Die Woche der tausend Geschichten
von knospepeter
Der Sport ist vielfältig und schreibt besondere Geschichten. Freud und Leid liegen bekanntlich dicht beieinander. Aber diese Woche im Profisport war schon sehr auffällig, es war praktisch eine Woche der tausend Geschichten. An dieser Stelle kann es natürlich nur einen kleinen Blick auf die außergewöhnlichen Begebenheiten geben.
Fangen wir mit der Fußball-Bundesliga an, die ja hier meist im Mittelpunkt steht. Auffällig wurden vor allem aber die Fans, sie brachten Stimmung in die Arenen, sorgten aber auch für Ärger. Vor allem in Berlin und die HSV-Fans, die mit Pyrofeuern sogar für eine Spielunterbrechung sorgten. Auf diese Ultras kann der Fußball verzichten. Auch die Hertha-„Fans“ schossen wieder einmal über das Ziel hinaus. Sie sehen eine Niederlage nicht als Teil des Sports, sondern als persönliche Beleidigung. Das 1:4 im Lokalderby gegen Union, schließlich die dritte Pleite hintereinander im Derby, brachte ihre Welt in Unordnung. Sie wollten von den Hertha-Spielern nichts mehr wissen, zwangen sie aber zu einer Demütigung: „Zieht Eure Trikots aus, ihr seid nicht würdig, sie zu tragen.“ Einige Spieler folgten sogar, aus Angst und weil sie eine Eskalation verhindern wollten. Diese Hertha-„Fans“ marschierten schon einmal im Training auf und sorgten mit Drohgebärden für Ärger. Das hat mit Sport nichts zu tun. Solche Aktionen können sogar kontraproduktiv sein, die Hertha-Spieler nämlich so verunsichern, dass sie den Abstiegskampf kaum erfolgreich bestreiten können. Und dabei geht es jetzt um die Wurst gegen drei direkte Konkurrenten in Augsburg und Bielefeld und dazwischen gegen Stuttgart.
Dass der Fußball auch als Bühne für politische Parolen benutzt wird, ist nicht neu. Neu war aber diese Aktion: In Frankfurt banden sich zwei Klima-Protestler während des laufenden Spiels an die Pfosten des Eintracht-Tores. Wir war denn das möglich? Zumindest verlief der Protest friedlich und war nach wenigen Minuten beendet. Unangenehm war es doch.
Auffällig sind auch Verletzungsserien. Besonders betroffen Borussia Dortmund, das angeblich schon 2000 Ausfall-Tage zählt. Beim 2:0-Sieg in Stuttgart kamen einige dazu. Reyna musste nach Verletzungspause schon wieder nach 52 Sekunden (!) passen, Dahoud kugelte sich bald darauf die Schulter aus, Hummels gab mit Zerrung auf, dann ging Guerreiro angeschlagen vom Feld. Rekord an Verletzungen! Der Sport schreibt aber auch die schönen Geschichten: Für Reyna kam Julian Brandt von der Bank und war mit zwei Treffern der Matchwinner! Er traf bereits in der 6. Minute – nie traf ein Joker früher! Dortmund aber sucht verzweifelt die Ursache der Ausfallmisere.
Ausfall-Tage hat auch Arminia Bielefeld, die Spieler sollten nicht mehr in Kopfball-Duelle gehen. Vor einer Woche erwischte es Klos mit Schädelbasisbruch, jetzt sank Brunner nach einem Zusammenprall bewusstlos auf den Rasen. Inzwischen geht es ihm wieder besser, aber diese Häufung in der Bundesliga ist generell bedenklich. Die 0:4-Niederlage in Wolfsburg eigentlich Nebensache, aber dann doch wieder nicht, denn der mögliche Abstieg rückt näher.
Im Abstiegskampf hat sich der Kreis der heißen Kandidaten auf drei reduziert. Fürth bleibt abgeschlagen, Hertha, Bielefeld und Stuttgart sind die Kanidaten für den direkten Abstieg und die Relegation. Augsburg hat sich gleich mit zwei Siegen in einer Woche von diesem Feld um fünf Punkte entfernt. Auch mit Hilfe der Schiedsrichter, gegen Mainz sorgte ein Elfmeter der keiner war für den 2:1-Sieg. Glück braucht man halt zum Klassenerhalt. Und neue Kunde gibt es auch: War schon an Trainer Markus Weinzierl gezweifelt worden, so ist jetzt eine Vertragsverlängerung im Gespräch. So schnell kann es gehen.
Bayern hilflos zur falschen Zeit
In München verloren die Augsburger mit 0:1, weil der Videoschiedsrichter ein Handspiel im Strafraum monierte. So waren auch die Bayern glücklich dank Torjäger Lewandowski, doch sie machen derzeit eher einen hilflosen Eindruck und das zur falschen Zeit. Mit Selbstbewusstsein reisten sie in der Champions League nach Villarreal, mit dem 0:1 im Gepäck greift Verunsicherung um sich. Formschwächen werden erkennbar (Müller, Kimmich, Sané, Gnabry), der Abwehr fehlt einfach ein Organisator, Alaba kann nicht adäquat ersetzt werden. Zudem fehlt der Schwung. Wie soll der da der Umschwung im Rückspiel am Dienstag gelingen? Trainer Julian Nagelsmann vertraut auf altes Bayern-Gefühl: „Wenn es darauf ankam, waren die Bayern immer da.“ Nur, da war er noch nicht Trainer! Seine Parole: „Jetzt heißt es beißen“. Auch wenn es nicht läuft, Rekorde gibt es bei den Bayern immer zu vermelden: Thomas Müller feierte als erster Feldspieler seinen 300. Bundesliga-Sieg! Nur die Torhüter Neuer und Kahn holten mehr Siege. Joshua Kimmich stellte den Rekord von Arjen Robben ein, der 150. Sieg im erst 196. Spiel. Dahinter liegt Ribery, solche Erfolgsserien gehen nur mit den Bayern. Nicht immer sind sie hilflos.
Apropos Europa: Der Bundesliga droht die totale Pleite in Europa. Frankfurt feierte zwar ein Fest gegen Barcelona, doch das 1:1 dürfte für das Rückspiel nicht genug sein. Auch Leipzig kam gegen Bergamo nicht über ein 1:1 hinaus, da gilt also ähnliches. Die Halbfinals ohne Bundesliga wäre nicht gut für die Reputation. Der FC Barcelona sorgte übrigens für eine Besonderheit: Er verursachte im Punktspiel beim Vorletzten Levante drei Elfmeter und gewann dennoch 3:2, weil Torhüter ter Stegen einmal hielt. Der Siegtreffer viel in der Nachspielzeit! So ist Barca wieder dabei und auf Platz zwei hinter Real, das aber zwölf Punkte Vorsprung hat, mehr als die Bayern.
Spannung an der Spitze gibt es dagegen in Italien und England. In Italien liegt Milan mit 68 Punkten vor den punktgleichen Inter Mailand und Neapel (je 66). In England brachte das weltweit beachtete Spitzenspiel zwischen Tabellenführer Manchester City und dem FC Liverpool mit dem 2:2 keine Klärung, Klopp bleibt einen Punkt hinter dem Team von Pep Guardiola. Die Besonderheit: Am Ostersamstag treffen sich beide schon wieder im FA-Cup! Wieder dürfen sich die Fußball-Fans auf ein besonderes Spiel freuen. Das direkte Duell der beiden Trainer-Giganten in Bundesliga und Premier League ist absolut ausgeglichen: In 23 Spielen je neun Siege und fünf Unentschieden. Eine von tausend Geschichten.
Comebacks werden gefeiert
Zu den schönen Seiten des Sports gehören die Comebacks. Zwei große werden in diesen Wochen gefeiert. Am Wochenende war Golf-Star Tiger Woods der wohl umjubelste Mann auf der Erde. Als er andeutete, dass er 14 Monate nach seinem Horror-Autounfall beim Masters in Augusta/Georgia zurückkehren wolle, elektrisierte das nicht nur die Golf-Fans. Und dann spielte er auch noch, als ob er nicht so lange pausiert hätte und gehandicapt wäre. Allerdings reichte diese Form nicht für vier Runden. Am Abend litt der lädierte Tiger Qualen, am Tag war er glücklich auf dem Platz und wurde gefeiert. Er will nur noch ausgewählte Turniere spielen, vor allem die Major-Turnier. Die Open in St. Andrews hat er schon im Visier.
Der Sieger Scottie Scheffler feierte kein Comeback, sondern ist der Aufsteiger des Jahres. Erst vor acht Wochen feierte der 25-Jährige Amerikaner seinen ersten PGA-Erfolg, mit weiteren Siegen wurde er schnell zur Nummer 1 der Weltrangliste und jetzt folgte der Triumph beim legendären Masters in Augusta, dem schwersten Turnier der Welt. Sein Preisgeld von 2,7 Millionen Dollar ist auch die höchste Gage bisher bei den Majors.
Ein Comeback feierte auch Ferrari in der Formel 1. Die roten Flitzer sind kein Fall mehr für die Werkstatt, sondern zeigen nach den Regeländerungen in der Formel 1 dass sie ihre Hausaufgaben am besten gemacht haben. Das hätte man den Italienern gar nicht zu getraut. Am meisten trauert Titelverteidiger Max Verstappen, den schon zweimal sein Red Bull im Stich gelassen hat. Einmal streikte die Benzin-Zufuhr, jetzt führte ausgelaufenes Benzin zu einem Brand. Leidensgenosse ist Rekord-Weltmeister Lewis Hamilton, dem Mercedes auch kein Siegerauto hinstellen kann. Immerhin kamen die Mercedes bisher ins Ziel, Kollege George Russell aufs Podium und damit ist er Zweiter mit 37 Punkten hinter Charles Leclerc (71), der mit diesem Frühlingserwachen von Ferrari nicht gerechnet hatte. Ferrari dominiert die Konkurrenz mit 104 Punkten in der Konstrukteurswertung, Mercedes (65) liegt wenigstens vor Red Bull (55), muss aber die Fahrtüchtigkeit der Boliden noch steigern. Die hoppeln wie der Osterhase.
Erstmals am Start war nach einer Corona-Erkrankung Sebastian Vettel. Der Deutsche hat allerdings bei Aston Martin ein Auto, das mit der Konkurrenz gar nicht mithalten. Aus lauter Frust unterliefen Vettel Fahrfehler, er crashte. Das sind die besonderen Formel-1-Stories.