Deutsches Wintermärchen! Deutsches Sommermärchen?

von knospepeter

Die Sportfans in Deutschland haben die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land noch gut in Erinnerung. Sie ist heute noch als „Sommermärchen“ in aller Munde und hat Deutschland in der Welt viele Sympathien eingebracht. Als Dritter ließ man ja zudem den Gästen noch den Vortritt! Zuletzt war aber Winter und Deutschland erlebte ein Wintermärchen. Nicht im eigenen Land, aber sportlich. Nach einer kleinen Delle bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi, trumpften viele Athleten im nacholympischen Winter auf. Und was besonders Hoffnung macht: Viele jungen Sportlerinnen und Sportler fanden in die Erfolgsspur.

Positives Beispiel ist vor allem Biathlon. Nach dem Rücktritt von Medaillensammlern wie Michael Greis und vor allem Magdalena Neuner war schon ein Abgleiten ins Niemandsland befürchtet worden. Die Angst: Keine Erfolge und keiner würde mehr von Biathlon Notiz nehmen. Das Gegenteil war der Fall. Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern haben sich neue, starke Mannschaften entwickelt. Nach dem schwachen olympischen Winter gab es ein Umdenken: Die Mannschaft steht jetzt im Vordergrund, das neue Miteinander hat allen Beine gemacht, es gibt keine Einzelgänger mehr und beeindruckend zudem die Schießergebnisse.

Die Bilanz kann sich sehen lassen: Die Frauen gewannen sogar die Nationenwertung vor Tschechien und Frankreich, Franziska Preuß die Wertung im Massenstart. Bei der Weltmeisterschaft holte Deutschland drei Titel und zweimal Silber, vor der Saison fast unvorstellbar. Aber Preuß und die anfangs einige Zeit noch verletzte Laura Dahlmeier wurden immer besser und zu Siegläuferinnen. Die beiden Freundinnen sind erst 21 Jahre alt. Franziska Hildebrand mischte zudem vorne mit. Bei den Männern gehörten nach einigen Anfangsschwierigkeiten Simon Schempp, Erik Lesser, Arnd Peiffer und Daniel Böhm zur Weltspitze, in die sich am Ende auch noch Benedikt Doll katapultierte. Die Männer waren Zweite in der Nationenwertung hinter Norwegen und vor Frankreich. Vor allem Staffelsiege bewiesen die tolle Mannschaftsleistung im DSV-Team.

Die größte Überraschung lieferten wohl die Skispringer, die anfangs bei der populären Vierschanzentournee noch hinterher sprangen. Am Ende stand aber der Weltcup-Gesamtsieg von Severin Freund und die deutschen Springer als beste Mannschaft der Saison. Wer hätte das gedacht. Severin Freund legte einen beeindruckenden Saison-Endspurt im Jahr 2015 hin und schaffte bei den letzten Springen in Planica/Slowenien buchstäblich eine Punktlandung: Punktgleich mit Peter Prevc (Slowenien) gewann er die Gesamtwertung durch mehr Siege. Den Weg dahin ebnete ihm ausgerechnet Prevcs Landsmann Tepes mit einem Erfolg im letzten Springen. Es war für Freund das Glück des Tüchtigen und des Sympathischen.

Überhaupt waren die nordischen Skisportler Gewinner der Saison, vor allem die Kombinierer. Bei der WM in Falun war Deutschland Zweiter der Gesamtwertung hinter Norwegen mit insgesamt fünf Titeln und acht Medaillen. Allein im Langlauf hapert es, da müssen die Weichen neu gestellt werden. Ob die Kombinierer da Tipps geben können? An der Weltspitze tummeln sich auch Rodler und Bobfahrer, die das Wintermärchen abrundeten. Im alpinen Skisport lastet alles auf den Schultern von Viktoria Rebensburg, Felix Neureuther und Fritz Dopfer. Guter Nachwuchs ist in Sicht.

Natürlich gib es nicht nur Sonnenschein, zum Beispiel Eiskunstlauf und Eisschnelllauf haben einiges aufzuholen, aber die Gesamtbilanz des deutschen Wintersports ist schon beeindruckend. Die Sportfans lassen sich zudem vor den Bildschirm locken, ARD und ZDF haben bei den langen Wintersporttagen wesentlich mehr Zuschauer als sonst im normalen Programm am Samstag oder Sonntag am Nachmittag. Nummer 1 bleibt Biathlon, das allein noch Fußball den Vortritt lassen muss. Biathlon-Übertragungen hatten manchmal mehr Zuschauer als eine Unterhaltungssendung am Abend oder am Sonntag zuletzt Günther Jauch mit seiner Talkrunde! Nicht-Sportfans, die klagen, können mit einem Blick auf die Einschaltquoten eines Besseren belehrt werden.

Folgt dem deutschen Wintermärchen jetzt ein Sommermärchen? Ein Sommermärchen erhofft sich Deutschland mit der Olympia-Bewerbung von Hamburg für 2024 oder spätestens 2028. Doch da ist noch eine Weile hin. Aktuell ist, dass die Sommersportarten bei den TV-Einschaltquoten mit dem Wintersport nicht mithalten können. Zwar sorgen Tour de France, Wimbledon oder die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Peking für Highlights, aber das Sommermärchen der Deutschen findet eher am Badesee, am Grillplatz oder im Biergarten statt. Da kann nur Fußball locken. Insofern könnte man auch sagen, dass der Wintersport einen klimatischen Vorteil hat. Zu der Jahreszeit sitzen auch Sportfans gerne auf der Couch.

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