Der Reichtum hat Hertha BSC in den Ruin getrieben
von knospepeter
Die Fußball-Bundesliga ist in diesem Jahr spannend wie nie, aber sie ist auch wieder um ein trauriges Kapitel reicher. Gut, Hertha BSC Berlin ist noch nicht abgestiegen, aber nur ein Wunder kann den Pleite-Klub noch retten. Sechs Punkte Rückstand sind es bis zum Klassenerhalt, zwei Siege müssen also her und die Konkurrenz darf nicht punkten. Ausgerechnet der VfL Bochum, der diesen rettenden Platz einnimmt, kommt am Samstag ins Olympiastadion. Fünf Punkte sind es bis zum Relegationsplatz (Schalke), aber auch der Vorletzte Stuttgart muss mitspielen. Die Situation ist brisant. Zum Schluss geht es noch nach Wolfsburg, das selbst um Europa kämpft.
Brisant – das gilt nicht nur für den Sport. Der ganze Verein steht am Abgrund und dabei wollte er vor wenigen Jahren noch den Himmel einreißen. Mit Lars Windhorst wurde ein Geldgeber gefunden, der 2019 sage und schreibe 374 Millionen Euro in den Verein pumpte. Hertha agierte dann aber wie ein überraschter Lotto-Millionär, der mit dem Reichtum nicht umgehen kann. Der Größenwahn brach aus – und trieb Hertha in den Ruin. Die Bodenhaftung ging verloren, vom „Big-City-Club“ war die Rede, „Big Loser“ trifft heute eher zu. Das zurückgetretene Präsidiumsmitglied Ingmar Pering formulierte, was wohl Tatsache ist. Früher wäre es schon schlimm gewesen, „jetzt haben wir es nicht nur mit egoistischen und auf persönlichen Vorteile bedachte Machtmenschen zu tun, sondern auch noch mit versammelter Inkompetenz“. Überraschend: Der neue Präsident Kay Bernstein schlug bei der Mitgliederversammlung in die gleiche Kerbe: „Der Irrsinn muss ein Ende ab. Rund 250 Millionen wurden nutzlos verbrannt.“ Hertha muss mit Schulden leben, hat zwar mit der Firma „777 Partners“ einen neuen Geldgeber, aber auch der macht Sorgen. Er hat sich offensichtlich so ein weitreichendes Mitspracherecht gesichert, dass die DFL hellhörig geworden ist, die 50+1-Regel wird wohl nicht eingehalten und so ist die Lizenz so in Gefahr. Hertha muss, Abstieg hin oder her, auch hier liefern. Gefeiert von den Fans wurde Trainer Pal Dardai, der Wonneproppen des Vereins. Er skizzierte: „Wir haben eine kleine Hoffnung in der Liga zu bleiben, aber die Sache ist nicht mehr in unserer Hand. Wir müssen aber wieder nach oben kommen, wenn nicht in diesem, dann im nächsten Jahr.“ Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Besonders traurig ist für die Hertha-Fans, dass sie zusehen müssen, dass zwar die Champions League wohl nach Berlin kommt, aber diesen Traum ausgerechnet der ungeliebte Lokalrivale Union leben kann. Dabei hatte sich Union so hohe Ziele gar nicht gesetzt, aber vernünftig gearbeitet. Erfolg ohne Reichtum, das 4:2 gegen Freiburg stellte die Weichen, Hoffenheim und Bremen sind die letzten Gegner. Freiburg ist Fünfter und hat mit 56 Punkten die Europa League sicher, auch das darf im Schwarzwald gefeiert werden. Dahinter kämpfen vier Klubs um die nächsten Europaplätze, die punktgleichen Wolfsburg und Leverkusen (je 49), Frankfurt (46) und Mainz (45). Die Eintracht feierte dabei mit dem 3:0 gegen Mainz eine Art Wiederauferstehung und das, obwohl Trainer Oliver Glasner wegen einer Rotsperre nur aus einer Loge zusehen durfte. Der Wirbel um den Coach ging spurlos an der Mannschaft vorbei, Verein und Trainer gaben die Trennung zum Saisonende bekannt. Eine erfolgreiche Ära mit dem Gewinn der Europa League geht zu Ende. Als Nachfolger ist Dino Toppmöller im Gespräch, zuletzt Co-Trainer von Julian Nagelsmann bei Bayern München. Mehr Kontinuität gibt es in Köln, dort hat Trainer Steffen Baumgart seinen Vertrag verlängert. Auch hier gilt: Kein Reichtum, aber gute Arbeit.
Reichtum wird Bayern München nachgesagt, reich auch an Titeln, doch die elfte Meisterschaft in Folge hängt noch in der Luft, Verfolger Borussia Dortmund gibt nicht auf, ist aber auf einen Ausrutscher des Tabellenführers angewiesen. RB Leipzig ist am Samstag im „Spiel der Woche“ im 18.30 Uhr ein Gegner, der Bayern weh tun kann. Andererseits wirkten die Bayern beim 6:0 gegen Schalke erstmals wieder gefestigt und auch Trainer Thomas Tuchel war zufrieden: „Es geht aufwärts, das Selbstvertrauen wird wieder größer.“ Haben die Bayern gerade noch die Kurve bekommen? Antreiber war Thomas Müller, der falsche Gerüchte eher launig ins Reich der Fabel verwies. Bild (in dem Fall Sport-Bild) hatte wieder einmal gewusst, was andere denken: „Müller denkt an Bayern-Abschied“ hieß die Schlagzeile. Müller aber machte deutlich: „Solche Gedanken habe ich nicht, mein Herz ist roter als rot.“ Er will seinen Vertrag bis 2024 erfüllen und wird dann mit Sicherheit auch künftig im Verein eingebunden sein. Zum Titel sind aber Siege gegen Leipzig und in Köln notwendig.
Dortmund kann nur auf einen Ausrutscher hoffen. Trainer Edin Terzic realistisch: „Wir geben Gas, aber die anderen geben auch Gas“. Aufs Gas drücken muss die Borussia am Sonntag (17.30 Uhr) in Augsburg, denn der FCA ist so etwas wie ein Angstgegner, von den letzten vier Spielen in Augsburg gewann Dortmund nur eins. Aber die derzeitige Form, vor allem die der Torjäger Haller und Malen, lässt Terdic wohl ruhig schlafen. Anders sieht es bei FCA-Trainer Enrico Maaßen aus. Es war viel von positiver Entwicklung beim FCA die Rede, doch in Sachen Klassenerhalt herrscht Stillstand bzw. Rückschritt. Ein Sieg gegen Dortmund wäre die Rettung, der Schluss in Gladbach könnte aber zum Endspiel werden. Dabei sehen sich die Augsburger nach zwölf Jahren Bundesliga als unabsteigbar, immer haben sie den Klassenerhalt geschafft, manchmal auf den letzten Drücker. „Unabsteigbar“ war früher das Markenzeichen von Bochum, der 3:2-Sieg über Augsburg, der die Schwaben wieder ins Dilemma stürzte, könnte den Slogan neu beleben. Das „Endspiel“ findet in Berlin bei der Hertha statt und die Fans sangen schon mit Blick auf das Lied vom Pokalfinale „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“. An Unterstützung wird es Bochum nicht fehlen.
City will Real vom Thron stürzen
In den europäischen Wettbewerben wird in dieser Woche die Frage beantwortet, der die Finals bestreiten wird. In der Champions League hat Inter Mailand nach dem 2:0 im Hinspiel gegen den Lokalrivalen AC beste Chancen am 10. Juni in Istanbul auf dem Platz zu stehen. Aber wer wird der Gegner sein? Manchester City will Real Madrid vom Thron stürzen und endlich den Henkelpott holen. Das 1:1 vom Hinspiel lässt beiden Teams alle Chancen, doch scheint Pep Guardiolas Team besser in Fahrt zu sein, in der Premier League steht City vor dem Titelgewinn, nachdem Verfolger Arsenal wieder verlor. Real kommt ein bisschen auf dem Zahnfleisch daher, musste zusehen, wie der FC Barcelona die Meisterschaft gewann.
Ob Deutschland im Finale der Europa League wieder vertreten ist? Bayer Leverkusen ist vom Erfolgskurs ein bisschen abgekommen, da wird es schwer, das 0:1 beim AS Rom auszugleichen. Auch hier hieß es im zweiten Duell zwischen dem FC Sevilla und Juventus Turin 1:1, die Chance also für die Spanier, ihrem Ruf als EL-Experten gerecht zu werden.
Bayern-Frauen vor Titelgewinn
Im Frauen-Fußball ist beim VfL Wolfsburg der Traum vom Triple geplatzt, überraschend verloren die Wölfinnen bei Eintracht Frankfurt mit 0:4 (vor 17.000 Zuschauern!), während Tabellenführer Bayern München sich gegen die TSG Hoffenheim keine Blöße gab und 1:0 gewann. Dadurch haben die Bayern-Mädchen ihren Vorsprung auf vier Punkte ausbauen können und die letzten Gegnerinnen Leverkusen und Absteiger Potsdam sollten die Siegesserie von 15 Erfolgen hintereinander nicht stoppen können. Die Münchnerinnen können sich ja sogar eine Niederlage leisten, wollen aber am Samstag in Leverkusen Meister werden. Damit wäre also wieder eine – nicht erwartete – Wachablösung fällig, Wolfsburg war Titelverteidiger, Bayern gewann 2021, nach vier Titeln der Wölfinnen in Folge.
Dafür will sich Wolfsburg im DFB-Pokal schadlos halten. Da dürfte die Siegesserie mit acht Pokalgewinnen in Folge nicht reißen, zumal Gegner SC Freiburg zuletzt in der Bundesliga achtmal sieglos blieb, also keineswegs in Bestform ist. Eine große Zuschauerkulisse ist aber am Donnerstag (16.45 Uhr) in Köln garantiert. Und dann wartet ja noch die große Aufgabe im Finale der Champions League gegen den FC Barcelona.
Die Zeit der großen Aufgaben ist für Turbine Potsdam vorbei. Der erfolgreiche Traditionsverein und sechsmalige Meister (zweimal Gewinn der Champions League) verabschiedet sich aus der Bundesliga. Gleichzeitig macht das Schicksal der Turbinen deutlich, dass im Frauen-Fußball eine neue Zeit angebrochen ist, reine Frauen-Vereine haben gegen die Teams aus der Männer-Bundesliga keine Chance mehr. Der letzte „Mohikaner“ ist die SGS Essen. Heute müssen die Männer-Bundesligisten für die Lizenz ein Frauen-Team vorweisen und nur mit den Einnahmen von Spielen in großen Stadien ist die Entwicklung zum Profi-Fußball der Frauen finanzierbar.