Jogi Löw belügt sich selbst – Keine Pokal-Festtage für die Amateure
von knospepeter
Der Tatort in der ARD besiegte in der Gunst der Fernsehzuschauer am Sonntag die Fußball-Nationalmannschaft im ZDF. Über 8 Millionen Zuschauer entschieden sich für den Krimi, nur rund 6,5 Millionen waren der Meinung, das Länderspiel gegen die Schweiz könnte spannender sein. Diese Zahlen verdeutlichen den Werteverfall der DFB-Elf, einst ein zuverlässiger Quotengarant im Fernsehen. Aber: Gute Länderspiele sind selten geworden, der Spaß blieb zuletzt auf der Strecke zwischen Corona-Pandemie, Geisterspielen und zur Nations League aufgemotzten Freundschaftsspielen. Nur noch Großereignisse wecken Interesse oder wenn es wirklich um etwas geht. Bayern Münchens Sieg in der Champions League sahen über 12 Millionen Zuschauer.
Dazu kam, dass sich Bundestrainer Joachim Löw nicht als pflichtbewusster Werbeträger des Verbandes präsentierte. Ganz im Gegenteil, er beschwerte sich über den Terminkalender, über den Stress und stellte Experimente über den sportlichen Erfolg. Dabei merkt der Bundes-Jogi gar nicht, dass er sich selbst widerspricht und belügt. Herausgekommen sind zwei 1:1 gegen Spanien und die Schweiz, die Spiele waren nur zum Teil ansprechend und die naheliegende Rotation hat Löw gescheut. Deutschland ist in der Nations League bisher nach sechs Spielen immer noch ohne Sieg – eine Bilanz, die den Trainer in Frage stellen könnte. Löw hat dennoch eine erfolgreiche Zukunft im Auge: „Bei der Europameisterschaft 2024 im eigenen Land wollen wir eine siegfähige Mannschaft haben.“ Bis dahin kommen die TV-Quoten bei dieser Entwicklung im Keller an. Oder es gibt ein Oktober-Fest, am 10. Oktober in der Ukraine oder spätestens drei Tage später in Köln soll der erste Sieg in der Nations League her.
Gut, es gibt Entschuldigungen für Löw. Eine vernünftige Vorbereitung auf die Länderspiele war nicht möglich, viele Spieler waren nicht fit, andere kamen gerade aus dem Urlaub, Spielpraxis war Mangelware. Die Gegner hatten allerdings die gleichen Probleme. Vernunft ließ Löw walten, als er auf die in der Champions League strapazierten Spieler aus München und Leipzig verzichtete. Die dürfen sich jetzt doppelt als Gewinner sehen, denn keiner der Konkurrenten auf dem Feld kann Stammplatzansprüche stellen. Es gab mehr Fragezeichen als Antworten.
Jogi Löw muss sich vor allem auch die Frage stellen, ob sein geliebter Toni Kroos wirklich der große Chef im Mittelfeld ist. Zusammen mit Ilkay Gündogan bildete er zweimal die Mittelfeldachse, doch dominant waren sie nicht, sie übernahmen keine Führung, vor allem verbal nicht. Da fehlte ein Antreiber wie Joshua Kimmich, der im Verbund mit Leon Gorotzka bei Bayern Tempo reinbringt. Überhaupt, Löw sollte sich seinen einstigen Assistenten Hansi Flick zum Vorbild nehmen und das Bayern-Spiel auf die Nationalmannschaft übertragen. Bei Neuer, Kimmich, Gorotzka und Gnabry sowie Süle und Sané, die trotz mangelnder Fitness positive Akzente setzten, weiß er, was er hat. Dagegen weiß er bei Julian Draxler was er nicht hat und es könnte sein, dass der für Vertragsverhandlungen freigestellte Kai Havertz ebenso als ewiges Talent endet, das die Hoffnungen nicht erfüllen kann. Ein Fragezeichen bleibt auch Timo Werner, einen echten Mittelstürmer bzw. Torjäger wird Jogi Löw womöglich noch oft vermissen, weil ohne Tore Siege Mangelware sein werden. Erstaunlich ist, dass Löw die Chance verstreichen ließ, weitere Kandidaten aus der zweiten Reihe zu testen, zumal er ja auf eine gewisse Schonung der Spieler bedacht sein wollte.
Übrigens haben sich die Verantwortlichen rund um die Nationalmannschaft selbst ins Knie geschossen, dass sie die Mannschaft von Stuttgart zum nur rund 250 Kilometer entfernten Basel fliegen ließen. Der DFB hat sich vermehrt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgesprochen, praktiziert es aber nicht. Ein schwaches Argument, dass eine Busfahrt die Fitness der Spieler beeinträchtigen würde. So waren die Länderspiele keine Werbung, sondern eher Anti-PR für den Verband. Nicht nur Löw hat sich also selbst belogen.
Amateure gehen lieber auf Reisen
Busfahrten kennen die Amateur-Fußballer zur Genüge. Sie fliegen höchstens privat in den Urlaub, aber nicht zu ihren Spielen. Busfahrten werden sie auch am kommenden Wochenende im DFB-Pokal vielfach auf sich nehmen, denn den heiß ersehnten Festtag im Pokal, wenn Bundesligisten zu Gast sind und in ein Kleinstädten und Dörfern Ausnahmezustand herrscht, wird es in diesem Jahr nicht geben. Das Virus Covid-19 raubt den Spaß, die meisten Amateurvereine sehen sich nicht in der Lage, die erforderlichen Hygienemaßnahmen zu stemmen und treten lieber beim Gegner aus dem Profibereich an. Dazu kommt, dass nur einige Vereine auch eine begrenzte Anzahl von Zuschauern zulassen können, ein Ertrag für die Klubkasse bleibt so oder so nicht übrig.
Statt dem besonderen Erlebnis zu Hause, weil der Deutsche Meister kommt, gibt es jetzt zumindest für die Spieler das Erlebnis in einer Bundesliga-Arena antreten zu können. So wie die Fußballer aus Düren, die allerdings erst am 15. Oktober bei den Bayern antreten werden, weil der Triple-Sieger erst in diesen Tagen wieder mit dem Training beginnt. Aber die Dürener freuen sich schon heute auf die Allianz-Arena. Bereits am Wochenende treten u. a. Havelse in Mainz, Celle in Augsburg, Oberneuland in Mönchengladbach, Straubing in Gelsenkirchen oder Norderstedt in Leverkusen an. Es wird also viele Busfahrten geben. Zum Glück gibt es ja seit einigen Jahren auch viel Geld, was vor allem den Amateuren hilft. 175.000 Euro gibt es für die erste Runde im DFB-Pokal und meistens tragen die Profi-Klubs die Organisationskosten in ihren Stadien selbst. Darüber hinaus könnten sie die Amateure finanzielle unterstützen, zum Beispiel bei den Fahrtkosten. Das wäre für diese wenigstens ein bisschen ein Ausgleich für das entgangene Fest zu Hause und der DFB-Pokal dann doch so etwas wie ein Lotto-Gewinn.