Flick-Fußball macht Appetit auf mehr

von knospepeter

Liechtenstein? Was war noch mal in Liechtenstein? Vergessen wir das unansehnliche Spiel gegen den Fußball-Zwerg und die 2:0-Pflichtübung der unmotivierten Stars gegen die ehrgeizigen Amateure. Das war eine Erinnerung an den alten Löw-Fußball. Abgehakt, denn jetzt gibt es Flick-Fußball. Der zeigte sich am Sonntag beim 6:0 über den bisherigen Tabellenführer (!) der Gruppe J Armenien. Da stimmte das ganze Drumherum, die Mannschaft zauberte, begeisterte, schoss schöne Tore und das Publikum in Stuttgart war schier aus dem Häuschen. Wann hatte es dies zuletzt bei der Nationalmannschaft gegeben! Das macht Appetit auf mehr und am Mittwoch gegen Island sollte es in der WM-Qualifikation keinen Rückfall geben. So wollen wir die DFB-Auswahl immer sehen! Liechtenstein? Liechtenstein darf sich nicht wiederholen.

In den ersten Flick-Tagen drangen vom Training der Nationalmannschaft nur positive Nachrichten nach außen. Der neue Bundestrainer war begeistert, wie die Spieler mitzogen, wie sie die Vorgaben umsetzten und welche Fortschritte sie machten. Vor einem Rückfall in alte Gewohnheiten ist der Mensch nie gefeit, auch ein Fußball-Profi nicht. So bekamen die Fans das im Training gezeigte erst verspätet zu sehen, die Mannschaft hatte sich den neuen Schwung für die Heimpremiere aufgehoben. Plötzlich war vieles anders, schnell gespielt, trickreich, starkes Pressing – so wie es der Trainer will. Plötzlich spielte auch Leroy Sané anders als zuletzt, trickreich, einsatzfreudig und erfolgreich in der Defensivarbeit. Da pfeift ihn niemand mehr aus. Die weiteren Gewinner: Serge Gnabry, der wieder einmal seine Torjäger-Qualitäten zeigte, wie von Flick gefordert mit dem Mut zum Risiko. Oder Leon Goretzka, sein Spielwitz stellte Armenien vor Probleme. Die Bayern-Spieler dominierten, die DFB-Auswahl zeigte den Bayern-Fußball unter Flick. Das war ja auch die Hoffnung, dass Flick dies der Mannschaft als Bundestrainer implantieren könnte.

Der Trainer selbst bleibt vorsichtig, was die nächsten Spiele angeht, vor allem, wenn mal größere Kaliber anstehen. Am Mittwoch geht erst nach Island und alle begutachten: War das nur eine Eintagsfliege oder wirklich der neue Fußball? Wir werden sehen. Es gab auch weitere Gewinner, die ihre Leistung bestätigen müssen, wie Marco Reus zum Beispiel, der quasi als Müller-Ersatz der Lenker im Hintergrund war, oder Jonas Hofmann und Thilo Kehrer, die auf ungewohnten Außenverteidiger-Rollen ihren Mann standen. Und Hoffnung machen auch die Youngster, angefangen von Musiala über Wirtz bis zum glücklichen Torschützen Karim Adeyemi. Das ist die Zukunft. Der eine andere verliert da vielleicht den Anschluss, Ilkay Gündogan zum Beispiel, mit ihm verliert das Spiel an Tempo.

Deutschland überzeugte also ganz im Gegensatz zu anderen sogenannten großen Nationen, die noch das eine oder andere Problemchen haben. Spanien unterlag in Schweden, Frankreich spielte gegen Bosnien und Ukraine zweimal nur 1:1, das war auch das Ergebnis der Niederlande in Norwegen (Tor Haaland) beim Comeback von Louis van Gaal als Bondscoach. Italien spielte auch nur zweimal Remis gegen Bulgarien und die Schweiz, stellte aber dennoch einen neuen Weltrekord auf: 36 Pflichtspiele in Folge ungeschlagen. Damit ging Italien an Spanien und Brasilien (beide 35) vorbei.

Der Sport hat es in der Corona-Pandemie schwer, vor allem der Profi-Fußball tut manchmal so, als wenn es Covid-19 nicht gebe. So ignoriert auch die FIFA alle Beschränkungen, die einzelne Nationen ausgesprochen haben und will ihre WM-Qualifikation für 2022 durchziehen. Zu was das führen kann, zeigte sich in Brasilien. Dort wurde das Spiel gegen Argentinien nach wenigen Minuten abgebrochen, weil vier argentinische Spieler falsche Angaben zu ihren Reiseländern gemacht hatten. Sie spielen in England und hätten in Quarantäne gemusst. Das Gesundheitsamt reagierte mit Verspätung und holte sie vom Feld. Auch eine Frechheit, hier wollte wohl jemand Publicity haben, aber die Bestimmungen sind halt so. Da marschierte sogar die Polizei auf und nicht nur die Paris-Freunde Neymar und Messi schauten dumm aus der Wäsche. Blamiert sind der Verband Argentinien, die Spieler und die FIFA, vor allem ihr Boss Infantino.

Spitzenspiele in der Bundesliga

Die Nationalmannschaft hat begeistert, jetzt will auch die Bundesliga wieder begeistern und am 14. September beginnt die Champions League. Die Bundesliga meldet sich gleich mit Schlagerspielen zurück, nämlich mit den Duellen Leverkusen – Dortmund und Leipzig – Bayern am Samstag. Die Form der Teams ist nach der Länderspielpause immer mit einem Fragezeichen zu versehen: Wer hat die Reisestrapazen besser verkraftet und welche Ausfälle gibt es? Wer kommt gleich wieder in Schwung? Meister Bayern hat da oft Probleme, interessant ist aber die Rückkehr von gleich drei Ex-Leipzigern, nämlich Trainer Julian Nagelsmann, Abwehr-As Upamecano und Marcel Sabitzer, der aber vielleicht noch verletzt pausieren muss. Die nächsten schweren Aufgaben warten für beide Teams, Leipzig muss in der Champions League zu Manchester City, die Bayern zum FC Barcelona. RB-Trainer Jesse Marsch verspricht: „Gegen die Besten zu spielen, bedeutet Vollgas für uns.“

Vollgas soll künftig auch Pal Dardai mit Hertha BSC geben. Der Trainer bekam von Sportchef Freddi Bobic einen Rüffel nach seinem Lamentieren, jetzt müssen Punkte her, da gibt es beim Schlusslicht noch eine Fehlanzeige. Bobic hat versucht, das Team noch zu verstärken, so sind Siege in den nächsten beiden Spielen Pflicht, nämlich in Bochum und gegen Fürth. Alles andere würde Abstiegskampf pur bedeuten. An der Tabellenspitze will der VfL Wolfsburg seinen Platz an der Sonne verteidigen, es wäre aber eine der seltsamen Ergebnisse, die es im Sport immer gibt, wenn Wolfsburg ausgerechnet beim Neuling in Fürth verlieren würde, der in der Bundesliga noch keine einziges Heimspiel gewonnen hat!

Ruhe gibt es vorerst wenigstens an der Wechsel-Front, die Transferzeit ist (mit Ausnahmen) abgelaufen. Die Bundesliga bildete in Corona-Zeiten eine rühmliche Ausnahme, übte sich in Zurückhaltung und machte sogar einen Transfergewinn von 53 Millionen Euro. Vor allem die Premier League zeigte sich von Corona unbeeindruckt, finanzielle Probleme kennt man auf der Insel nicht, 1,572 Milliarden Euro gaben die Klubs für neue Spieler aus, verkauften für 1,34 Milliarden, was ein Minus von 232 Millionen bedeutet. Die Bundesliga also als Armenhaus, da kann wohl nur ein Scheich-Verein wie Paris mithalten, wobei aber Superstar Messi ablösefrei kam. Wenn Stars wie Messi und Cristiano Ronaldo die Fronten wechseln, braucht man sich über Geldbewegungen nicht wundern, es geht ja nicht nur um Ablösesummen. Teuer sind vor allem die Gehälter und die Provisionen für die Berater, die eher Abkassierer heißen sollten. Ab jetzt zählt aber erst einmal nur der Sport, es geht um Punkte, nicht um Geld. Die beste Währung ist guter Fußball, damit sich die Fans begeistern können.

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