Skispringer als mündige Sportler

von knospepeter

 

„Eklat in Klingenthal“ – der Sport-Grantler klickte natürlich die Seite vom Videotext an, um zu erfahren, was dort beim Skispringen passiert war. Wirklich etwas Ungeheuerliches: Die Weltklasse-Springer Gregor Schlierenzauer (Österreich) und Anders Bardal (Norwegen) verweigerten den Sprung von der Schanze. Sie hielten einen Sprung angesichts des starken und böigen Windes für zu gefährlich. Sie widersetzten sich der Jury und fuhren wieder mit dem Fahrstuhl nach unten.

Bravo! So möchte der Sport-Grantler den Sportlern zurufen, sie zeigten sich nämlich wirklich als mündige Sportler. Wie oft mussten wir schon erleben, dass Entscheidungen von Verbänden, Funktionären oder Jury-Mitgliedern gegen jede Vernunft des Sportes getroffen wurden. „Ausbaden“ müssen dies immer die Athleten, die in einer Art Gehorsam hinnehmen, was die Regeln vorgeben. Aber, siehe Klingenthal, wer oben auf der Schanze steht, der hat halt doch einen anderen Eindruck, als Jury-Mitglieder weiter unten. Freilich, wenn das Beispiel Schule macht, wird es kaum noch einen regulären Wettbewerb geben. Aber gerade beim Skispringen, das besonders wetter- und windanfällig ist, darf die Gefahr nicht unterschätzt werden. Für die Jury heißt dies, lieber früher absagen oder abbrechen als nur einen schweren Unfall zu spät. Schlierenzauer und Bardal haben wohl an ihre Gesundheit und die nächsten Wettbewerbe gedacht. Ein schwerer Sturz und Olympia wäre vielleicht nur noch eine Fata Morgana.

Da wären wir schon mittendrin im Wintersport, der uns jetzt bis Mitte oder Ende März im Bann halten wird. ARD und ZDF starten wieder ihre stundenlangen Übertragungen am Wochenende, sehr zum Leidwesen von denjenigen Zuschauern, die ihre Lieblingssendung gestrichen sehen. Aber offensichtlich sind die Einschaltquoten für die Sender so gut, dass sie am Skisport festhalten. Sie haben außerdem dafür bezahlt.

Ein Blick auf die Einschaltquoten am ersten Wochenende zeigt, dass die Sender offensichtlich richtig liegen und von Seiten der Zuschauer Interesse vorhanden ist. Vor allem Biathlon erwies sich sofort wieder als Magnet, 3,48 Millionen Interessierte sahen am Sonntag bei der nicht einmal so populären Mixed-Staffel zu, ein Zuschaueranteil von 19 Prozent. 2,10 Millionen waren es beim Skispringen, sogar noch 1,9 Millionen beim Rodeln. Am Samstag sahen gerade einmal 1,4 Millionen das Spiel der WM-Qualifikation der Fußball-Frauen in der Slowakei! Auch die Fußball-Frauen freuten sich schon über mehr als vier Millionen Zuschauer, eine Zahl, die auch Biathlon bei attraktiven Wettkämpfen und zuschauerfreundlichen Übertragungszeiten leicht erreicht.

Die letzten Winter haben gezeigt, dass Biathlon inzwischen die Wintersportart Nummer eins ist. Dafür sorgten wohl vor allem die Erfolge in den letzten Jahren, allen voran von Magdalena Neuner, aber auch Michael Greis, Kati Wilhelm und anderen. Der alpine Skisport hat ebenso verloren wie das Skispringen, das allein bei der Vier-Schanzen-Tournee noch eine wirklich hohe Einschaltquote erzielt.

Biathlon hat es anderen Sportarten vorgemacht, dass man seine Wettbewerbe neu gestalten muss, um für Zuschauer an der Strecke und im Fernsehen interessant zu sein. So wurde die Verfolgung vor einiger Zeit neu erfunden und dazu der Massenstart. Die Abwechslung von Laufen und Schießen sorgt fast in jedem Wettbewerb für ständige Führungswechsel und macht es spannend quasi bis zum letzten Schuss. Vor allem auch bei den genannten Wettbewerben, wenn es Frau gegen Frau oder Mann gegen Mann geht. Die hohen Einschaltquoten sind also kein Wunder.

Zudem sind Athletinnen wie Magdalena Neuner oder jetzt ihre designierte Nachfolgerin Miriam Gössner beste Werbeträger für ihren Sport. Ihnen schaut man einfach gerne zu. Bleiben allerdings die Erfolge aus, dann wird auch die Schar der Fans zunehmend kleiner werden. Wir werden sehen, was in diesem Jahr für Andrea Henkel, Miriam Gössner (nach einer schweren Verletzung beim Radfahren), der Umsteigerin Evi Sachenbacher-Stehle und der Nachwuchshoffnung Laura Dahlmeier möglich ist. Bei den Herren sollten vor allem Andreas Birnbacher und Arnd Peiffer vorne mithalten können. Aber sowohl bei den Damen als auch bei den Herren ist die Konkurrenz aus Norwegen, Russland (besondere Anstrengungen durch Olympia in Sotschi), Schweden, Frankreich, aber auch Finnland, Österreich, Italien, Ukraine, Tschechien und anderen Nationen sehr groß. Podestplätze könnten dünn gesät sein.

Aber auch beim Biathlon spielt das Wetter oft eine große Rolle, Kälte, Wind und Nebel können die Wettbewerbe beeinträchtigen. Auch hier sind weise Entscheidungen der Jury gefragt. Die Verletzungsgefahr ist da freilich nicht so groß wie beim Skispringen. Doch mündige Athleten wünscht sich der Sport-Grantler überall.

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