Entscheidet wirklich ein Spiel über die ganze Saison?
von knospepeter
Es ist wieder Zeit für Europa, bei Fußball-Fans und vor allem -Spielern schlagen die Herzen wieder ein bisschen schneller. Die Bundesliga ist im Moment höchst attraktiv, aber für die Reputation von Vereinen und Ligen zählen vor allem Erfolge auf den Bühnen Europas. In erster Linie Meister Bayern München sucht da den Glanz, weil nationale Siege fast schon zur Gewohnheit geworden sind. Jetzt steht am Mittwoch das Rückspiel gegen Paris St. Germain an und für den Verein ist dies das wichtigste Spiel des Jahres. Kann aber Erfolg oder Misserfolg einer Saison wirklich nur von einem Spiel abhängen?
Die Bayern erleben derzeit eine etwas holprige Saison und genau genommen wissen sie selbst nicht, wo sie leistungsmäßig stehen. Es ist ein ständiges Auf und Ab, manche Glanzpunkte hat es gegeben, dann aber wieder große Enttäuschungen. Balsam auf Wunden sind immer Siege auf Europas Bühne, doch da gab es im Vorjahr ein blamables vorzeitiges Ausscheiden gegen die Nobodys von Villarreal. Umso bedeutender wäre ein Weiterkommen gegen den Favoriten Paris, den die Besitzer aus Katar mit viel Geld zum Champion machen wollen. Die Weichen für ein Weiterkommen haben die Bayern mit dem 1:0-Sieg in Paris gestellt, doch das Ziel ist noch nicht erreicht. Vor allem Superstar Kylian Mbappé wird gefürchtet, der im Hinspiel bei einem Kurzeinsatz schon für Furore sorgte. Jetzt ist er wieder ganz fit und der zweite Star, Weltfußballer Lionel Messi, wieder in Spiellaune. Ein Paket, das Seinesgleichen sucht. Mbappé droht: „Wir kommen weiter.“
Den Bayern könnte die Statistik Mut machen, die Bilanz gegen Paris ist bei zwölf Spielen mit je sechs Siegen ausgeglichen, doch wenn die Münchner das Hinspiel gewonnen hatten, kamen sie in 20 der letzten 22 CL-Spiele weiter und auch die Heimstärke sollte Selbstvertrauen geben, 15 der letzten 17 CL-Spiele wurden gewonnen, die letzte Niederlage gab es 20/21 mit 2:3 gegen – Paris! Aber der Gegner hat auch Sorgen, der dritte Weltstar Neymar fällt aus, aber auch Abwehr-As Kimpembe fehlt, dazu zeigt Torhüter Donnarumma derzeit ungewohnte Schwächen (auch im Hinspiel). Die sogenannten Schienenspieler Mendes und Hakimi dürften dagegen für die Bayern-Abwehr einen besonderen Gefahrenherd darstellen.
Trainer Julian Nagelsmann sucht nach dem geeigneten Gegenmittel, deshalb trifft ihn die Sperre vom formstarken Benjamin Pavard schwer. Es scheint, dass Nachwuchsmann Josip Stanisic die Chance bekommt, weil Neuzugang Cancelo defensiv zu große Schwächen aufweist. Nagelsmann wurden beim nicht berauschenden 2:1 in Stuttgart aber auch die Augen geöffnet, dass derzeit die ballverliebten Sané und Gnabry ebenso wie der lange verletzte Mané keine wertvolle Hilfe sind. Als Musiala, Coman und Choupo-Moting gingen, kippte das Spiel. So wäre das Weiterkommen gegen Paris gefährdet. Aber was ist bei einem Ausscheiden? Muss Nagelsmann um seinen Job bangen? Es bleiben noch Pokal und Meisterschaft, die nationalen Trophäen, die in München keinen mehr glücklich machen. Zu viel Erfolg macht das Leben halt kompliziert.
Den Erfolg auf Europas Bühne suchen natürlich alle deutschen Vertreter, nur bei keinem ist die Brisanz so groß wie in München. Insgesamt sieben Bundesligisten sind in den Achtelfinals noch dabei, Deutschland ist neben England und Italien Spitze. Spanien ist noch mit fünf Teams dabei, aber nur mit Real Madrid in der Champions League vertreten. Vom Viertelfinale träumt vor allem Borussia Dortmund, das derzeit auf einer Erfolgswelle schwimmt und in diesem Jahr als einzige Mannschaft in Europa Spitzenligen noch ungeschlagen ist! Bleibt die Serie bestehen? Die nächste Prüfung gibt es in London, wo Gegner Chelsea gerade rechtzeitig sein Tief mit einem 1:0 gegen Leeds überwunden glaubt und die 0:1-Hinspielniederlage am Dienstag ausbügeln will. Leipzig und Frankfurt sind erst nächste Woche gegen Manchester City und Neapel dran.
In der Europa League geht es aber gleich für drei Bundesligisten am Donnerstag in die Hinspiele des Achtelfinals. Heimspiele haben Union Berlin und Leverkusen, Freiburg muss dagegen zur alten Dame Juventus Turin nach Italien, freut sich aber schon auf ein Fest beim Rückspiel. Union bekommt es mit den Belgiern von Saint-Gilloise zu tun, eine eher unbekannten Mannschaft, die aber die Berliner in schlechter Erinnerung haben. Die Belgier waren schon Gruppengegner und siegten zweimal. Zeit also für die Revanche. Bayer Leverkusen scheint wieder in Form zu sein und geht mit großen Hoffnungen die Aufgabe gegen die Ungarn von Ferencvaros Budapest an. In Budapest findet auch das Finale am 31. Mai statt, Leverkusen hat also das große Ziel hautnah vor Augen.
Das Wunder Schalke
Wie gesagt, die Bundesliga bietet derzeit schon genug Unterhaltung. Überraschend vor allem auch Schalke 04, der nach der Hinrunde am Rande des Abstiegs stehende Altmeister hat eine wundersame Wandlung erfahren und ist in der Rückrunde zusammen mit Dortmund als einzige Mannschaften noch ungeschlagen. Neun Punkte nach 17 Spielen, zehn jetzt bereits nach sechs Spielen, das sagt alles. Das erste Revier-Derby in Bochum wurde erfolgreich bestritten, jetzt kann also Dortmund zum zweiten Revier-Derby kommen! Nur ein Remis kann dafür sorgen, dass beide Serien bestehen bleiben. Das Wunder Schalke: In Bochum endete auch eine unbeschreibliche Serie von 38 Auswärtsspielen ohne Sieg – ewiger Bundesliga-Rekord!
Schalke hat das Schlusslicht an Bochum abgegeben und mit seinen Erfolgen für ein Novum im Abstiegskampf gesorgt: Erstmals in der Bundesliga-Geschichte sind am Tabellenende vier Mannschaften punktgleich (alle 19)! Spannung pur, zumal Hertha BSC auch nur einen Zähler mehr hat. Köln und Augsburg dürfen sich mit 27 Punkten vorerst in Sicherheit wiegen, zumal nicht alle der fünf Abstiegskandidaten Siegesserien starten können. Überraschungsgast am Tabellenende ist die TSG Hoffenheim, am Saisonbeginn noch an der Spitze zu finden. 14 Pflichtspiele ist die TSG jetzt schon ohne Sieg, auch der neue Trainer Pellegrino Matarazzo hadert, weiß aber, wo der Hebel anzusetzen ist: „Wir haben die letzten drei Spiele mit 0:1 verloren und dreimal ein Standardtor kassiert. So kann es nicht weitergehen.“ In Freiburg hängen die Trauben am Sonntag aber erneut hoch.
An der Tabellenspitze haben sich die Bayern und Dortmund abgesetzt, die Borussia wies Leipzig in die Schranken und die weiteren Verfolger Union, Freiburg und Frankfurt ließen ebenfalls alle Punkte. Im Aufwind dagegen Mainz und Leverkusen, die im Kampf um Europa wieder mitmischen, Platz sieben könnte ja für die Conference League reichen.
Wölfinnen können verlieren
Bisher hieß es bei den Frauen des VfL Wolfsburg auf nationaler Ebene: „Niederlagen? Kennen wir nicht.“ 2022 gewannen die Wölfinnen alle Bundesligaspiele, jetzt waren es wieder zwölf, doch dann kam die „böse 13“. Die Frauen der TSG Hoffenheim waren den Männern ein Vorbild und sorgten für eine Sensation – sie gewannen mit 2:1 in Wolfsburg! Die letzte Heimpleite erlebte Wolfsburg im November 2016 gegen Potsdam! Außerdem war das Eigentor von Felicitas Rauch zum 1:1 der erste Gegentreffer auf eigenem Platz seit Oktober 2022! Hoffenheims Torjägerin Billa machte dann in der 70. Minute vor 3500 Zuschauern noch den Deckel drauf – die Sensation war perfekt. Bemerkenswert, nach der nächsten Partie gegen Meppen, wird der frühere Wolfsburger Meister-Trainer Stephan Lerch, neuer Coach bei der TSG. Hoffenheim ist wieder im Rennen um Platz drei, der zur Champions League berechtigt. Dazu kommt die Hoffnung bei Bayern München zurück, weil sich nach dem 2:0-Sieg in Bremen der Abstand zu Meister Wolfsburg auf zwei Zähler verkürzte. Am 25. März sieht man sich dann in München.
Bald darauf steigt dieses Spitzenspiel erneut in München, im Halbfinale des DFB-Pokals wurde diese Paarung nämlich ausgelost, am 15. April wird gespielt. Es ist zweifellos das vorgezogene Endspiel. In der zweiten Paarung hofft Zweitligist RB Leipzig auf die nächste Überraschung nach Siegen über Frankfurt und Essen. Gegner ist mit dem Tabellenfünften SC Freiburg eine Mannschaft von ähnlichem Kaliber, eine weitere Überraschung ist dem ambitioniertem Zweitligisten also zuzutrauen. Langfristig will man ja auch Wolfsburg und Bayern im Oberhaus Paroli bieten, der Pokal bietet da schon eine frühere Chance.