Chaos auf dem Feld und neben dem Feld – Resultat: WM-Aus

von knospepeter

Aus und vorbei. Wieder einmal muss Deutschland bei einem Turnier vorzeitig abreisen, wie bei der letzten Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland überstand das DFB-Team die Gruppenphase nicht. Spott und Häme sind der Mannschaft gewiss, gemäßigt heißt es „Vom Weltmeister zum Sorgenkind“, doch das Ausscheiden 2022 hat einen anderen Touch als das 2018. Vielleicht bringt es Italiens Fachzeitung Gazzetto dello Sport auf den Punkt: „Deutschland von Spanien verraten.“

Das Ausscheiden nach dem 1:2 gegen Japan, 1:1 gegen Spanien und 4:2 gegen Costa Rica war so unnötig wie unglücklich. Unnötig, weil zunächst die Nebengeräusche um die Kapitänsbinde „One Love“ den Sport übertönten und die Konzentration auf das erste Spiel störten. Unnötig, weil Bundestrainer Hansi Flick Fehler beging und der Mannschaft nicht half. Unnötig, weil allein 20 schwache Minuten gegen Japan für die entscheidende Niederlage sorgten. Unglücklich, weil die Flick-Schützlinge zig Chancen auf Tore hatten, sie aber nicht nutzten. So traf Jamal Musiala allein gegen Costa Rica zweimal den Pfosten. Unglücklich, weil Spanien gegen Japan keine Schrittmacherdienste leistete, ein Unentschieden hätte Deutschland gereicht. Vielleicht wollte Spanien aber auch gar nicht gewinnen, die seltsame 1:2-Niederlage bedeutete Platz zwei und den Gegner Marokko im Achtelfinale, als Gruppensieger wäre es gegen Kroatien gegangen, das als unangenehmer gilt. Nicht zu vergessen, zwischendurch waren dem Spielstand nach Spanien und Deutschland ausgeschieden! Dann rettete Deutschland mit dem 4:2 Spanien, bekam aber keine Gegenleistung. Unglücklich auch, weil das Siegtor Japans umstritten war, es wurde diskutiert, ob der Ball vor dem Siegtor Tanakas im Aus war oder nicht. Der Schiedsrichter gab den Treffer, die Szene wurde vom VAR geprüft, war aber offensichtlich nicht richtig zu klären. Es gibt Bilder, die den Ball eindeutig im Aus zeigen! Unglücklicher geht es also nicht.

Dennoch, es bleibt als WM-Bilanz, dass das Aus zum großen Teil selbst verschuldet ist. Japans Trainer bedankte sich bei Deutschland: „Wir sind so stark, weil unsere Spieler in der Bundesliga viel lernen“ Zur Erinnerung, acht Japaner verdienen ihr Geld in Deutschland, der Siegtorschütze bei Fortuna Düsseldorf. Lernen die deutschen Spieler in ihrer eigenen Liga weniger? Es hat den Anschein, denn mit der DFB-Elf geht es bergab, früher galt Deutschland als Turniermannschaft, das ist vorbei. Seit der EM 2016 ist die Bilanz negativ, in zehn Spielen siegte Deutschland nur dreimal, verlor aber fünf Spiele (2 Remis). Da ist ein vorzeitiges WM-Aus eigentlich logisch…

Wer sind die Schuldigen, wo sind sie zu finden? Der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf kündigte natürlich eine Analyse an, wollte aber von Entlassungen nichts wissen. Auch die Hauptverantwortlichen nicht, nämlich Sportdirektor Oliver Bierhoff, unter dessen Leitung es mit dem Nationalteam abwärts geht und der sich auch nicht frühzeitig genug von Joachim Löw trennte, aber auch Hansi Flick nicht, der wie Bierhoff einen Vertrag bis 2024 hat und die Europameisterschaft 2024 in Deutschland als Ziel von Anbeginn an ausgab. Ein WM-Aus nur als Zwischenstation? Als Wachrüttler und Mutmacher? Dann muss das Chaos rund um das Team und beim DFB, also neben dem Feld, und das Chaos auf dem Feld (Schwächen in der Abwehr, keine Gier, vor allem vor dem gegnerischen Tor, fehlendes Tempo) beseitigt werden. Gegen Costa Rica fielen zwar am Ende doch noch die Tore zum Sieg, zwischendurch aber gab es Standfußball, war das Team wie gegen Japan von der Rolle. Eine Sache für Flick. Was wir vorgesetzt bekamen war Flick-Schusterei.

Verantwortlich sind in erster Linie natürlich die Spieler. Angeblich war die Gemeinschaft viel besser als 2018 in Russland, das Resultat aber gleich schlecht. Die Fans stellen sich die Frage, wer von den älteren Spielern die Konsequenzen zieht. Kapitän Manuel Neuer hat einen Rücktritt schon ausgeschlossen, zeigte aber nicht die gewohnte Souveränität. Thomas Müller deutete Überlegungen an („Muss mit meiner Frau reden“) und sollte erkennen, dass er an Bedeutung verloren hat. Auf seiner Position war Jamal Musiala der beste deutsche Spieler. Ein Duell, das auch Bayern München beschäftigen wird. Auch ein Rücktritt von Ilkay Gündogan würde nicht überraschen, schließlich hatte er schon vor dem Turnier darüber sinniert. Vielleicht hat er selbst erkannt, dass er das Spiel eher hemmt als ihm nützt.

Da sind wir bei der Zukunft. Auffallend, dass Flick gegen Costa Rica auf die Bayern-Power setzte und alle sieben Münchner WM-Akteure aufs Feld schickte. Das „mia san mia“ konnte er dem Team aber ebenso wenig implantieren wie das schnelle Spiel. Und er hätte eine Erkenntnis der Bayern übernehmen sollen: Ohne richtigen Mittelstürmer geht es nicht. Was bei Bayern Choupo-Moting zuletzt war, hätte jetzt Niclas Füllkrug sein können, der aber nur Kurzzeitarbeiter sein durfte, es aber erfolgreich war. Die Fans hätten gern Füllkrug statt Müller gesehen. Fachleute eben…

Eigentlich hatte man gedacht, dass mit dem bei Bayern erfolgreichen Hansi Flick eine bessere Zukunft eingeleitet werden würde, doch acht Siege zum Auftakt waren Augenwischerei, weil es schwache Gegner waren. Die Wahrheit zeigte sich in den letzten Monaten, in elf Spielen nur drei Siege gegen Italien (nicht bei der WM!), Oman und Costa Rica! Die Zukunft gehört jungen Spielern wie Musiala, Wirtz und Moukoko – und wer noch? Da taucht ein Problem auf, für das Oliver Bierhoff zum Teil verantwortlich ist: Die Nachwuchsarbeit, auch hier geht es beim DFB abwärts. Verantwortlich sind aber auch die Vereine. Abwehrrecken, Mittelfeldabräumer und Mittelstürmer werden benötigt. Sie sind Mangelware, weil vor allem von jungen Spielern Technik und Flexibilität gefordert wird. Nicht der Arbeiter bzw. Fachmann für eine Position wird herangebildet.

Der DFB als Verband hat in seiner Ausstrahlung gelitten, galt Fußball einst als Vorbild, so wenden sich die Leute jetzt vielfach ab, aber nicht unbedingt anderen Sportarten zu. Der Chaos-Verband wird es bald ebenso merken wie die Bundesliga, wenn zum Beispiel die Einschaltquoten im Fernsehen im Keller bleiben, lukrative Verträge können dann kaum noch abgeschlossen werden. Bezeichnend auch, dass 17,4 Millionen Zuschauer in der ARD das Spiel gegen Costa Rica sahen, was 2022 WM-Rekord war, aber weit weniger als die 25 Millionen im entscheidenen Spiel gegen Südkorea vor vier Jahren. Und weniger, als die 17,9 Millionen, die das EM-Finale der Frauen-Nationalmannschaft im Sommer sahen. Die Frauen sorgten für Begeisterung, die Männer jetzt für Enttäuschung. Dabei sollten sie sich doch die Frauen als Vorbild nehmen, denen die Begeisterung auch auf dem Feld anzumerken war. Von Chaos war im Sommer keine Spur.

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