Corona und Geldgier: Schatten über der Champions League

von knospepeter

Der Profi-Fußball ist heute Sport-Unterhaltung und soll für Vereine und Verbände vor allem ein Geschäft sein, das weiß jedes Kind. Und dennoch träumen die Fans von alten Zeiten, wo es vor allem um Fußball ging. Deshalb wird besonders kritisch hingeschaut, wenn die Spitzenvereine am System basteln, das nur ein einziges Ziel hat: Noch mehr Einnahmen. Derzeit gibt es deshalb zwei Feinde für den Profi-Fußball: Die Corona-Pandemie und die Geldgier. Erstes soll durch medizinischen Fortschritt besiegt werden, das andere ist nicht heilbar! Schatten fallen derzeit vor allem auf die Champions League.

In der Saison 20/21 naht in der Champions League die Entscheidung, wenn in dieser und der nächsten Woche das Viertelfinale ausgetragen wird. Daneben steht aber noch ein bedeutenderer Termin am 19. April an, wenn es nämlich zum die Zukunft der CL geht. Die Gedankenspiele sind schon weit fortgeschritten und teilweise hanebüchend, weil die Spitzenvereine nach Möglichkeiten suchen, einerseits mehr zu kassieren, andererseits aber auch eine gewisse Garantie der ständigen Teilnahme zu erhalten. Die Geldquelle soll schließlich nicht versiegen. Als Grund für den Freifahrtschein für Top-Vereine nennen sie unverfroren „nur so kann eine Super-League verhindert werden“. Die CL soll also mehr oder weniger eine verkappte Super-League werden, welche die sportliche Qualifikation über die nationalen Ligen fast unbedeutend werden lässt. In gewisser Weise machen sich die Vereins-Bosse mit diesen Argumenten lächerlich, die Spannung in den nationalen Ligen wird nämlich weniger.

Ein Argument sticht: Die jetzige Gruppenphase ist oft langweilig, besser wären K.o.-Runden von Beginn an, aber dann ließen sich die derzeitigen Einnahmen nicht erzielen. Doch mit dem neuen System ab 2024 wird die Langeweile nicht vertrieben. Geplant ist eine Aufstockung von 32 auf 36 Teilnehmer (der perfide Vorschlag ist, dass die vier Plätze an die in der Vergangenheit erfolgreichsten Vereine vergeben werden sollen, so dass zum Beispiel der FC Liverpool Teilnehmer wäre, auch wenn er in England nur Siebter wird!), gespielt werden soll nach dem „Schweizer System“, alle 36 Teams in einer Liga, jede Mannschaft hat acht oder zehn Spiele, die Gegner werden mit Berücksichtigung der Erfolge zugelost. Es gibt eine Tabelle, die besten Vereine qualifizieren sich direkt für die K.o.-Runde, der Rest spielt noch eine Qualifikation, keiner scheidet also vorzeitig aus. Wo ist da die Spannung? Pferdefuß auch: Es soll noch mehr Spiele geben, 225 statt derzeit 125, dabei stoßen Spieler und Vereine bereits an ihre Leistungsgrenzen. Der Mensch zählt nichts, das Geld dafür umso mehr. Antreiber der Reform ist vor allem die Vereinigung der Spitzenteams (ECA), deren Vorsitzender Andrea Agnelli ist, Boss von Juventus Turin. Bezeichnend, dass die Spitzenklubs schon eine Gesellschaft gegründet haben, die sich um die Vermarktung kümmern soll. Die UEFA soll wohl ausgebootet werden, die Champions League zur Super League durch die Hintertür werden! Auf die Fans, die dieses Geschäftsgebaren ablehnen, wird nicht gehört.

Angesichts dieser Aussichten geht dem Betrachter der Spaß am laufenden Wettbewerb ein bisschen verloren, dabei stehen im Viertelfinale reizvolle Duelle an. Im Mittelpunkt steht natürlich die Neuauflage des letztjähriges Endspiels, wenn sich Bayern München und Paris St. Germain gegenüberstehen. Beide Teams können auf beeindruckende Bilanzen verweisen, beide haben aber auch personelle Sorgen. Die Bayern müssen auf Torjäger Robert Lewandowski verzichten, Paris hat ein Corona-Problem, die Mittelfeldasse Verratti und Florenzi befinden sich in Quarantäne. Die Bayern wollen auf jeden Fall ihre Siegesserie fortsetzen, sie sind seit 19 Spielen in der CL ungeschlagen (18 Siege, 1 Remis), 20 Spiele hat bisher nur der Rekordhalter übertrumpft: Manchester United mit 25 ungeschlagenen Spielen von 2007 bis 2009. Die Bayern sind übrigens das torgefährlichste Team seit der letzten fünf Jahre mit 2,8 Treffern pro Spiel, dahinter folgt Paris mit einem Schnitt von 2,5! In den letzten 43 Spielen in der CL blieb Paris nur einmal torlos – im Finale von Lissabon beim 1:0-Sieg der Bayern! Noch ein gutes Omen für die Münchner: Fünfmal trafen die Endspielgegner im nächsten Wettbewerb wieder aufeinander, immer siegte der Titelverteidiger.

Borussia Dortmund bekommt es mit Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola und Manchester City zu tun. Die Voraussetzungen könnten unterschiedlicher nicht sein: Da der Tabellenführer der Premier League, dort der Fünfte der Bundesliga, der bei sieben Punkten Rückstand auf Platz vier um die nächste Teilnahme an der Champions League fürchtet. Kein Wunder, dass die Stimmung in Dortmund nicht gut ist. „Die Mannschaft steht in der Verantwortung“, hat Boss Watzke noch einmal betont, „ich schütze die Mannschaft nicht mehr“. Wenn die direkte Qualifikation nicht klappt, führt der Weg nur über den Titelgewinn in der CL! Zwei deutsche Trainer sind außerdem beteiligt. Jürgen Klopp trifft mit dem FC Liverpool im Schlagerspiel auf Real Madrid, zwei Mannschaften, die durch Verletzungsprobleme in den nationalen Meisterschaften nicht so erfolgreich sind wie in den vergangenen Jahren. Thomas Tuchel hat mit Chelsea London mit Portugals Meister FC Porto das vermeintlich leichteste Los gezogen, doch das kann trügerisch sein. Porto ist ein CL-Spezialist und Chelseas Generalprobe fiel mit der 2:5-Niederlage gegen den Vorletzten West Bromwich verheerend aus. Zudem gab es Knatsch im Training, Nationalspieler Rüdiger wurde vorzeitig zum Duschen geschickt.

Erste Glückwünsche an Bayern

Es war eine Sache des Willens, die Bayern haben bewiesen, dass sie es auch mit Einsatz machen können, wenn die spielerischen Mittel nicht klappen. Der 1:0-Sieg im Bundesliga-Spitzenspiel in Leipzig wurde erkämpft, ohne den verletzten Torjäger Lewandowski musste ein Lichtblick her: Kimmichs langer Pass auf Müller, der Vorlagenkönig zurück zu Goretzka und der „Scoretzka“, die ihn die Fans jetzt nennen, netzte mit einem Gewaltschuss ein. Leipzig hatte mehr und bessere Chancen, doch Bayern-Keeper Neuer musste nur eine Glanztat vollbringen. Jetzt gingen schon die ersten Glückwünsche bei den Bayern ein, weil die Statistik eindeutig ist: Wer am 27. Spieltag sieben Punkte Vorsprung hatte, wurde bisher auch Meister. Den Kampfgeist werden sie weiter brauchen, der Stress lässt nicht nach, schaffen sie den Sprung ins CL-Halbfinale, gibt es im April nur englische Wochen.

Leipzig muss jetzt um die Vizemeisterschaft kämpfen, die Verfolger Wolfsburg und Frankfurt lassen nicht locker. Sehr zum Leidwesen von Borussia Dortmund, dass anders als die Bayern nicht auf den Punkt topfit war. Die 1:2-Niederlage gegen Frankfurt könnte viel Geld kosten, auch hier sieben Punkte Rückstand jetzt auf die Qualifikation für die Champions League. Dabei gibt es in Dortmund doppelten Ärger. Einmal Unverständnis über die Leistung der Mannschaft, zum anderen über das Benehmen des Haaland-Clans, denn Vater und Berater des torlosen Torjägers Erling Haaland verhandelten offensichtlich in Madrid und Barcelona über einen Vertrag. Und das vor einem wegweisenden Spiel seines Vereins! Ohne Champions League heißt für das nächste Jahr wohl auch ohne Haaland, notfalls wird sich sein Clan wegstreiken.

Ohne Champions League muss wohl auch in Leverkusen und Gladbach geplant werden, dort ist jetzt die Europa League das Ziel, beide Klubs haben wieder in die Spur gefunden, mit neuem und mit altem Trainer. Aber auch Union Berlin und Stuttgart mischen noch mit. Apropos VfB, der feierte mit dem 1:0 gegen Bremen ein Jubiläum – den 750. Bundesligasieg. Beim FC Augsburg war es erst der 100. Sieg seit dem Aufstieg 2011. Das 2:1 gegen Hoffenheim war aber wertvoll, der Klassenerhalt ist zwar nicht perfekt, kann aber als ziemlich sicher angesehen werden.

Den Teams am Tabellenende fehlen nämlich die Siege, Unentschieden bringen niemanden weiter, es bleibt alles beim Status quo. Schalke gilt als Absteiger und plant für die zweite Liga, u. a. mit Trainer Grammozis. Köln erlitt als einziger eine Niederlage, Mainz und Bielefeld im direkten Duell und ebenfalls die Hertha mit einem (wertvollen) 1:1 im Stadtderby gegen Union kamen nicht groß voran. Gerade Mainz muss aber jetzt punkten, nächster Gegner ist wieder ein Konkurrent im Abstiegskampf, nämlich Köln. Ein Blick auf das Restprogramm zeigt, dass vor allem Bielefeld die dicksten Brocken hinter sich hat. Aber in den ausstehenden sieben Spieltagen bis zum 22. Mai ist noch vieles möglich.

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