Neue Bayern + Neue Borussia = Neuer Meister?

von knospepeter

Alle Rätsel um Torjäger Robert Lewandowski haben sich am Wochenende aufgelöst, der Wechsel vom FC Bayern München zum FC Barcelona wurde perfekt gemacht. Damit drängte der Pole die erfolgreiche Frauen-Nationalmannschaft aus den Schlagzeilen. Ein Schicksal, das die Fußballerinnen immer wieder hinnehmen müssen, dabei machen sie bei der Europameisterschaft doch beste Werbung für sich. Aber von den Millionen Euro, die bei den Männern umgesetzt werden, können sie nur träumen.

Das größte Wechseltheater ist zu Ende, die Fragezeichen aber bleiben. Es war eigentlich von Anfang an klar, dass das „Basta“ von Bayern-Boss Oliver Kahn nur ein taktisches „Basta“ war, um den Preis in die Höhe zu treiben. Alle spielten ihr Spielchen, Vereine, Berater und Lewandowski selbst, dem eine Rufschädigung schlichtweg egal war. Vom Verein mit Festgeldkonto wechselt er zum Schuldenclub, der durch finanzielle Winkelzüge Millionen locker macht. Der im August 34-jährige Pole erhält in Spanien einen Vertrag bis 2026, in München sollte er zunächst mal um ein Jahr bis 2024 verlängern. Die Bayern kassieren (bei Boni) die 50 Millionen Euro, die als Schmerzgrenze galten. Die Fans vom FCB (jetzt FC Barcelona, nicht mehr FC Bayern) schwärmen vom Neuzugang, der behauptet, er hätte schon immer in der „La Liga“ spielen wollen, als Garant für Erfolg. Wir werden sehen, auch ein fitter Torjäger merkt das Alter.

Bei den Bayern geht eine Ära zu Ende. Lewandowski hinterlässt eine Flut an Rekorden, wurde in seinen acht Jahren in München immer Meister, wurde dreimal Pokalsieger, gewann Champions League sowie Klub-WM und wurde zweimal Weltfußballer des Jahres. Erfolge, die er anstrebte, er blieb lange Zeit nur deshalb in München, weil er sah, dass er sie mit den Bayern erreichen konnte. Der Pole ist eine Ich-AG, ein Egoist, kein Mannschaftsspieler. So wurde er von den Fans geachtet, bewundert, aber nicht geliebt wie einst zum Beispiel Gerd Müller. Als er dessen Saison-Torrekord auslöschte erinnerte er an den „Bomber“, das kam nicht von Herzen, sondern war Kalkül. 312 Tore hat Lewandowski seit 2010 in der Bundesliga erzielt (vorher für Dortmund), da bleibt Gerd Müller immerhin der Rekord mit 365 Treffern, den wird jetzt endgültig niemand mehr erreichen. Aber für dieses Vorhaben wollte Lewandowski dann doch nicht bleiben. Der kicker listet für ihn fast schon sensationelle 14 Bundesliga-Rekorde auf. Allein dies zeigt, welche Lücke der Dauer-Meister schließen muss. Andererseits soll der Pole zuletzt ein Stimmungskiller im Team gewesen sein.

Dies ist jetzt die große Frage, wie geht es weiter in der Bundesliga, bei den Bayern und den anderen Klubs? „Alle gegen Bayern“ titelte der kicker in seinem Bundesliga-Sonderheft (bekanntlich ein Kult-Produkt für alle Fußball-Fans), aber nicht einmal eine handvoll kann sich wirklich Hoffnungen machen. Im Prinzip heißt die Frage: Neue Bayern + Neue Borussia = Neuer Meister?

Die Dortmunder gelten als großer Konkurrent und hatten schon vor Wochen zur Attacke aufgerufen und mit den Verpflichtungen von Süle, Haller, Adeyemi, Nico Schlotterbeck und Özcan bei den Fans Hoffnungen geweckt und die Bayern unter Druck gesetzt. Die ließen den Rivalen erst machen und konterten vor allem mit der Verpflichtung von Sadio Mané vom FC Liverpool, ein Weltklassestürmer als Absicherung gegen den Lewandowski-Abgang. Dazu kamen die Ajax-Spieler Grevenberch und Mazraoui und rechtzeitig zur Team-Vorstellung am Samstag die Vertragsverlängerung bis 2026 mit Serge Gnabry, der sich sogar die Lewandowski-Rolle in der Mitte vorstellen kann. Mit den Lewandowski-Millionen (und noch was draufgelegt) wurde zudem Abwehr-As de Ligt von Juventus Turin gekauft.

Insgesamt ruft Trainer Julian Nagelsmann eine neue Bayern-Ära aus, das Spiel soll schneller, beweglicher und schlechter durchschaubar werden. Nicht einer soll Tore schießen, sondern viele, die Meister-Ära soll fortgesetzt werden. Die Bayern sagen im „mia-san-mia“-Stil: „Auch Gerd Müller und Franz Beckenbauer mussten ersetzt werden, wir waren dennoch weiter erfolgreich“. Aber immerhin nicht immer Meister! Dortmund aber will seine Schwächen ausmerzen, Leverkusen und RB Leipzig wollen angreifen, ein neuer Meister ist für die neue Saison nicht unwahrscheinlich. Wobei sich erst zeigen muss, welcher Verein für die harten Wochen bis zum Beginn der Weltmeisterschaft Mitte November gut gerüstet ist. Dortmund holt sich den letzten Schliff derzeit im Trainingslager in Bad Ragaz, die Bayern haben eine etwas holprige Vorbereitung und gingen am Montag auf USA-Reise. Dort treffen sie am Donnerstag auf Washington United und am Sonntag vor dem Rückflug in Green Bay noch auf Manchester City mit ihrem ehemaligen Trainer Pep Guardiola. „Dazwischen müssen wir unser Spiel einstudieren,“ betont Nagelsmann. Der erste ernste Auftritt ist der Supercup am 30. Juli bei Pokalsieger RB Leipzig.

Die Bundesliga startet am 5. August, die zweite Liga legte bereits am vergangenen Wochenende los (siehe auch den nächsten Kommentar „Die Prominenz will weg: Bald wieder Alltag in der 2. Bundesliga?“) und mancher Favorit musste die erste Enttäuschung hinnehmen. So mussten die Absteiger Fürth (2:2 gegen Kiel) und Bielefeld (1:2 in Sandhausen) erkennen, dass das Unterhaus kein Zuckerschlecken wird. Auffallend: Die Bild am Sonntag rückte von der „Kult-Liga“ wieder ab – Alltag in der 2. Bundesliga. Gefeiert wurde aber dennoch, vor allem in Hamburg, St. Pauli besiegte den Club aus Nürnberg mit 3:2 und der HSV machte beim 2:0 in Braunschweig deutlich, dass er sich auf den Weg nach oben macht. Einiges Glück war dabei, aber ohne das geht es nicht.

Frauen träumen vom Finale

Drei Siege, 9:0 Tore, die Bilanz der deutschen Fußball-Frauen nach der Gruppenphase der Europameisterschaft in England kann sich sehen lassen. Es bewahrheitete sich der Eindruck, dass das Team wirklich eine echte Mannschaft und ausgeglichen besetzt ist. Trainerin Martina Voss-Tecklenburg hat inzwischen alle Feldspielerinnen eingesetzt! Und da sorgten vor allem die „Aushilfskräfte“ als Außenverteidigerinnen, Sophia Kleinherne und Nicole Anyomi, für Aufsehen mit ihren Leistungen und ersten EM-Toren. Nur der Corona-Ausfall von Lea Schüller tut weh, dafür lässt es Kapitänin Alexandra Popp krachen, als erste deutsche Spielerin traf sie in allen drei Gruppenspielen.

So kann es weitergehen, die Frauen träumen jetzt sogar vom Finale. Die nächste Hürde ist am Donnerstag Österreich, das sich überraschend gegen Norwegen durchgesetzt hat. Es ist quasi ein Bundesliga-Duell, denn 13 Mädchen aus dem Austria-Kader spielen in der Bundesliga. Österreich beeindruckte mit spielerischer Klasse und viel Kampfgeist, spielt ähnlich kompakt wie Deutschland. Das kann eine zähe Angelegenheit werden. Seltsam, bisher gab es nur zwei Länderspiele zwischen den beiden Nationen, Deutschland siegte 2016 mit 4:2 und 2018 mit 3:1. Das sollte sich am besten wiederholen. Aber Achtung: Österreich stellt mit Nicole Billa die Bundesliga-Torschützenkönigin der Saison 2020/21 und „Spielerin des Jahres 2021“. Wird Österreich gemeistert, baut sich voraussichtlich Frankreich als nächste große Hürde im Halbfinale auf.

Die Fußball-Frauen haben es aber jetzt schon geschafft, dass die Sportfans in Deutschland auf sie aufmerksam wurden. Die EM-Spiele sind auch ein Quoten-Hit bei den deutschen Zuschauern im Fernsehen, so daß schon Hoffnung besteht, dass der Frauen-Fußball auf Dauer von diesem Turnier profitiert. Und Robert Lewandowski ist ja weg.

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