Auch die Bundesliga wird unter der WM-Pleite leiden
von knospepeter
Man mag es kaum glauben, Deutschland ist ausgeschieden, aber die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar nimmt ihren gewohnten Gang. Der Unterschied ist frappierend: Katzenjammer hierzulande, vor allem die sogenannten Experten, meist ehemalige Nationalspieler, lassen kein gutes Haar an der aktuellen Mannschaft, jeder haut drauf wie er will. Schadenfreude dagegen in Katar und bei vielen Konkurrenten über die Deutschen, die sich so gern, vor allem im Vorfeld der WM, als Weltverbesserer aufspielen. Zurück bleibt für den Deutschen Fußball-Bund ein Scherbenhaufen und auch die Bundesliga wird unter der WM-Pleite leiden. Jetzt geht es um die Aufarbeitung und die Zukunft. Die Europameisterschaft 2024 in Deutschland sollte eine Wiederauflage des Sommermärchens von der WM 2006 werden, doch derzeit ist die Stimmung im Keller, die Öffentlichkeit wendet sich vom Fußball ab. Die Fußball-Nationalmannschaft hat die Rolle als der Deutschen liebstes Kind verloren.
Fehler über Fehler wurden vor und in Katar gemacht (WM-Bilanz im nächsten Blog „Chaos auf dem Feld und neben dem Feld – Resultat: WM-Aus“), dem DFB traut man in seiner jetzigen Konstellation nicht zu, die Probleme wirklich zu lösen. Da muss die DFL mit der Bundesliga das Heft in die Hand nehmen, aber sie hat selbst Sorgen, DFL-Chefin Donata Hopfen zeigte sich nicht als würdige Seifert-Nachfolgerin und steht offensichtlich vor der Ablösung. Ihr Vertrag geht bis 2024, das kostet die DFL einiges an Geld, außerdem stehen wichtigen Fernsehverhandlungen mit dem Ausland bevor. Dabei befindet sich die Bundesliga nach Katar in einer schlechten Ausgangsposition, denn der gute Ruf hat gelitten.
Noch größer sind freilich die Probleme beim DFB, der auch finanziell leidet, von rund 30 Millionen Euro Verlust im letzten Geschäftsjahr ist die Rede. Der neue Präsident Bernd Neuendorf sucht gern die Öffentlichkeit, aber die Fallstricke hat er nicht erkannt und Führung nicht gezeigt. Wie früher schon in anderen Situationen, so hat der DFB jetzt auch unter Neuendorf in der „Binden-Affäre“ ein denkbar schlechtes Bild abgeben, der Verband wurde getrieben von Menschenrechtsgegnern in Deutschland, hat selbst keine Meinung vertreten und international Porzellan zerschlagen. Bitter, dass Deutschland seine führende Rolle innerhalb des Weltverbandes verloren hat. Ganz im Gegenteil, in Sachen „One-Love-Binde“ musste sich Deutschland noch von FIFA-Präsident Gianni Infantino verspotten lassen.
Die Vergangenheit war schlecht, die letzten Turniere von Misserfolgen geprägt, aber die Zukunft sieht nicht besser aus. Doch wer kann die Weichen für eine bessere Zukunft stellen? Oliver Bierhoff wird diese Rolle nicht mehr zugetraut, der für den Sport zuständige Direktor stellt die neue Akademie in Frankfurt als sein Glanzstück heraus, doch eine bessere Organisation rund um die Nationalmannschaft verhindert er, bremst bei der Installierung eines Sportdirektors für das Team. Bezeichnend, dass bei einer Umfrage des kicker mit über 300.000 Teilnehmern 91 Prozent die Ablösung von Bierhoff fordern! Da hat Bundestrainer Hansi Flick sogar ein besseres Standing, 45 Prozent, also eine Minderheit, halten zu ihm, wollen ihm noch eine Chance geben.
Dabei wird die Weiterentwicklung der Auswahlmannschaft schwierig, sie kann in den nächsten Jahren für keine Höhepunkte sorgen, denn als Gastgeber für die EM 2024 qualifiziert, stehen bis dahin nur Freundschaftsspiele auf dem Programm. Im März geht es los. Hansi Flick muss allerdings diese Zeit nutzen, um einerseits zu testen, andererseits dann aber rechtzeitig eine Stamm-Mannschaft zu finden. Das hat er vor Katar versäumt. Vor allem muss sich Flick auf ein System festlegen und entsprechend das Personal auswählen. Eigentlich sollte die WM 2022 eine Zwischenstation auf dem Weg zu einer erfolgreichen EM 2024 sein, doch sie war eher ein Schritt zurück. Allerdings muss man schon einschränken, dass das Ausscheiden nicht so katastrophal war wie 2018. Immerhin schied Deutschland nach einem Sieg aus, weil die anderen Nationen nicht für die DFB-Elf spielten. Jeder ist halt seines eigenen Glückes Schmied. Aber wie wäre die Stimmung bei einem Weiterkommen dank spanischer Schützenhilfe gewesen?
Die Gruppenphase bewies: Es gibt keine Kleinen mehr! Das Achtelfinale ohne Deutschland läuft noch bis Dienstag und das mit Japan, Südkorea, Marokko und zum dritten Mal in Folge mit der Schweiz, die Portugal mit Cristiano Portugal herausfordert, nachdem sie das emotionale Duell mit Serbien gewonnen hat. Die Weltstars Lionel Messi und Kylian Mbappé prägen derzeit das Geschehen. Messi hat sein 1000. Pflichtspiel als Profi absolviert und Argentiniens alten Held Maradona an WM-Toren übertrumpft. Auf dem Weg zum ersehnten WM-Titel steht jetzt die Niederlande im Viertelfinale im Weg. Ob die Holländer singen „Ohne Deutschland sind wir bei der WM“?
Das Viertelfinale am Freitag und Samstag hat zudem einen zweiten Knüller zu bieten, nämlich das Duell England gegen Frankreich. Erstaunlich, Titelverteidiger Frankreich hat bei einer WM-K.o.-Runde noch nie gegen England gewonnen. Erstaunlich, wie Frankreich die Ausfälle von Benzema und Pogba kompensiert hat. Fehlt ein klasse Mittelstürmer ist mit Giroud noch ein zweiter im Kader. Glückliches Frankreich. Vor allem aber Mbappé macht Spaß, stahl beim 3:1 gegen Polen Lewandowski die Show und führt jetzt mit fünf Treffern die Torschützenliste an. Ihn sollten sich Gnabry oder Sané zum Vorbild nehmen.
Das lenkt den Blick auf die Bundesliga, die zwar noch bis 20. Januar Pause hat, die aber schon jetzt weiß, dass sie im nächsten Jahr international um eine neue Reputation kämpfen muss. Zum Beispiel in der Champions League die Bayern gegen Paris St. Germain mit Mbappé. Die Bayern-Asse befinden sich in einem Tief, Joshua Kimmich sieht sich „in einem Loch“, Thomas Müller verzweifelt, „ich brauche lange, um das zu verdauen“. Sieben Bayern waren unter den Ausgeschiedenen, nur Upamecano hat bei Frankreich einen Stammplatz, Coman und Pavard sind nur Einwechselspieler, ebenso de Light bei den Niederlande. Keine gute Werbung. Ähnlich sieht es bei Dortmund aus, wo Bellingham zwar bei England auftrumpft, aber Süle und Schlotterbeck waren die größte Fehlerquelle beim entscheidenden 1:2 gegen Japan. Eigentlich zeichnete sich das auch in der Bundesliga ab, Herr Flick!
Freude bei den Frauen
Dann kommen wir doch zu einem erfreulicheren Thema, die Frauen stehlen im Fußball den Männern die Schau und es gibt Anzeichen, dass die Zuschauerzahlen deshalb steigen, weil viele Männer jetzt lieber den Fußball-Mädchen zuschauen, die bei der EM für eine Begeisterungswelle sorgten. Kein Wunder also, dass die Frauen-Bundesliga von Rekord zu Rekord eilt. Bisher stand der Zuschauerrekord einer Saison bei 156.000, im Jahr 13/14 erzielt. Jetzt sahen nach nur neun Spieltagen bereits 173.000 Fans zu! Beim Schlagerspiel Wolfsburg – Frankfurt waren 14.000 Fans dabei, 3500 sahen Freiburgs 4:1 gegen Duisburg und 2900 Hoffenheims Niederlage gegen Bayern München. Die Spitzenteams sorgten aber dafür, dass oben die Spannung verloren geht, Wolfsburg hat nach dem 5:0 gegen die Eintracht fünf Punkte Vorsprung auf die Bayern, die in Hoffenheim 4:0 auftrumpften und an Frankfurt vorbei auf Platz zwei rutschten. Am kommenden Wochenende wird die Runde für dieses Jahr abgeschlossen, der letzte Vorrundenspieltag wird erst im Februar ausgetragen. So ist der Spielplan nicht attraktiv, das muss sich verbessern. Wolfsburg und die Bayern wollen sich zum Abschluss von Meppen bzw. Leverkusen nicht düpieren lassen.
Schwerer werden die Aufgaben in der Champions League, wo erst Halbzeit in der Gruppenphase ist. Wolfsburg kann am Donnerstag (18.45 Uhr) gegen AS Rom nach dem 1:1 im Hinspiel die Weichen auf Gruppensieg stellen. Der ist für die Bayern nach dem 0:3 in Barcelona weit weg, aber ein Achtungserfolg im Rückspiel am Mittwoch (21.00 Uhr) könnte Auftrieb geben. Ein Vereinsrekord steht da schon fest, es sind nämlich bereits 20.000 Tickets für die Allianz Arena verkauft. Da geht es also auch wieder um Werbung für den Frauen-Fußball.