Die neue Formel 1 im Schatten des alten Skandals

von knospepeter

Eigentlich müssten die Motorsportfans der neuen Formel-1-Saison, die am Sonntag in Bahrain beginnt, mit Vorfreude entgegen sehen. Leider ist es aber so, dass fast mehr Skepsis dabei ist. Grund ist das Ende der letzten Saison, als der Rennleiter mit einer Entscheidung gegen die Regeln in den Kampf um den Titel eingriff. Michael Masi machte Max Verstappen zum Weltmeister, weil er nur die Autos von der Strecke räumte, die dem Niederländer im Wege standen und ihm so ermöglichte, mit frischen Reifen Titelverteidiger Lewis Hamilton zu übeholen. Red Bull triumphierte, Verstappen bejubelte einen „verdienten Titel“, aber bei neutralen Beobachtern blieb ein fahler Beigeschmack. Als Beispiel darf Rallye-Weltmeister Walter Röhrl gelten, der in einem Interview zu seinem 75. Geburtstag zum Geschehen in Abu Dhabi sagte: „Ich schaue mir das nicht mehr an, verarschen kann ich mich selbst.“

Die Formel-1-Bosse hatten wohl auch ein schlechtes Gewissen, denn Masi wurde abgelöst, er wird gleich durch drei Rennleiter ersetzt und auch einen Video-Schiedsrichter soll es künftig geben. Der Funkverkehr ist nicht mehr öffentlich, Masi hatte sich da massiv von Red Bull beeinflussen lassen und den Wünschen des Mercedes-Konkurrenten entsprochen. Der entthronte Weltmeister Lewis Hamilton tauchte danach lange Zeit ab, brennt inzwischen aber wieder vor Ehrgeiz: „Ich fühle mich frisch wie nie“, sagt der 37-jährige Brite, den gegen den 24-jährigen Verstappen wieder heiße Rennen erwarten. Der Niederländer kündigte seine bekannt harte Tour schon wieder an: „Ich nehme auf niemanden Rücksicht.“ Na ja, wenigstens auf die Regeln sollte er achten.

Für eine neue Formel 1 gibt es die größten Veränderungen seit Jahrzehnten. Insofern fangen eigentlich alle bei Null an, alle Rennwagen sind fast neu und es könnte ganz andere Konstellationen geben, als nur einen Zweikampf zwischen Mercedes und Red Bull oder sogar einen Alleingang, wie es viele Jahre Mercedes gelang. Entscheidend ist eine Kostendeckelung für alle Teams von 140 Millionen Euro (Fahrergagen ausgenommen), ein völlig anderes Aerodynamikkonzept und mächtige 18-Zoll-Reifen statt bisher 13 Zoll. Die Haltbarkeit soll größer sein, es könnte mehr Ein-Stopp-Strategien geben. Die Überholmöglichkeiten sollen besser sein, die Boliden allerdings wohl schwerer zu fahren, wie sich zeigte. Formel-1-Boss Stefano Domenicali verrät, was bezweckt wurde: „Wir wollen den Kampf zurück auf die Strecke bringen.“ Die ersten Trainingseindrücke zeigten, dass es Kräfte-Verschiebungen geben kann, Ferrari beeindruckte, Mercedes zeigte Schwächen. Doch das muss nicht so bleiben: „Und plötzlich ist Mercedes wieder schnell“, orakelt Verstappen.

Die neue Formel 1 will auch mit einem Rekord starten, Bahrain am Sonntag soll das erste von 23 Rennen sein, aber wegen des Putin-Krieges wurde Sotschi in Russland als Austragungsort gestrichen. Istanbul gilt als Ersatz-Favorit für den Termin am 25. September. Erstmals wird gleich zweimal in den USA gefahren, am 8. Juni die Premiere in Miami/Florida, und dann am 23. Oktober in Austin/Texas. Das Finale steigt wieder in Abu Dhabi am 20. November, hoffentlich diesmal ohne Skandal. Deutschland ist wieder nicht vertreten, Nürburgring und Hockenheimring ist die Formel 1 schlichtweg zu teuer geworden. Drei Sprintrennen wurden beibehalten, es gibt sie in Imola, Spielberg und Sao Paulo mit höherer Punkteverteilung.

Von einer deutschen Formel 1 kann also keine Rede mehr sein, aber deutsche Fahrer wollen schon ein bisschen mitmischen und nicht nur Zuschauer sein. Das trifft aber doch auf Sebastian Vettel zu, der an Corona erkrankt ist und in Bahrain passen muss. Ihn vertritt bei Aston Martin Landsmann Nico Hülkenberg. Mick Schumacher hatte eine bewegte Saisonvorbereitung, weil sein Rennstall besonders von dem Krieg betroffen war, floss doch Geld aus Russland. Das US-Team trennte sich vom russischen Hauptsponsor und setzte auch den russischen Fahrer Nikita Masepin vor die Tür. Er wurde durch Routinier Kevin Magnussen ersetzt, der Schumacher fordern wird. Nach einem ersten Lehrjahr und mit einem vielversprechenden neuen Auto will er jetzt zumindest um Punkte mitfahren.

Allzu viel hat sich im Fahrerlager nicht getan, gespannt sein darf man, wie sich George Russell als Nachfolger von Valtteri Bottas bei Mercedes schlägt. Das 24-jährige Talent soll neben Hamilton für mehr Punkte sorgen, könnte aber auch ein ernsthafter Konkurrent werden. Alfa Romeo wartet mit einer gänzlichen Neubesetzung auf, hat nicht nur Bottas verpflichtet, sondern auch Guanyu Zhou, der erste Chinese in der Formel 1. Er darf als Zeichen dafür gelten: In der Formel 1 ist alles neu. Dies sollte auch für die Fairness gelten.

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