noch Nagelsmann zu verantworten. Einziger Hoffnungsfunke: Am Sonntag kommt Schlusslicht Hertha BSC, eine Mannschaft, die noch mehr verunsichert ist.
In Dortmund reiben sie sich die Hände, auch das Restprogramm spricht für die Westfalen, die erstmals seit 2012 wieder feiern wollen. Von vorzeitigem Jubel will Trainer Edin Terzic natürlich nichts wissen, „es sind noch fünf Schritte“, aber Sportdirektor Sebastian Kehl stellt schon in Aussicht, „bei der Meisterprämie werden wir großzügig sein“. Im Gegensatz zum Bayern-Kader zeigen sich einige Borussia-Spieler in Bestform, die vor kurzem noch eher Sorgenkinder waren, zum Beispiel Hummels, Adeyemi und Stürmer Malen, der Dortmund zum Titel schießen könnte. Vorteil außerdem: Dortmund präsentiert sich als Verein mit Zusammenhalt!
„Mannschaft der Stunde“ ist aber kein Meister-Anwärter, sondern Bayer Leverkusen mit einer beispiellosen Aufholjagd. Wie sich ein Trainerwechsel lohnen kann, zeigt Xabi Alonso, der Spanier ist jetzt schon „Trainer des Jahres“, legte mit Bayer eine Serie von 13 Pflichtspielen ohne Niederlage hin und schnuppert nach Rang 17 als Ausgangspunkt an der Champions League und steht im Halbfinale der Europa League. Mit RB Leipzig bezwang Bayer einen direkten Konkurrenten mit 2:0, jetzt folgt der nächste am Samstag, Union Berlin. Im Hinspiel siegte Leverkusen 5:0! Aber sowohl Union (55 Punkte) als auch Freiburg (53) lassen nicht locker, Leipzig (51) und Bayer (47) liegen dahinter und auch Mainz (45) mischt noch mit.
Am Tabellenende waren Bremen und Köln die großen Sieger, nach dem 4:2 bei Hertha bzw. 3:1 in Hoffenheim dürfen sich beide mit 35 Punkte eigentlich über den Klassenerhalt freuen, die Teams dahinter profilieren sich nicht als Punktesammler. Obwohl eine Statistik aufhorchen lässt: In der Rückrunde waren die Schlusslichter mit 22 Zählern erfolgreicher als die Spitzenreiter (nur 20)! Pal Dardai konnte diese Erfolgsbilanz mit Hertha allerdings nicht verbessern. Wermutstropfen für Köln, Kapitän Jonas Hector, jahrelang Identifikationsfigur im Verein, verkündete sein Karriere-Ende. Seltsames beim FC Augsburg: Mit dem 1:1 gegen Stuttgart hat der FCA schon 23 Punkte nach einer Führung abgegeben, mehr als alle anderen Teams. Im Vorjahr waren es nur acht Punkte. Dennoch war das 1:1 ein Erfolg, der Abstand nach unten wurde gehalten. Stuttgart, Schalke und Hertha bleiben am Tabellenende.
In der 2. Bundesliga ist an der Spitze fast eine Vorentscheidung gefallen, Darmstadt, Heidenheim und der HSV haben sich von den Verfolgern abgesetzt. Den emotionalsten Sieg landete dabei der HSV mit dem 4:3 im Derby gegen St. Pauli.
Wieder Rekord der Frauen
Das Boomjahr im Frauen-Fußball hält an. Am Sonntag kamen 38.365 Zuschauer zum Bundesliga-Spiel 1. FC Köln gegen Eintracht Frankfurt und sorgten damit für einen neuen Rekord. Am 1. Spieltag hatte Frankfurt – Bayern 23.000 interessiert. Allerdings musste Köln eine 0:2-Niederlage hinnehmen und bleibt in Abstiegsgefahr. Vermehrt können die Frauen in große Stadien ausweichen und werden mit fünfstelligen Besucherzahlen belohnt. So sahen auch 22.617 Wolfsburgs Duell im Halbfinale der Champions League gegen Arsenal London (2:2). In der Bundesliga stieg der Zuschauerschnitt auf fast 2500, 811 waren es in der letzten Saison.
In der Bundesliga machen es die Frauen des FC Bayern München bisher besser als die Männer, sie verteidigten Platz eins mit einem Schützenfest von 8:2 gegen den Pokalfinalisten SC Freiburg und bleiben damit weiter einen Punkt vor Titelverteidiger Wolfsburg. Vier Spiele müssen noch gewonnen werden, um den Bayern doch noch einen Titel zu holen. Die Wölfinnen sind zudem in der Champions League gefordert, verspielten aber eine 2:0-Führung gegen Arsenal, das die Bayern-Mädchen ausgeschaltet hatte. Die Wölfinnen wollen es am 1. Mai in London besser machen. Auf dem Weg ins Finale befindet sich der FC Barcelona, der bei Chelsea London 1:0 gewann. Übrigens wurden alle Partien der Champions League ab dem Viertelfinale in großen Stadien mit den entsprechenden Zuschauerzahlen ausgetragen. Der Frauen-Fußball bleibt im Aufwind.