Wer mehr verdient, spielt weniger
von knospepeter
Das Leben ist ja manchmal paradox, warum soll der Fußball also eine Ausnahme bilden. Seltsam ist zum Beispiel, dass die Kicker bei den Top-Mannschaften einen Haufen Geld verdienen, dafür aber weniger zum Einsatz kommen! Das ist nämlich der neue Trend: Es gibt keine Stamm-Elf mehr (oder inzwischen eigentlich eine 13), sondern – siehe Bayern München – der Kader wird so verstärkt, dass eigentlich jeder Stammspieler ist, aber natürlich nicht alle auflaufen können. So heißt es also Schonung hier und Schonung da, damit die Kräfte dann gebündelt werden können, wenn es um die Titel geht.
Das Gegenbeispiel ist der SC Freiburg. Die Badener legten unter Trainer Christian Streich in der letzten Saison eine sensationelle Runde hin und waren am Ende sogar Fünfter, ergo direkt für die Europa League qualifiziert. Das schützte den Verein allerdings nicht vor Raub. Einige der besten Spieler zog es an andere Fleischtöpfe, jetzt steht Freiburg in der Bundesliga ohne Punkte da und wenn die Aufgaben auf Europas Bühnen zu lösen sind, eigentlich auch ohne konkurrenzfähige Mannschaft. „Wir müssen lernen und arbeiten, um Stück für Stück voranzukommen“, erklärt Streich. Sein Problem: Eigentlich möchte er unter der Woche trainieren, in den Europapokal-Wochen geht das aber nicht, dafür nagen zusätzlicher Reise- und Spielstress am relativ kleinen Kader. Die Freiburger Spieler verdienen weitaus weniger als die Bayern oder die Dortmunder, aber sie müssen quasi immer auf der Matte stehen. Wer weniger verdient, muss öfters spielen.
Es ist ja eigentlich eine neue Tendenz bei den Spitzenklubs, dass der Kader mehr Spitzenspieler verpflichtet werden, die dann auch wissen, dass sie keineswegs immer spielen werden. Zwar sagen sie alle „ich möchte immer spielen“, aber wer meutert, wird in die Schranken verwiesen. So hat sich Stürmer Mandzukic bei Bayern eine Schweigegelübde auferlegt, Mario Gomez dagegen das Weite gesucht und ist nach Florenz geflohen. Ganz einfach, er will spielen.
Bezeichnend einige Bankplätze und Auswechslungen am vergangenen Wochenende. Arjen Robben wurde bei den Bayern zunächst geschont, „ich möchte ihn mal verletzungsfrei durch die Vorrunde bringen“, verriet Trainer Pep Guardiola. Der neue Coach muss aber erst zeigen, ob er die Rotation so perfekt beherrscht wie sein Vorgänger Jupp Heynckes. In Dortmund ließ Jürgen Klopp Marco Reus zunächst auf der Bank, er konnte es sich leisten, hatte er doch die – unaussprechliche – Dreier-Reihe Blaszczykowski-Mkhitaryan-Aubameyang auf dem Platz. Reus kam später und verwandelte einen Elfmeter. In Barcelona gab es ein Novum, Lionel Messi wurde vorzeitig vom Platz geholt, der neue Trainer konnte es sich bei einem 7:0-Sieg leisten, hätte es wohl aber auch bei einem 2:0 gemacht. „Wir haben gelernt, wir müssen Messi mehr schonen.“ Nun verdient ja Messi wirklich einen Haufen Geld, dafür darf er sich jetzt mehr ausruhen.
Wer im normalen Berufsleben steht, könnte jetzt eine erneute Neid-Debatte lostreten. An den Stammtischen wird ja immer wieder über die zu hohen Gehälter bei Managern, Künstlern und Fußballern geklagt und gelästert. Im Fußball aber haben die Trainer erkannt, dass weniger manchmal mehr ist, hohe Gehälter hin oder her. Wer mehr verdient und weniger spielt bringt am Ende vielleicht doch mehr Ertrag.
20. August 2013