Emotionen sind mehr wert als Millionen
von knospepeter
Am Anfang einer Saison starten alle Mannschaften mit Hoffnungen und Träumen. Geht es anfangs schief, dann trösten sie sich damit, dass ja noch genug Spieltage bevorstehen. Doch irgendwann gehen die Spieltage aus und es wird Bilanz gezogen. Es ist die Zeit der Tränen, die einen feiern Titel, die anderen jammern über den Abstieg. Die letzten Tage zeigten aber auch, dass über Erfolg und Misserfolg nicht immer nur die Millionen entscheiden (Geld schießt Tore), sondern dass vor allem Emotionen Berge versetzen können. Das sollte sich alle in Mannschaftssportarten verinnerlichen: Emotionen sind mehr wert als Millionen.
Dies wurde vor allem beim Triumph von Real Madrid über Manchester City deutlich. Die zwei Spiele in der Champions-League waren Werbung für den Fußball und sie hatten einen Sieger, der zwar früher auch mit Geld um sich warf, aber jetzt eher kleinere Brötchen backen muss. City aber hat alles Geld der Welt, doch die Mannschaft erstarrte im festgelegten System von Trainer Pep Guardiola, der überragende technische Fußball ging unter in den Emotionen und der Begeisterung der Real-Spieler. Sie wendete so in den letzten Minuten das Blatt und ließen einen fassungslosen Pep Guardiola zurück. Jetzt treffen sie im Finale am 28. Mai in Paris auf einen FC Liverpool mit Trainer Jürgen Klopp. Und dessen Stärke: Emotionen schüren.
Emotionen pur vermittelte auch Eintracht Frankfurt in der Europa League. Fans und Mannschaft waren eine Einheit, sie nahmen die in der Bundesliga ungeliebte Europa League an und trugen sich gemeinsam durch die Runden. Emotionen pur gegen West Ham United, RB Leipzig schied dagegen cool und nüchtern aus gegen begeisterungsfähige Glasgow Rangers. Emotionen schlugen die Millionen. Das wird ein emotionales Finale am 18. Mai in Sevilla. Die Eintracht ist Vorbild für die Bundesligisten, wie man die Europa League als Gewinn sehen kann. Leipzig, Freiburg, Köln und Union Berlin haben das Ticket für Europa sicher, doch sie streiten am Ende noch darum, wer wo antreten darf. RB bleibt als Vierter (57 Punkte) im Vorteil (in Bielefeld), Freiburg (55, in Leverkusen), Union (54, gegen Bochum) und Köln (52,in Stuttgart) müssen noch knifflige Aufgaben lösen. Union zeigte sich dabei mit dem überraschenden 4:1 in Freiburg in der besten Form. Der letzte Spieltag am Samstag (alle 15.30 Uhr) wird also noch interessant.
Mit Emotionen darf man Bayern München in der Bundesliga nicht kommen. Der Rekordmeister feierten seinen zehnten Titel in Folge unterkühlt, gewohnheitsmäßig. Bei der Übergabe der Meisterschale gab es ein Premiere, mit der neuen DFL-Geschäftsführerin Donata Hopfen hatte erstmals eine Frau die Ehre. Aber Hopfen passt ja wie die Faust aufs Auge nach München. Das 2:2 gegen den VfB Stuttgart passte auch wie die Faust aufs Auge der Geschehnisse dieser Woche bei den Bayern. Der Niederlage in Mainz folgte ein Spielerausflug nach Ibiza, dort sollte zünftig gefeiert werden, doch meisterliche Leistungen gibt es nicht mehr. Immerhin war das Remis eine Art Schadensbegrenzung, um den Ruf nicht gänzlich zu ruinieren. Ein seriöser Meister sollte mit einem Sieg Augsburg und die Hertha retten, was nur beim FCA gelang. Hertha muss noch bangen, der VfB darf noch auf die Rettung hoffen, ein bisschen was für alle also. Arminia Bielefeld war dagegen der Verlierer, der Klassenerhalt ist bei drei Punkten Rückstand und schlechterer Tordifferenz in weite Ferne gerückt. Ein hoher Sieg gegen Leipzig ist kaum zu erwarten, der VfB muss gegen Köln alles in die Waagschale werfen und Hertha auf ein schlampiges Dortmund hoffen. Hertha-Trainer Felix Magath baute schon vor: „Ich bin Profi, ich rechne mit der Relegation.“
Wer da der Gegner sein wird, steht in der 2. Bundesliga noch nicht fest. Dort feierte allerdings Schalke 04 den sofortigen Wiederaufstieg. Ein Sieg der Emotionen, nicht das Geld war ausschlaggebend. Als Mike Büskens (Mr. Schalke) als Trainer übernahm, brachte er Schwung in die Bude, weckte Begeisterung und schaffte wieder einen Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Fans. Schade nur, dass nach dem 3:2 gegen St. Pauli die Emotionen überschwappten, beim Platzsturm gab es leider Verletzte. Wer aber darf mit rauf, Bremen ist mit 60 Punkten in der Poleposition, der HSV und Darmstadt haben 57 Punkte, am Ende könnte die Tor-Differenz entscheiden, Werder genügt aber zu Hause gegen Regensburg ein Punkt. Gelingt das, streiten der HSV (in Rostock, Differenz 31 Tore) und Darmstadt (gegen Paderborn/24 Tore) um Platz drei. Als Absteiger stehen Aue und Ingolstadt fest, Aufsteiger aus der 3. Liga sind Magdeburg und Braunschweig. In beiden Städten wurde mit viel Emotionen gefeiert.
Eishockey will nach oben
Es ist schon ein bisschen verrückt: Die Fußball-Weltmeisterschaft findet 2022 im Winter in Katar statt, die Eishockey-Weltmeisterschaft dafür im Frühsommer im Finnland. Es gibt allerdings einen großen Unterschied: Im Fußball gab es viel Aufregung um den ungeliebten Termin, der vor allem mit viel Geld erkauft wurde. Wegen der Hitze in Katar kann im Sommer nicht gespielt werden, da ist es auch im Winter heiß genug. Im Eishockey ist der späte Termin dagegen bereits Gewohnheitssache, da spielte auch das Geld eine Rolle, aber mehr noch der sportliche Gedanke, damit möglichst viele NHL-Profis dabei sein können, weil parallel dort der Stanley-Cup ausgetragen wird. Vor einem Jahr gab es wegen der Corona-Pandemie sogar den spätesten Start aller Zeiten, nämlich am 21. Mai, das Finale war am 6. Juni. Da war in Riga Eishockey wirklich ein Sommersport. Diesmal wird vom 13. bis 29. Mai in Finnland gespielt und in Helsinki und Tampere hat der Sommer noch nicht Einzug gehalten. Kühle zehn Grad bringen fast ein bisschen Winterfeeling zurück.
In Finnland lieben sie Eishockey, vor einem Jahr wurde der Titelgewinn bei der 2:3-Niederlage nach Verlängerung gegen Kanada nur knapp verpasst. Jetzt wird mit Unterstützung der heimischen Fans ein neuer Anlauf auf den dritten Titel nach 1995, 2011 und 2019 genommen. In Deutschland hat Eishockey nicht diese Bedeutung, ein Weltmeister-Titel fehlt noch, aber dennoch ist der Blick nach oben gerichtet. Was leicht ist, denn zuletzt ging es wieder abwärts, bei den Olympischen Winterspielen in Peking kam das vorzeitige Aus, Deutschland rutschte in der Weltrangliste auf Platz neun ab, Finnland ist dagegen Erster vor Kanada. „Wir wollen aber vorne dabei sein“, betont Bundestrainer Toni Söderholm ständig und nimmt sich damit selbst in die Pflicht. Seit 2019 ist der Finne für das DEB-Team zuständig und hat sich bereits Meriten erworben, jetzt soll es in seinem Heimatland wieder aufwärts gehen. Eine Wiederholung von Platz vier aus dem Vorjahr wäre schon ein Erfolg. Damals unterlag Deutschland im Halbfinale Finnland 1:2, nachdem vorher im Viertelfinale die Schweiz mit 3:2 nach Penaltyschießen ausgeschaltet wurde. Kurios: Der spätere Weltmeister wurde in der Gruppe nur Vierter noch hinter Deutschland!
Auf den großen deutschen NHL-Star Leon Draisaitl muss der Bundestrainer allerdings verzichten, er kämpft mit seinen Edmonton Oilers um den Stanley Cup. Verstärkungen aus der NHL gibt es allerdings, Torhüter Philipp Grubauer (Seattle), Verteidiger Moritz Seider (Detroit) und Stürmer Tim Stützle (Ottawa) sind dabei, weil sie mit ihren Klubs bereits ausgeschieden sind. Mit dabei sind auch die Cracks vom frischgebackenen Meister Eisbären Berlin und Vizemeister Red Bull München, obwohl sie sich wohl eher nach einer Pause sehnen. Die Berliner hatten zuletzt in den Final-Play-Offs der DEL fünf Spiele in sieben Tagen zu absolvieren, entschieden die Serie dennoch mit 3:1-Siegen für sich. „Das ist unmenschlich,“ schimpften allerdings die Spieler. Recht haben sie. Für die Eisbären war es der zweite Titel in Folge, nachdem sie zuvor acht Jahre darauf warten mussten.
Und bei der WM geht es in der Gruppe A am 13. Mai gleich gegen Titelverteidiger Kanada los, kann aber auch ein Vorteil sein, siehe im Vorjahr, als die Kanadier erst langsam in Form kamen. Die Slowakei (14.), Frankreich (16.), Dänemark (19.), Italien (20.), Kasachstan (21.) und die Schweiz (24.) sind die restlichen Gegner, Platz vier, der zum Weiterkommen notwendig ist, sollte möglich sein. Doch das deutsche Team will ja mehr. In der Gruppe B spielen Finnland, USA, Tschechien, Schweden, Lettland, Norwegen, Großbritannien und Österreich.
Mehr wollte auch immer der inzwischen 67-jährige Franz Reindl, der seit mehr als 30 Jahren für den Deutschen Eishockey-Bund tätig war, sich vom Co-Trainer der Nationalmannschaft über den Sportdirektor und Generalsekretär bis zum Präsidenten hocharbeitete. Auf diesem Weg, den er skrupellos verfolgte, blieb manch fähiger Mitarbeiter oder Mitarbeiterin auf der Strecke – zum Schaden des DEB. Reindl suchte meist nur seinen eigenen Vorteil und jetzt dankte er nach achtjähriger Präsidentschaft ab, weil auch die Staatsanwaltschaft Unregelmäßigkeiten untersucht, ob der dem Verband geschadet hat. Nachfolger ist Peter Merten, der Boss der DEL 2. Die Zweiten stellen jetzt also den Ersten, hoffentlich bringt er Eishockey in ruhiges Fahrwasser. Dann könnte es heißen „mit dem Zweiten geht es besser“.