Fußball-Trainer vergessen zu oft ihre gute Kinderstube

von knospepeter

Es gehört leider fast schon zum Alltag im Profi-Fußball, dass sich die Trainer bei einer Entscheidung der Schiedsrichter, die ihnen nicht gefällt, am Spielfeldrand aufführen wie Rumpelstilzchen. Manche werde so ausfällig, dass man sich unwillkürlich fragt, welche Erziehung sie genossen haben und warum sie ihre gute Kinderstube im Stadion vergessen. Schlechtes Benehmen wird zwar manchmal mit Gelben oder Roten Karten geahndet, aber der DFB müsste jährlich auch noch einen Erziehungskurs ansetzen oder Beruhigungspillen zur Pflicht machen. Vor allem deshalb, weil dieses ungebührliche Benehmen Nachahmer findet. In den Amateurklassen sind die Hemmschwellen noch niedriger, auf den Dorfplätzen stehen Fans und vor allem Funktionäre und Eltern dicht am Spielfeldrand und nutzen ein Fußballspiel um den Frust der Woche abzureagieren. Der Ursprung dafür ist bei den Profi-Trainern zu suchen, die wöchentlich bei ihren Schimpftiraden im Fernsehen beobachtet werden.

Einer, der sich am Schlimmsten aufgeführt hat, war früher Jürgen Klopp, der inzwischen beim FC Liverpool eine gemäßigtere Rolle einnimmt, aber immer noch ausflippt und jetzt wieder einer Strafe entgegen sieht. Frankfurts Trainer Oliver Glasner griff zu einem „stillen Protest“ (wie er sagt) und schoss einen zweiten Ball auf das Feld als Protest gegen eine Schiedsrichter-Entscheidung. Über die Rote Karte war er erstaunt, weil er das Regelwerk nicht kennt. Auch beschämend für einen Profi-Trainer. Dazu zeigte er eine Neuerung, die auch schon um sich griff, mit Wutreden werden unliebsame Fragen der Journalisten gekontert. Auch kein gutes Benehmen. Aber ein weiteres Puzzleteilchen, dass sich die Eintracht am Saisonschluss vom Trainer trennen wird, obwohl er die letzten Jahre erfolgreich gearbeitet hat und mit dem Sieg in der Europa League fast schon Helden-Status erlangt hat. Nach einer Niederlagenserie in der Bundesliga sind die Nerven dünn geworden, da half auch der Einzug ins Pokalfinale nichts mehr.

Zum Saisonschluss wird der Fußball sowieso zur Nervensache, aber nur bei Fehlern der Schiedsrichter führen sich die Trainer auf, vergibt ein Spieler eine große Torchance, wenden sie sich meist nur enttäuscht ab, ohne ausfällig zu werden. Keinen Grund zum Ärger hatte am Sonntag vor allem Edin Terzic in Dortmund, mit einem 6:0-Schützenfest gegen Wolfsburg ging die Berg- und Talfahrt der Borussia weiter, die bei so einer Form am Ende ein verdienter Meister wäre. Doch bekanntlich liegt das bei einem Punkt Vorsprung an den Bayern, die bis zum letzten Spieltag immer vorlegen und Dortmund jeweils in Zugzwang bringen können. Die Bayern begeistern nicht, sondern haben den Minimalismus für sich entdeckt, Hauptsache gewinnen, egal wie. Das klappte gegen die Hertha und jetzt auch in Bremen, weil Serge Gnabry, der als Verkaufskandidat gilt, seinen Torriecher wieder gefunden hat. Eine ganz andere Performance zeigte allerdings Karim Ademeyi bei Dortmund. Der Zweikampf an der Spitze wird bis zum Schluss anhalten.

„Verlierer der Woche“ war der SC Freiburg, der im doppelten Duell mit RB Leipzig gleich zwei Träume platzen sah. Das Aus im Pokal ist endgültig, da spielte Leipzig wie ein Meister auf oder wie ein würdiger Teilnehmer an der Champions League. So spielen am 3. Juni in Berlin Leipzig und Frankfurt um den DFB-Pokal. Leipzig legte am Samstag noch nach, tat sich gegen diesmal tapfer wehrende Freiburger schwerer, siegte aber 1:0 und öffnete damit die Tür zur CL. RB ist plötzlich Dritter, nachdem die Überraschungsteams verloren, Union Berlin beim 0:1 in Augsburg schwächelte. Freiburg ist nur noch Fünfter, aber auch die Europa League wäre ein Erfolg, doch wenn man die Chance auf die CL verspielt, da ist man auch im Schwarzwald eher enttäuscht.

Enttäuschung? Das Wort kannte man in Leverkusen gar nicht mehr, bei einer Erfolgsserie von 14 ungeschlagenen Spielen. Doch nun riss die Serie ausgerechnet im rheinischen Derby gegen Köln im eigenen Stadion im vorverlegten Spiel wegen der Europa League. „Schlimmer geht’s nimmer,“ urteilte Bayer-Star Robert Andrich. Ein Platz in der Champions League ist bei acht Punkten Rückstand auf Platz vier wohl verspielt. Jetzt bleibt die Frage, ob sich diese Enttäuschung auf die Duelle mit AS Rom im Halbfinale der Europa League auswirkt. Schließlich träumte Bayer sogar vom Cup-Gewinn. Am Donnerstag werden wir die Antwort erfahren.

Andere jubelten. Im Abstiegskampf wurde Spieler, die eher mit Enttäuschungen leben mussten, plötzlich zu gefeierten Stars, ja sogar zu Rettern. In erster Linie Davie Selke beim 1. FC Köln. Er wurde von der Hertha geholt und sollte für mehr Torgefahr sorgen, doch die hielt sich bisher in Grenzen. Bis jetzt in Leverkusen, mit zwei Treffern wurde er zum Matchwinner und Köln hat den Klassenerhalt sicher. Zwei Treffer erzielte auch Marius Bülter für Schalke 04 beim 3:2-Sieg in Mainz, wo sogar 112 Minuten gespielt wurden. In der 102. Minute verwandelte Bülter nervenstark einen Elfmeter, den Schiedsrichter Jöllenbeck lange am Bildschirm begutachtete, zum Siegtreffer. Bisher galt Bülter nicht als Hoffnungsträger, er stand im Schatten von Torjäger Simon Terodde, der allerdings derzeit Ladehemmung hat. Schalke aber hofft wieder, hat den Abstiegsplatz verlassen und an Bochum weitergegeben.

Deshalb gibt es jetzt in Bochum das große Zittern. Allerdings gibt es zwei Chancen, am Samstag gegen den FC Augsburg und eine Woche später bei der Hertha. Der FCA muss aber erst geknackt werden, hat mit Minimalismus den Klassenerhalt fast geschafft, fünf 1:0-Siege daheim sprechen eine deutliche Sprache. Held in Augsburg war beim überraschenden 1:0 gegen Union Torhüter Tomas Koubek, der schon auf dem Abstellgeleis stand und abgegeben werden soll. Jetzt sorgt er dafür, dass der bisherige Stammtorhüter Rafal Gikiewicz (derzeit verletzt) wohl gehen muss. Dessen Vertrag verlängert sich nur automatisch, wenn er noch zwei Spiele bestreitet. Die wird er wohl nicht mehr bekommen.

Das Super-Duell

International stehen in dieser und der nächsten Woche die Halbfinals an, nur Leverkusen ist aus der Bundesliga dabei. Ganz anders Italien, gleich fünf Mannschaften sind dabei, da hat die Bundesliga noch viel aufzuholen. Nachdem es in der Champions League das Mailänder Derby AC gegen Inter gibt, steht auf jeden Fall ein italienisches Team im Finale. Allerdings steht dieses Derby im Schatten des Super-Duells von Titelverteidiger Real Madrid gegen den Favoriten Manchester City. Die Schützlinge von Carlo Ancelotti sind die Experten für die Champions League, haben in der Meisterschaft keine Chance mehr, aber mit einem 2:1 gegen Osasuna den spanischen Pokal geholt, also die Generalprobe bestanden. Bei City wird dem Traum nachgejagt, endlich die Champions League zu gewinnen. Als man Pep Guardiola als Trainer holte, schien er der Garant für diesen Erfolg zu sein, doch zu oft vercoachte er sich. In diesem Jahr stehen die Zeichen gut mit Torjäger Erling Haaland als Verstärkung. Auf der Gegenseite steht ihm Karim Benzema nicht nach. Wer wird der Held?

In der Europa League muss Bayer Leverkusen gegen AS Rom seine Bestform zeigen, darf aber auf einen angeschlagenen Gegner hoffen, der national auf Rang sieben abrutschte. Im Aufwind dagegen Juventus Turin, das auf den FC Sevilla trifft, den EL-Rekordsieger. Prominente Namen auch in der Conference League, West Ham United gegen AZ Alkmaar und AC Florenz gegen FC Basel heißen die Halbfinals.

Die Frauen haben den Männern die Show gestohlen, der VfL Wolfsburg schaffte mit einem 3:2 nach Verlängerung bei Arsenal London den Sprung ins Finale. Pauline Bremer schoss die Wölfinnen in der 119. Minute (!) ins Glück. Am 3. Juni im Finale in Eindhoven gilt allerdings Gegner FC Barcelona als Favorit. Wolfsburg hat sich aber die Chance aufs Triple erhalten, steht auch im Pokalfinale und hat noch die Chance auf die Meisterschaft. Aber da geht es den Wölfinnen wie Borussia Dortmund, sie müssen auf eine Niederlage von Bayern München hoffen. Da siegten Frauen und Männer im Gleichschritt mit 2:1, die Mädchen mühsam in Essen. Nun wartet am Freitag (19.15 Uhr, Eurosport) mit dem Tabellenvierten TSG Hoffenheim wohl der stärkste Gegner. Nur Siege führen bei Bayern zu Titeln und gemeinsam auf den Münchner Rathausbalkon.

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