Timo Werner ist zurück mit Blick auf Flick

von knospepeter

Die neue Saison der Fußball-Bundesliga ist gerade erst zwei Spieltage alt und dennoch sind die Weltmeisterschaft im November und die Nationalmannschaft immer präsent. Sie beeinflussen sogar die Spielerwechsel. Eklatantes Beispiel ist der Stürmer Timo Werner. Vor zwei Jahren zog es ihn von RB Leipzig weg zu Chelsea nach London, um bei einem Weltclub mehr Geld zu verdienen und Pokale zu gewinnen. Beides hat geklappt, der 26-jährige Torjäger gewann immerhin die Champions League. Glücklich wurde er allerdings nicht, seine persönliche Erfolge hielten sich in Grenzen, im zweiten Jahr verlor er sogar seinen Stammplatz und das drohte ihm jetzt auch in der Nationalmannschaft. Angesichts der fehlenden Vorbereitungszeit auf die WM hat Bundestrainer Hansi Flick das Motto ausgegeben, „dass er nur Kandidaten mit Spielpraxis nominieren werde“. Da läuteten bei Werner die Alarmglocken. Lieber Katar, dafür weniger Geld und Ruhm im Verein, aber vielleicht mehr Ruhm auf der WM-Bühne.

Erstaunlich also, welche Kehrtwendungen es im Fußballgeschäft gibt. Chelsea zahlte einst für Werner 55 Millionen Euro, Leipzig leistete sich die Rückkehr mit der Rekordablösesumme von etwa 20 Millionen, die auf 35 Millionen ansteigen könnte. Ein Gewinn für Leipzig, ein Gewinn für Werner, ein Verlust für Chelsea. Trainer Thomas Tuchel war der Wechsel deshalb auch ein Dorn im Auge: „Er soll sich bei uns durchbeißen und nicht weglaufen,“ moserte er. Werner wählte zweifellos die sicherere Variante in Richtung WM-Nominierung. Mit einem Tor, allerdings ein Geschenk von Kölns Torhüter Schwäbe, führte er sich gleich gut ein. Bleibt es so, wird Flick mit ihm planen.

Timo Werner ist also zurück mit dem Blick auf Flick. Könnte sein, dass auch andere Spieler des Bundestrainers Mahnung im Hinterkopf hatten, als sie ihre Entscheidungen über Wechsel oder Nichtwechsel trafen. Nico Schlotterbeck zum Beispiel zog es deshalb zu Borussia Dortmund, weil er dort Erfahrung auf internationaler Bühne sammeln kann. Im Gegensatz dazu könnte sich Antonio Rüdiger verrechnet haben und den Stammplatz an Schlotterbeck verlieren. Bei Real Madrid kommt Rüdiger derzeit meist nur als Einwechselspieler zum Zug, Trainer Carlo Ancelotti (der übrigens sein Karriere-Ende nach seiner Real-Zeit ankündigte) baut auf die Stammspieler vom Vorjahr, Militao und Alaba. Da könnte auch Flick der eingespielten Dortmunder Formation Süle (wenn er fit ist) und Schlotterbeck den Vorzug geben. Oder Matthias Ginter im Visier haben, der in Freiburg wieder Werbung für sich betreiben kann. Möglich auch, das Jonas Hofmann seinen Vertrag bei Borussia Mönchengladbach verlängerte, weil er dort den Stammplatz sicher hat. Bei Angeboten von Bayern oder Dortmund durfte er sich nicht so sicher sein.

Hansi Flick wird auch mit Freuden sehen, wie die Bayern aufspielen. Gegen Wolfsburg haben sie zwar an Schwung verloren, das 2:0 aber souverän herausgespielt. Der neue Star Jamal Musiala zeigt sich weiter in Bestform und schlüpfte mit drei Treffern in die Rolle des abgewanderten Robert Lewandowski als Torjäger. Keiner ist wohl auf Musiala als Nachfolger des Polen gekommen. Hält der erst 19-jährige junge Mann seine Form, kann auch Flick nicht an ihm vorbei und er wäre wohl auch gut beraten, auf das System von Bayern-Coach Julian Nagelsmann zurückgreifen und mit 4-2-2-2 zu spielen, schließlich hat auch Flick keinen Strafraumstürmer als echten Torjäger. Mit dem Bayern-System und -Stamm könnte die erste Elf dann so aussehen: Neuer – Hofmann, Süle, Schlotterbeck, Raum – Kimmich, Goretzka – Müller, Musiala – Gnabry, Werner. Aber noch ist Zeit, Ende September gibt es die einzigen Länderspiele und Tests im Rahmen der Nations League gegen Ungarn und England. Am 23. November steht das erste WM-Spiel gegen Japan an.

Keine Konkurrenz für Bayern und Dortmund

Nach zwei Spieltagen wirkt die Bundesliga logischerweise noch ein bisschen unsortiert, viele Vereine suchen noch ihre Form, die ersten Enttäuschungen müssen bereits verkraftet werden. Sie betreffen vor allem zwei Kandidaten, die eigentlich zum Kreis der möglichen Bayern-Konkurrenten gezählt wurden, jetzt aber noch ohne Sieg dastehen. Ganz im Gegenteil, Bayer Leverkusen ist nach dem 0:1 in Dortmund und 1:2 gegen Augsburg sogar Tabellenletzter! Nur Bochum ist ebenfalls noch ohne Punktgewinn – und jetzt kommen die Bayern! Bei Leverkusen aber macht sich schon Unsicherheit breit, gegen den FCA hat Bayer in den zwölf Augsburger Bundesliga-Jahren noch nie verloren! Nächste Chance zum Punktesammeln am Samstag gegen Hoffenheim.

Unzufriedenheit auch in Leipzig, Erinnerungen ans Vorjahr mit einer verkorksten Hinrunde werden wach, zwei Unentschieden gegen Stuttgart und Köln sind nicht das, was ein Titelanwärter liefern sollte und was man sich erhofft hatte. Und dabei war man eigentlich als Pokalsieger mit breiter Brust in die Saison gegangen. Jetzt ist die Luft ein bisschen raus. Im Gegensatz dazu starteten die Bayern und Dortmund als einzige Klubs mit zwei Siegen, wobei die Borussia unter Trainer Edin Terzic in Freiburg beim 3:1-Sieg alte Tugenden zeigte: Kampfgeist, nicht aufgeben und ein glückliches Händchen des Trainers bei den Wechseln. Ähnlich wie Musiala in München spielen sich in Dortmund die Talente Bynoe-Gittens und Moukoko in den Vordergrund.

Das die Bundesliga manchmal das reinste Theater ist, zeigte sich zum Beispiel in Augsburg. Dort ist man im Zweifel, ob Rafal Gikiewicz noch der richtige Torhüter ist, er patzte zuletzt wiederholt. So hat Sportchef Stefan Reuter die Fühler nach dem Mainzer Ex-U21-Nationaltorhüter Finn Dahmen ausgestreckt. Dahmen will, Mainz nicht, eventuell wird es erst 2023 etwas. Gikiewicz ist angesichts der Diskussionen sauer, er hat eigentlich den Traum, mal in der polnischen Nationalmannschaft zu spielen. Er setzte Ärger in Leistung um, war in Leverkusen mit Glanzparaden der Matchwinner. Polen kann kommen, Dahmen kann warten. Oder doch nur eine Eintagsfliege? Am Samstag kann man reden, da kommt Mainz nach Augsburg.

Theater auch in Frankfurt. Der Auftritt auf großer Bühne konnte nicht genossen werden. Zuerst war Filip Kostic der Hauptdarsteller, der Star der letzten Jahre verabschiedete sich endgültig zu Juventus Turin, 15 Millionen Euro sind der Trostpreis. Dann war Real Madrid im Finale des Supercup der Hauptdarsteller, der Eintracht blieb nur die Nebenrolle, das Märchen Europa endete abrupt. Frankfurt ist halt doch zu klein für die Großen, obwohl Real sich beim 2:0 nicht in Bestform zeigte. Doch es reichte dank Alaba und Benzema. Ob es so in der Champions League reicht? Eher muss die Eintracht in der Bundesliga die Kurve bekommen, damit der Traum von Europa weitergehen kann. Der Start war nicht vielversprechend, bei Hertha sollte mehr als ein 1:1 möglich sein. Allerdings: Wer will, kann sagen, Hertha befindet sich im Aufwind. In der letzten Saison waren die Berliner nach zwei Spieltagen mit null Punkten Letzter. Jetzt haben sie einen Zähler…

Apropos Theater: Den gibt es weiterhin um den Video-Schiedsrichter. Die Regelauslegung ist einfach nicht eindeutig und nicht einheitlich, manche Entscheidungen dauern erschreckend lange. So ist dem Fußball nicht gedient. Fußball im Wartestand, das geht nicht, das ist absurdes Theater.

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