„Hurra, wir leben noch“

von knospepeter

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ist jetzt auch in Deutschland angekommen. Nach der Auftaktpleite gegen Japan saßen plötzlich 17 Millionen Zuschauer hierzulande vor den Bildschirmen, um das vorentscheidende Spiel gegen Spanien zu sehen. Gegenüber den rund zehn Millionen gegen Japan wurden also viele Fans mobilisiert. Mobilisiert hat auch das DFB-Team seine Kräfte, „gemeinsam stark“ war das Motto, der Respekt vor Angstgegner Spanien war nach dessen 7:0 gegen Costa Rica groß. Auftrieb gab, dass Costa Rica vorher schon gegen Japan ein anderes Gesicht zeigte, mit 1:0 siegte und Deutschland damit wieder ins Rennen brachte. Das 1:1 war zwar kein Sieg, Deutschland ist immer noch Gruppenletzter, darf sich aber als Sieger fühlen.

Gab es beim 1:2 gegen Japan viele Verlierer, allen voran Bundestrainer Hansi Flick, so gab es nach dem 1:1 gegen Spanien einige Gewinner – allen voran Bundestrainer Hansi Flick. Hatte er gegen Japan mit seinen Wechseln die Niederlage eingeleitet, so hatte er diesmal mit seinen Wechseln mehr Glück, obwohl es zum Teil die gleichen Namen waren. Aber jedes Spiel ist eben anders. Gegen Japan gingen Gündogan und Müller und die Stabilität ging verloren. Diesmal mussten sie wieder vorzeitig vom Feld, doch mit Sané und Füllkrug wechselte Flick die Wende ein. Vor allem Bremens Mittelstürmer wurde nach dem goldenen Tor zum Unentschieden gefeiert, der Mann mit der Lücke (Zahnlücke als Markenzeichen) füllte die Lücke im Angriff und bewies: Deutschland braucht einen echten Mittelstürmer, vor allem auch am Donnerstag im entscheidenden Spiel gegen Costa Rica. Auf ihm und Jamal Musiala ruhen die Hoffnungen.

Flick hat Fehler korrigiert, er hätte sie eigentlich nicht machen dürfen. Er hätte vor dem ersten Spiel auf seinen Kollegen Edin Terzic in Dortmund hören sollen, der zu viele Gegentore für seine Borussia monierte. Mittendrin dort Niklas Süle und Nico Schlotterbeck. Auf sie setzte Flick in der Abwehr und prompt wurden die Dortmunder Defensivschwächen auf das DFB-Team übertragen. Süle und Schlotterbeck waren die Sündenböcke der Niederlage. Flick hat gelernt, begnadigte zwar Süle, doch der ist in der Innenverteidigung besser aufgehoben, und er setzte von Anfang an auf die Dynamik von Leon Gorotzka. Das brachte mehr Kampfgeist und Dynamik ins deutsche Spiel.

Die Ausgangsposition fürs Weiterkommen hat sich gebessert, doch Deutschland ist nach wie vor auf Schützenhilfe angewiesen. Es ist einfach: Deutschland muss Costa Rica schlagen, schafft dies auch Spanien gegen Japan, dann ist Deutschland als Zweiter weiter. Es kann auch kompliziert werden: Spielt Spanien nur unentschieden, dann zählt die Tordifferenz, wobei das DFB-Team (2:3) gegenüber Japan (2:2) einen Treffer schlechter ist, also ein Sieg mit zwei Toren Unterschied gelingen muss. Da die Spiele parallel laufen, werden die Telefonleitungen glühen. Sollte Spanien verlieren und alle Teams punktgleich sein, dann könnte am Ende sogar das Los zwischen zwei Teams entscheiden. Aber so weit wird es nicht kommen.

Deutschland und Costa Rica haben vor dem Schlussakkord am Donnerstag (20.00 Uhr MEZ) eine Gemeinsamkeit: Aus beiden Lagern klang es nach den Erfolgserlebnissen „Hurra, wir leben noch“. Kapitän Manuel Neuer nach dem Spiel: „Das Wichtigste ist, wir leben noch“. Luis Fernando Suarez, Trainer der „Ticos“, vor dem Japan-Spiel „wir sind noch nicht tot“ und nachher „jetzt leben wir wieder richtig“. Costa Rica setzte auf eine stabile Abwehr, die eigentlich als Schwachpunkt galt. Flick und seine Mannen müssen wohl ebenfalls so ein Abwehrbollwerk überwinden, Costa Rica könnte ja ein Punkt reichen. Eine Aufgabe für Bundesliga-Torjäger Niklas Füllkrug von Anfang an? Zwischen beiden Nationen gab es bisher nur ein Duell, bei der WM 2006 in Italien siegte Deutschland 4:2. Das wäre ein Wunschergebnis.

Es stehen Endspiele an

Am Montag gab es die letzten Spiele der Gruppen G und H in der zweiten Runde, ab Dienstag geht es um die Wurst, es stehen Endspiele an. Bis jetzt hat nur Frankreich den Sprung ins Achtelfinale geschafft, Gastgeber Katar und Kanada (mit dem ersten WM-Tor durch Bayerns Davies) sind als erste Teams bereits ausgeschieden. Kamerun und Serbien trennten sich am Montag 3:3 und wahrten somit die Chance aufs Weiterkommen, ähnlich der Situation von Deutschland in der Gruppe E. Im britischen Vergleich trifft England in der Gruppe B auf Wales, da reicht schon ein Unentschieden. In der Gruppe C steht das Endspiel Polen – Argentinien an, mit den Protagonisten Robert Lewandowski, den sein erstes WM-Tor zu Tränen rührte, und Lionel Messi, der Argentinien endlich zum WM-Titel führen will. Polen könnte sogar ein Remis reichen. In der Gruppe D kämpfen Dänemark und Australien um den Platz hinter Frankreich, in der Gruppe F streiten Kroatien, Belgien und Marokko um das Weiterkommen. Die Glücklichen treffen dann auf die Erfolgreichen der Gruppe E. Wird Deutschland dabei sein?

Sehr stimmungsvoll zeigte sich die Weltmeisterschaft in Katar bisher nicht, die „verpflichteten“ einheimischen Fans bemühen sich nach Kräften, beherrschend sind aber vor allem die Südamerikaner. Sportlich auffallend, dass vor allem die Nationen aus Afrika und Asien den Europäern, die zuletzt viermal den Titel holten, die Hölle heiß machen, sie haben aufgeholt. Marokko zeigte dies mit dem 0:0 gegen Kroatien und 1:0 gegen Belgien. Zum Glück steht jetzt der Sport im Mittelpunkt und hat die politischen Diskussionen um Korruption und Menschenrechte abgelöst.

Rekord für Bremens Frauen

Werder Bremen mit seinem Profi Füllkrug steht nicht nur bei der Weltmeisterschaft im Mittelpunkt, auch national sorgte der Verein für Aufmerksamkeit. Diesmal allerdings die Frauen, die einen fast sensationellen Vereinsrekord feiern konnten. Die Werder-Mädchen befinden sich im Abstiegskampf der Bundesliga, sind mit nur zwei Punkten Vorletzter, aber für das Duell mit dem SC Freiburg durften sie in das Weserstadion umziehen und gleich 20.417 Fans interessierten sich für dieses Spiel! Es lohnt sich also, wenn die Frauen-Teams in den großen Stadien spielen dürfen. Bremen verlor zwar mit 1:2, die Spielerinnen wurden aber mit Ovationen bedacht und noch lange nach dem Match gefeiert. „Für uns ist ein Traum in Erfüllung gegangen“, freute sich Werders Spielführerin Lina Hausicke. Angestachelt von der Kulisse zeigte Werder wohl sein bestes Spiel seit Jahren. „Ich hatte Tränen in den Augen. Das macht Lust auf mehr“, gestand Trainer Thomas Horsch.

Feiern konnten die deutschen Vertreter in der Champions League nicht. Der VfL Wolfsburg hatte sich eigentlich mehr als ein 1:1 beim AS Rom erhofft, aber im Rückspiel sollte das Weiterkommen perfekt gemacht werden. Bayern München wurden dagegen vom FC Barcelona beim 0:3 die Grenzen aufgezeigt, das Rückspiel gibt es am 7. Dezember in der Allianz-Arena.

Zunächst gibt es am Wochenende wieder Bundesliga und da stehen sich die vier Spitzenteams direkt gegenüber. Der Vierte Hoffenheim (16 Punkte) erwartet am Freitag (19.15 Uhr/Eurosport) Bayern München (19), Wolfsburg (24) hat am Samstag (13.00 Uhr) die ebenfalls noch ungeschlagene Eintracht aus Frankfurt (20) zu Gast. Die Bayern-Mädchen wollen ihre eigene Aufgabe lösen und hoffen in dem Fall auf einen Ausrutscher von Frankfurt, um auf Platz zwei vorrücken zu können. Gegen Leverkusen hat die Eintracht vor 2500 Zuschauern gerade noch den Kopf aus der Schlinge gezogen, Prasnikar erzielte in der 93. Minuten das goldene Tor. Wolfsburg siegte vor 5400 Fans in Köln mit 4:0.

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