Neue Helden und alte Sorgen bei der Tour
von knospepeter
Die Tour de France 2019 hat die Sportfans wahrlich in ihren Bann gezogen, sie war spannend wie selten und Beobachter nannten sie eine „verrückte Tour“. Noch am letzten entscheidenden Tag in den Bergen kämpften fünf Fahrer um den Gesamtsieg, eine Dramaturgie wie aus einem Drehbuch. Dazu präsentierte die Tour 2019 neue Helden, zuerst natürlich den Sieger Egan Arley Bernal Gomez, erst 22 Jahre alt. Der Kolumbianer gilt als Jahrhunderttalent, er könnte eine Ära einläuten wie einst Eddy Merckx. Die Franzosen fieberten bei „ihrer Tour“ noch ein bisschen mehr mit, weil ihr Landsmann Julian Alaphilippe tagelang im Gelben Trikot fuhr. Wieder ein neuer Held. Und die Deutschen hatten Emanuel Buchmann, erstmals seit 2006 fuhr wieder ein deutscher Fahrer um den Sieg mit. Der Ravensburger wurde am Ende Vierter, nur drei Deutsche waren in 116 Jahren besser, Kurt Stöpel 1932 als Zweiter, Jan Ullrich 1997 als Sieger und Andreas Klöden 2004 und 2006 als Zweiter. Der neue Held Buchmann wird auch als neuer möglicher Tour-Sieger gehandelt. Die Tour 2019 war für die Zukunft der Rundfahrt und des Radsports ein Gewinn!
Neue Helden hat die Tour, aber sie hat auch alte Sorgen. Verrückter Sport auf der Straße kann die verrückten Spielchen im Hintergrund nur überdecken, sie tauchen aber wieder auf. Doping wird den Radsport wohl ewig begleiten und das Thema kam auch diesmal wieder auf den Tisch, obwohl der Verband erneut eine dopingfreie Tour seit 2015 feiert. Doch zwischen dem Nehmen und erwischt werden ist eben ein Unterschied. Es war ja eine Tour der Bergziegen, besonders schwer und deshalb auch der Anreiz besonders groß, zu leistungsfördernden Mitteln zu greifen. Ein altes Mittel geriet ins Gespräch, es heißt Aicar. Es verstärkt Ausdauer und Fettverbrennung ohne dass die Muskeln an Kraft und Effizienz verlieren. Aicar wird vom Körper selbst produziert, ähnlich wie Testosteron und steht bei der Dopingagentur Wada seit 2011 auf der Verbotsliste. Urintests gibt es seit 2014, es ist aber schwer nachweisbar. Ein Schatten bleibt also, auch weil die Rennställe sogar offen zugeben, dass sie nach leistungsfördernden, allerdings legalen Mitteln suchen. Vitamine, Mineralien und Ketonpräparate sollen den Stoffwechseln ankurbeln, oft wird ein Mix aus verschiedenen (erlaubten) Mitteln auf die Spitze getrieben. Ärzte warnen: Ob das schädlich ist oder nicht, ist noch nicht erforscht. Die Bergziegen im Radsport sind auch Versuchskaninchen. Der Sieg zählt mehr als die Gesundheit. Doping bleibt weiterhin ein Begleiter, ob illegal oder legal.
Es könnte auch sein, dass die verrückte Tour 2019 eine Ausnahme bleibt, weil eine Mannschaft das beherrschende Team in Radsport bleibt, Inoes, früher Sky. Es stellte in den letzten Jahren immer den Sieger und hat weiterhin neben dem neuen Helden Egan Bernal die letztjährigen Sieger Geraint Thomas und Christopher Froome unter Vertrag. Bei beiden Letztgenannten fuhren auch die Dopinggerüchte mit, der Kolumbianer Bernal kann auf natürliches Doping verweisen: Er lebt in der Nähe der Hauptstadt Bogota auf 2600 Metern Höhe und trainiert oft in Pacho, dem Geburtsort seiner Mutter auf 3600 Metern. 23 Kilometer ist der Anstieg lang mit 7,5 Prozent Steigung im Schnitt. Eine bessere Vorbereitung auf die Berge in den Pyrenäen und Alpen gibt es nicht. Sie werden für ihn wie Hügel gewesen sein.
Auch Emanuel Buchmann hat sich besonders vorbereitet, der 26-jährige Ravensburger hat einige Kilo an Gewicht abgenommen, um leichter für die Berge zu sein. Was die Ernährung angeht ist er wohl in besten Händen, denn Freundin Claudia ist Ernährungsberaterin. Eine Chance auf einen Rundfahrtsieg hat Buchmann allerdings nur, wenn das Team auch stark genug ist. Bei Bora-hansgrohe war bisher Sprintkönig Peter Sagan der Star, der zum siebten Mal das Grüne Trikot gewann. Auf ihn war die Erfolgsstrategie abgerichtet, Buchmanns gute Leistung fast nur willkommenes Beiwerk. Er bräuchte mehr Helfer wie den Österreicher Gregor Mühlberger, der in den Bergen stets an seiner Seite war. „Wir brauchen mehr Bergfahrer“, sagt Buchmann, doch was sagt sein Chef Ralph Denk? Außerdem: Laut Sport-Bild kassiert Sagan vier Millionen Euro im Jahr, Buchmann ist mit 750.000 dagegen fast schon ein armer Hund. Die Zukunft wird es zeigen, es wird spannend bleiben und wohl auch immer ein bisschen verrückt.
In Deutschland hält sich die Begeisterung für die Tour übrigens in Grenzen, die TV-Einschaltquoten bei der ARD beweisen dies, sie lagen meist bei rund 1,5 Millionen Zuschauer. Erfolgszahlen sind das keine.
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