Die Bundesliga kann dem Sport die Fesseln lösen
Die Fußball-Bundesliga zeigt sich bereit für sogenannte „Geisterspiele“ ohne Publikum, sie hat ein schlüssiges Konzept für die Durchführung vorgelegt, aber ob und wann sie grünes Licht für die Austragung bekommt, ist weiterhin fraglich. Die Meinungen in der Öffentlichkeit, bei Experten und vor allem in der Politik, wo sich einige Abgeordnete aus der zweiten Reihe in den Vordergrund plaudern wollen, gehen weiterhin ziemlich auseinander. Für Pro und Contra gibt es natürlich Argumente, aber vielleicht drückt es ein „Neutraler“ richtig aus: Ethikrat-Mitglied Reinhard Merkel sieht für die Fußball-Bundesliga „durchaus einen Grund, diese Gruppe anders zu behandeln“ und er fordert darüber hinaus „von der Gesellschaft kreative Wege“. Ein Wort, das er so auch an die Entscheider der Politik richten kann. Denen fehlt zum Teil der Mut und wenn sie vorpreschen, wie die Ministerpräsidenten Armin Laschet (Nordrhein-Westfalen) und Markus Söder (Bayern) ausgerechnet via Bild, dann rudern sie bei leisester Kritik sofort wieder zurück. Entscheiden müssten die Virologen, so wird der Ball hin- und hergeschoben, ganz ohne Mundschutz und Trainingslager.
Eines ist klar, muss aber kurz wiederholt werden. Die Bundesliga genießt im deutschen Sport eine Sonderstellung, weltweit ist der Fußball die Sportart Nummer eins. Deshalb gebührt ihm durchaus eine andere Behandlung. Der Fußball kann eine Nation euphorisieren oder in Trauer stürzen, siehe den positiven Nutzen vom Sommermärchen der WM 2006. Daran sollten sich die Politiker heute erinnern. So eine Stimmungslokomotive vor die Hunde gehen lassen? Die Vereine brauchen das Fernsehgeld zum Überleben, das ist Fakt. Man kann ihnen schlechtes Wirtschaften vorwerfen, einen Wandel für die Zukunft empfehlen, aber die Gegenwart muss gemeistert werden. Da kann die Fußball-Bundesliga mit Gaststätten und Friseuren nicht in einen Topf geworfen werden, auch wenn Kritiker in Politik und Medien mosern: „Der Fußball soll sich nicht wichtiger nehmen als er ist.“ Er ist wichtiger für das Volk, als viele Kritiker es sehen!
Nur die Fußball-Bundesliga kann als Lokomotive dienen, um den Sport in Deutschland von den Fesseln zu befreien. Der Deutsche Olympische Sportbund versucht auch mit einem Brandbrief der Politik die Augen zu öffnen und betont den unschätzbaren positiven Effekt des Sports, der jetzt der Gesellschaft fehlt und den Aktiven in 90.000 Sportvereinen in Deutschland. Zaghafte Lockerungen mit einer größeren Bewegungsfreiheit in der Öffentlichkeit muss auch einhergehen mit neuen Anfängen zum Sporttreiben, natürlich unter allen Maßnahmen für die gesundheitliche Sicherheit. Die Bundesliga macht es vor.
Die Fußball-Bundesliga kann auch ein Vorreiter international sein, denn andere Nationen schauen auf Deutschland, das den Coronavirus einigermaßen im Griff hat. Die anderen Ligen schauen auf die Bundesliga, wie sie möglicherweise Geisterspiele organisiert. Die Saison abzubrechen ist eigentlich keine Lösung, siehe den Streit in den Niederlanden, wo die Saison beendet wurde, jetzt aber Klagen drohen. Egal in welchem Sport, dort wo die Ligen nicht einvernehmlich beendet werden können droht ein Streit, der auch künftige Spielzeiten beeinträchtigen könnte. Da zeigt sich dann eine Langzeitwirkung von Corona.
Die Entscheidung, ob und wann die Bundesliga eventuell wieder spielen kann, wird wohl frühestens am 4. Mai fallen, wenn die Politik erste Erkenntnisse über die Lockerungen im Geschäftsleben hat. Ein Start vor dem 16. Mai wird kaum machbar sein, zumal die Teams noch unter Wettkampfbedingungen trainieren wollen. Eher wird es also der 23. Mai, ein Ende der Saison bis zum 30. Juni also kaum möglich sein. Eine dann notwendige Saisonverlängerung sollte machbar sein, auch wenn am 30. Juni viele Spielerverträge auslaufen. Der DFB-Pokal mit Halbfinale und Finale muss schließlich auch noch untergebracht werden. Und dann gibt es noch die internationalen Wettbewerbe und da spricht die UEFA schon von Spielen im Juli und August. Corona ist ein unsichtbares Virus, sichtbar ist aber das Chaos, das es in allen Bereichen des Lebens hinterlässt.
Apropos Sommermärchen 2006: Die leidige Affäre um Millionenschiebereien rund um die WM in Deutschland nahm in der Schweiz ein seltsames Ende. Der angestrengte Prozess gegen die deutschen Funktionäre Zwanziger, Niersbach, Schmidt und Franz Beckenbauer ist am Montag geplatzt, weil die Anschuldigungen rund um den 6,7-Millionen-Transfer verjährt sind. Allerdings gibt es Nachwehen, weil sich dieser Prozess zu einem Schweizer Justizskandal ausweitete, in dem auch FIFA-Präsident Gianni Infantino zusammen mit dem Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber eine dubiose Rolle spielte. Es zeichnet sich ab, dass es im Nachhinein eine interne Untersuchung in der Schweiz über die Versäumnisse in diesem Prozess gibt. Das Virus, das der FIFA schadet heißt bekanntlich Korruption.