Dortmund will den Titel nicht
von knospepeter
Kurze Zeit sah es so aus, als sollte in der Fußball-Bundesliga eine neue Ära anbrechen: Die Bayern schwächelten und Borussia Dortmund rumpelte sich jeweils zu 1:0-Siegen, zeigte Stärken, die sonst den Münchner zugeordnet werden: Schlecht spielen und dennoch gewinnen. Auf vier Punkte schrumpfte der Bayern-Vorsprung, Unruhe machte sich schon breit und es klang nach Selbstberuhigung, als Trainer Julian Nagelsmann kundtat: „Wenn wir alle Spiele gewinnen, werden wir Meister.“ Oder die Dortmunder gewinnen nicht und fallen in alte Muster zurück. So ist es nämlich, alles wieder wie vorher: Die Bayern trumpfen auf und Dortmund kann die Erfolgsserie nicht fortsetzen (1:1 in Köln). Wieder sechs Punkte Rückstand und wie schon so oft nur ein kurzer Borussia-Hoffnungsschimmer und die ernüchternde Feststellung: Dortmund will den Titel nicht.
Das 1:1 zuletzt gegen Leverkusen schmerzte den Dauer-Meister, doch dann war es sogar eine gute Bayern-Woche. Zuerst in der Champions League ein bisschen Los-Glück, nicht ein Kaliber wie Liverpool (evtl. im Halbfinale) oder Manchester City, sondern der FC Villarreal, immerhin Überraschungssieger gegen Juventus Turin. Auch die Ausfälle in der Abwehr waren nicht so schlimm wie befürchtet, Süle (verletzt) und Pavard (Corona) fielen aus, aber die franzöische Junioren-Abwehr Upamecano/Nianzou schlug sich gegen Union tapfer. Vor allem der erst 19-jährige Tanguy Nianzou beeindruckte. Er galt als großes Talent, als er vor zwei Jahren aus Paris geholt wurde, bekam in München aber kaum Einsatzzeiten. Jetzt war Not am Mann und die Überraschung groß. Julian Nagelsmann macht bei beiden Talenten bisher Probleme mit der Konzentration aus und moniert Leichtsinnsfehler. Die hielten sich diesmal in Grenzen, aber das 4:0 gegen Union täuscht, denn die Berliner hatten selbst gute Chancen und halfen bei den Gegentoren ein bisschen mit. So kennen es die Bayern und Nagelsmann lobt sogar: „Nianzou ist unser bester Kopfballspieler.“ Er zeigte dies bei seinem ersten Bundesliga-Tor. Das Spiel könnte sein Durchbruch gewesen sein.
Abseits davon erreichten die Bayern auch wieder historische Bestmarken. Es war der 1164. Sieg im 1935. Spiel, damit wurde Werder Bremen als Rekordhalter mit 1934 Spielen abgelöst. Und Torhüter Manuel Neuer löste seinen Chef Oliver Kahn ab, er feierte nämlich mit seinem 311. Bundesliga-Sieg einen neuen Rekord, Kahn erreichte 310. Oliver Kahn wird diesen Verlust verschmerzen, was ihn aber ärgert, ist der Druck, der von den Medien aufgebaut wird, weil es bei den Vertragsverlängerungen der Leistungsträger Lewandowski, Müller und Neuer hapert. Zwar laufen ihre Verträge erst 2023 aus, aber vor allem der Boulevard hätte gern eine sofortige Vertragsverlängerung und liefert sich selbst ein tägliches neues (altes) Thema. Bayern-Präsident Hainer spricht zwar davon, sich nicht treiben lassen zu wollen, doch genau das ist der Fall. Ruhe gibt es erst, wenn man weiß, was Sache ist. Na ja, und wichtig für die Zukunft ist es ja auch. Bleiben die „Chefs“ Lewandowski, Müller und Neuer weiter an Bord, muss die Konkurrenz noch länger die Meisterschale in München anschauen.
Einen Rekord gab es auch in Mainz. Beim 4:0 gegen Bielefeld (vier Zu-Null-Niederlagen in Folge = Abstiegsplatz!) verwandelten die 05er ihren 36. Elfmeter in Folge! Novum: Innerhalb von 14 Minuten gab es drei Elfmeter für Mainz, die drei verschiedene Spieler (Niakhate, Burkardt, Ingvartsen) verwandelten. Novum auch für Schiedsrichter Felix Zwayer: Die Torlinientechnik streikte, doch Zwayer hatte das richtige Gefühl und die richtige Sicht und klärte alles per normaler Video-Ansicht.
Fluch und Segen
Auch wenn die Corona-Pandemie noch tobt, hat sich die Politik für Lockerungen entschieden und auch die Fußball-Stadien füllen sich wieder. Für viele ein Segen, weil die Stimmung zurück ist, Fußball macht wieder Spaß. Natürlich nur dann, wenn der eigene Verein gewinnt. Tut er das nicht, dann flippen manche Fans leider aus. Wenn sie volle Bierbecher Richtung Spielfeld werfen, schaden sie nicht nur dem eigenen Geldbeutel, sondern können auch ihrem Verein schaden. Also Fans können auch verflucht werden, wenn sie mit dem Bierbecher den Linienrichter treffen. So geschehen am Freitag in Bochum (das für seine Fans oft beneidet wird), Spielabbruch beim Stand von 2:0 für Gladbach. Die Punkte sind sicher weg, wahrscheinlich auch die Fans, ein Geisterspiel droht. Schade, dass manche Zuschauer auf den Rängen das Hirn nicht einschalten. Der Übeltäter müsste eigentlich ausfindig zu machen sein, per Video, aber auch die umstehenden Zuschauer sollten dem Verein helfen, der sich ja weiterhin im Abstiegskampf befindet.
Zuschauer bringen Geld, noch mehr Geld bringen Investoren, doch nicht immer sind sie glücklich damit. sie können für die Vereine Fluch und Segen sein, zugleich können sie ihre Investition auch verfluchen. Dies tut wohl Lars Windhorst, der Wohltäter von Hertha BSC Berlin, der zusehen muss, wie sie seine Millionen in Berlin verpuffen. Jetzt will er eingreifen und fordert den Rücktritt von Präsident Werner Gegenbauer bzw. fordert die Mitglieder auf, diesen bei der nächsten Hauptversammlung keinesfalls zu wählen. Windhorst mag ja recht haben, dass im Hertha-Vorstand nicht gut gearbeitet wird, doch diese Einmischung ist genau das, was Kritiker den Geldgebern vorwerfen: Investoren dürfen die Vereine nicht beherrschen. Windhorst beweist, dass die 50+1 Regelung in der Bundesliga durchaus vernünftig ist.
Dabei hat der Investor mit seinem Vorstoß in der Öffentlichkeit den Festtag der Hertha versaut. Endlich wieder ein Sieg, der erste in der Rückrunde, da wäre doch Freude pur eher richtig gewesen. Hoffenheim stellte sich beim 3:0 der Hertha ein bisschen zu demütig an, aber bei Hertha war frischer Wind zu spüren und Disziplin. Die vermittelte der neue Trainer Felix Magath, der allerdings wegen Corona im Hotel bleiben musste und die Mannschaft per Video coachte. Den Schwung brachte dagegen Co-Trainer Mark Fotheringham rein, vielleicht sogar die bessere Verpflichtung. Der 38-jährige Schotte bezeichnet sich als Kind der Arbeiterklasse, arbeitete an der Seitenlinie mehr als die Spieler auf dem Feld, riet ihnen „lasst die Handbremse weg“ und die wunderten sich, „der Typ ist Wahnsinn“. Nach nur einem Spiel wird er in Berlin schon als „Kultfigur“ bezeichnet! Gelingt die Rettung, gehört er zu den Größen in Berlins Geschichte.
Auch die Standards können Fluch und Segen sein. Gelingen sie, sind sie ein Segen und der Gegner verflucht sie. Die Hertha gewann durch Standards, Stuttgart besiegte in einem heißen Kampf den FC Augsburg durch Standards, Bayern schaffte die Vorentscheidung gegen Union durch einen Standard – also trainiert mal schön, Standards können eher die Rettung sein, als ein Investor. Zeit für Training ist, denn die Bundesliga macht eine Länderspielpause. Danach geht es aber rund, vor allem im Abstiegskampf, wo für den Rest der Saison viele direkte Duelle anstehen.
Die Länderspiele gegen Israel (Samstag in Sinsheim) und in den Niederlanden werden übrigens keine gültige WM-Generalprobe. Bedingt durch viele Ausfälle hat Bundestrainer Hansi Flick mehr einen Notkader nominiert, Spieler aus der zweiten Reihe dürfen sich zeigen, aber die Chance, sich wirklich in den Vordergrund zu spielen, ist minimal. Einer darf sich aber auf jeden Fall freuen: Dem Freiburger Nico Schlotterbeck hat Flick das Länderspieldebüt versprochen.
Geschenk für die Frauen
Die Champions League ist nicht nur bei den Männern der Knüller, sondern auch bei den Frauen. Die deutschen Vertreterinnen erhalten nun für ihre Viertelfinals ein besonderes Geschenk: Sie dürfen in den großen Männer-Arenen spielen. Die Bayern-Mädchen machen am Dienstag gegen Paris St. Germain (18.45 Uhr) den Anfang, für die Allianz-Arena sind bereits über 10.000 Karten verkauft, das 4:2 am Freitag im Campus gegen Frankfurt sahen gerade mal 1000 Zuschauer. Die Frauen sind einfach nur stolz und müssen gegen CL-Favorit Paris wohl auch über sich hinauswachsen. Die Wölfinnen sind gegen Arsenal am Mittwoch zuerst in London gefordert, dürfen dann aber im Rückspiel am 31. März in der VW-Arena spielen. Vielleicht gelingt dann sogar der Sprung ins Halbfinale.
Bei den Männern wurde das Viertelfinale ausgelost. Ob Glückslos für Bayern (siehe oben) ist die Frage. Das sind die Partien: Benfica Lissabon – FC Liverpool, Manchester City – Atletico Madrid (beide 5./13. April), FC Villarreal – FC Bayern, FC Chelsea – Real Madrid (beide 6./12. April). In der Europa League ist Bayer Leverkusen unglücklich ausgeschieden, Eintracht Frankfurt glücklich weitergekommen. Bayer-Bezwinger Bergamo bekommt es nun mit einem weiteren Bundesligisten zu tun, jetzt greift RB Leipzig ein. Frankfurt hat mit dem FC Barcelona einen prominenten Gast, der neue Stärke im spanischen Clasico demonstrierte und Real Madrid mit 4:0 bezwang.