Bayern München vor ungewisser Zukunft oder für immer Meister?
von knospepeter
Der FC Bayern München ist wieder Deutscher Fußball-Meister und die Konkurrenz hat wieder eine günstige Gelegenheit verschlafen. Noch ist die Saison 2020/21 nicht beendet, aber an der Spitze war es wie immer (siehe auch nachfolgend „Bundesliga-Endspurt: Mehr Spannung geht nicht“). Zum neunten Mal in Folge holten die Bayern die Schale und mancher fragt sich, „werden die Münchner jetzt immer Meister?“ Auf den ersten Blick müssen die Freunde der Spannung und Abwechslung diese Befürchtung hegen, doch irgendwann hat alles ein Ende (bekanntlich hat nur die Wurst zwei) und es gibt auch Anzeichen, dass der Dauer-Sieger eher vor einer ungewissen Zukunft steht. Also gibt es doch Spannung: Was bringt die Zukunft?
Wieder einmal stehen die Bayern vor einem Umbruch. In den letzten Jahren schon gab es Fragezeichen, als Stützen wie Lahm und Schweinsteiger ihre Karriere beendeten oder Stars wie Robben und Ribery keine neuen Verträge mehr bekamen. Bekanntlich hat die Leistung nicht gelitten, Titel wurden dennoch gehamstert. Zuletzt war allerdings eine Menge Glück dabei, denn mit Niko Kovac als Trainer sah die Zukunft nicht gerade rosig aus, dass Hansi Flick, bis dahin Assistent, so einschlagen und die Mannschaft gleich zum Triple und insgesamt sieben Titeln führen würde, konnte niemand vorhersagen. Es passte einfach alles, bis auf den Knatsch zwischen dem harmoniebedürftigen Coach und dem auftrumpfenden Sportvorstand Hasan Salihamidzic, der wohl deutlich machen wollte, wer hier der Chef ist. Deshalb steht der Verein nach dem Triumph vor einer ungewissen Zukunft.
Vor allem auch, weil sich in der Führungsetage entscheidendes tut. Als Uli Hoeneß das Schiff verließ, da war er schon nicht mehr der Alleinherrscher und hielt dennoch im Hintergrund die Zügel weiterhin in der Hand, so dass der Wechsel zu Herbert Hainer geräuschlos verlief. Einschneidender wird es sein, wenn Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge Ende des Jahres aufhört und das Kommando an Oliver Kahn übergibt. Kann ein Neuling trotz guter Einarbeitungszeit einen alten Recken mit besten internationalen Verbindungen ohne Probleme ersetzen? Hält ein unerfahrener Kapitän das Schiff auf Kurs? Schafft er es, weiter für den entscheidenden Vorteil zu sorgen, dass die Bayern gegenüber der Konkurrenz einfach die besseren Spieler haben?
Oliver Kahn selbst mahnt in Interviews bereits zur Vorsicht. „In den kommenden Jahren wird viel um die Mannschaft herum passieren“, orakelt er bereits und macht zudem deutlich in Richtung Neuverpflichtungen, „ein Paket für 100.000 Euro ist nicht denkbar“. Hat er das auch dem neuen Trainer Julian Nagelsmann gesagt? Der Nachfolger vom wohl künftigen Bundestrainer Hansi Flick wird allgemein gelobt und er darf ab der neuen Saison seinen Traum vom Bayern-Trainer leben. Aber er bekommt auch auf den Weg, dass er vermehrt junge Talente heranführen soll, ohne dass die Leistung nachlässt und Titel gefährdet werden. Die zehnte Meisterschaft in Folge ist im Visier, das hat in den großen europäischen Ligen noch kein Klub geschafft.
Aber es gibt wieder einen Umbruch im Team, David Alaba zieht wohl zu Real Madrid, Javi Martinez peilt neue Ziele an, er war lange Zeit ein Garant für Erfolge, weil er im Mittelfeld aufräumte, die Zeit ist auch für Jerome Boateng abgelaufen, so dass es Nagelsmann mit einer vollkommen neuen Abwehr versuchen muss, aber auch ohne einen Sicherheitsmann wie Martinez im Mittelfeld auskommen muss. Diese robuste Rolle können Kimmich und Goretzka nicht spielen. Abwehrprobleme offenbarte der Meister auch in dieser Saison, mit 40 Gegentreffer (bis jetzt) wird man normal nicht Erster. Künftig wird in der Abwehr französisch gesprochen, neben Lucas Hernandez (25 Jahre alt) soll Neuzugang Dayot Upamecano (22) für Halt sorgen, dazu kommt Talent Tanguy Nianzou (18), der in seinem ersten Jahr von Verletzungspech verfolgt war und auf dem Feld eher unglücklich agierte. Niklas Süle (25) gibt es auch noch, einst von Nagelsmann in Hoffenheim zum Nationalspieler geformt, was für einen Verbleib des Abwehrrecken spricht. Wenn die Vereinsbosse es wollen.
Verstärkung sollte es im Mittelfeld geben, auf den Flügeln wird auch eine Ergänzung zu Coman, Gnabry und Sané gesucht, die Leistungen waren bei allen zuletzt nicht gerade konstant genug. Hoffnung macht Jamal Musiala (18). Die Maschinenmeister im Angriff waren vor allem Robert Lewandowski (32) und Thomas Müller (31). Aber wie lange können die „Dreißiger“ ihre Form noch halten? Von den Leihspielern Cuisance (Marseille), Fein (Eindhoven) oder Zirkzee (Parma) ist ebenso wenig eine Verstärkung zu erwarten wie von den Neuzugängen in dieser Saison Sarr und Roca (bei ihm besteht noch Hoffnung), Costa wird den Verein wieder verlassen. Es fehlt den Bayern in der Breite des Kaders an Qualität für eine sorgenlose Zukunft. Diesbezüglich also mehr Ungewissheit. Die Achse Neuer-Kimmich-Müller-Lewandowski allein wird es nicht richten können.
Julian Nagelsmann hat einen Vertrag für die Dauer von fünf Jahren unterschrieben. „Wir wollen hier Kontinuität“ hat Oliver Kahn betont, aber ob die neuen Vereinsbosse wirklich die Geduld aufbringen, wenn die Meister-Serie mal reißt? Schneller reißt wahrscheinlich der Geduldsfaden. Eher steht also Bayern München vor einer ungewissen Zukunft, als dass die Fußball-Fans Angst haben müssten, dass es nie mehr einen anderen Deutschen Meister gibt.