1000 Grand Prix von Ferrari: Eher Tränen statt Freude
von knospepeter
Ein Nachbar fährt einen (natürlich) roten Ferrari. Das Röhren des Straßenflitzers war nicht zu überhören, wenn er an schönen Wochenenden die Garage verlassen durfte. Stolz wurden ein paar Runden gedreht, die Nachbarschaft sollte wohl ein bisschen neidisch werden. Das Röhren ist aber schon lange nicht mehr zu hören. Hat er den Flitzer verkauft? Oder muss der Ferrari jetzt in der Garage bleiben, weil es derzeit keine Neider, sondern höchstens Spötter geben würde, nach dem Motto: „Was, Du fährst so eine Schrottkiste?“
Ferrari ist ein Trauerfall, dabei sollten am Sonntag alle Ferrari-Fans strahlen, der 1000. Grand Prix der einst so erfolgreichen Scuderia steht an. Die Bosse der Formel 1 haben das Rennen eigens auf die Hausstrecke des Rennstalls nach Mugello vergeben. Doch Freude will nicht aufkommen, der Bolide mit der Jubiläumsbezeichnung SF 1000 ist kein flotter Flitzer, sonder eine lahme Ente. Es werden in diesem Jahr keine Preise eingefahren, sondern man kann sich eher nach Schrottpreisen erkundigen. Das Schlimme dabei ist, dass Teamchef Mattia Binotto und sein Team einen hilflosen Eindruck machen und eine Besserung nicht in Sicht ist. So schwelgt man am Sonntag wohl eher in Erinnerungen, zum Beispiel an Michael Schumacher, der von 2000 bis 2004 fünf Titel in Serie holte. Heute liegt Ferrari in der Konstrukteurswertung gerade mal auf Rang sechs.
Die Fahrer sind natürlich die Leidtragenden, wenn das springende Pferd von Ferrari keine Sprünge mehr macht. Sebastian Vettel kann das inzwischen egal sein, bei ihm kommt wohl eher heimliche Freude auf, dass er die Leiden mit Ferrari hinter sich lassen kann. Binotto wollte den Deutschen nicht mehr, der nicht den Eindruck machte, als könnte er die Erfolge von Schumacher zurückbringen. Doch der hatte damals wohl ein besseres Team um sich und damit auch ein besseres Auto. So wird Vettel die Ausnahme sein, der sich auf das 1000. Rennen von Ferrari freut, weil er weiß, dass er nächstes Jahr voraussichtlich in einem schnelleren Auto sitzen wird. Er wechselt zu Aston Martin, der legendäre Hersteller übernimmt den Rennstall Racing Point, der gerade mit Platz drei in Monza auf sich aufmerksam machte und zwei Plätze vor Ferrari in der Team-Wertung rangiert. Also Trauer wird bei Vettel nicht aufkommen.
Nicht nur die Ferrari-Fans hoffen darauf, dass aus der lahmen Ente wieder ein Siegerauto wird. Ferrari braucht Siege, die Formel 1 braucht Ferrari. Nicht umsonst hieß es früher, Ferrari ist bedeutender als der Grand-Prix-Sport selbst. Die Italiener produzieren seit den 50er Jahren sensationelle Sportwagen, die Strahlkraft ist eigentlich ungebrochen, bei einer Umfrage nach der beliebtesten Marke in 70 Jahren Formel 1 liegt Ferrari mit 60 Prozent weit in Führung vor Mercedes mit 13 Prozent. Die Grand-Prix-Bilanz spricht auch für sich, 1000 Rennen, 238 Siege, 16 Team- und 15 Einzeltitel. So gibt es ein Strahlen über glorreiche Vergangenheit, aber leider nur Tränen über die triste Gegenwart mit einem schwachen Motor und katastrophaler Aerodynamik. Dort, wo Ferrari draufsteht, ist kein echter Ferrari drin. Ein trauriges Jubiläum.