Im Schatten des Fußballs
von knospepeter
Die Fußball-Weltmeisterschaft hält uns im Bann. Man könnte in diesen Tagen wirklich meinen, Fußball bestimmt unser Leben. Die WM sorgt für Umsatz, jeder versucht vom WM-Kuchen ein Stückchen abzukommen. Kein Konsumzweig kommt ohne WM aus. Bei der WM interessieren sich plötzlich Leute für Fußball, die ansonsten gerade noch wissen, dass der Ball rund ist. Eine Nation versammelt sich vor dem Fernseher, auch wenn die 26,36 Millionen Zuschauer beim 4:0 der deutschen Mannschaft gegen Portugal noch nicht einmal Rekord für das erste WM-Spiel einer DFB-Elf waren. Der Fußball bringt die Menschen aber auch zusammen, Public Viewing wurde zum Kult, funktioniert so richtig aber auch nur bei der WM.
Die TV-Einschaltquoten sagen alles über das Interesse. Keine andere Fernsehsendung kann mit WM-Spielen mithalten, selbst ein Match der Nobodys Iran und Nigeria sahen am Montag um 21 Uhr in Deutschland (!) 9,46 Millionen Zuschauer. Quoten, die höchstens noch der „Tatort“ erreicht oder früher „Wetten, dass…?“. Um Mitternacht schauten sich noch 3,61 Millionen die USA gegen Ghana an, verschenkten für so ein Spiel also eine große Mütze Schlaf. ARD und ZDF preisen ansonsten Shows wie von Silbereisen oder Carmen Nebel als „Knüller“ an, aber die haben oft nicht mehr Zuschauer. Wohlgemerkt an einem Samstagabend um 20.15 Uhr!
Logisch eigentlich, dass auch die Bundeskanzlerin ein Stück vom Kuchen abhaben will und die WM besucht. Wer dies nicht verstehen kann, lebt nicht in der heutigen Zeit. Die Opposition wettert zwar pflichtgemäß, aber sie muss sich als von vorgestern schelten lassen. Ist doch klar, dass die Regierungschefin der deutschen Mannschaft den Rücken stärkt und „ihrem“ Volk zeigt, „ich bin eine von Euch“. Sie hätte allerdings mehr „Fans“ in ihrem Airbus mitnehmen können, angeblich waren nur 15 Personen dabei – auch von der Opposition. Aber Angela Merkel fliegt nicht nur als Fan, sammelt zwar Sympathiepunkte auf der Tribüne, traf sich aber auch mit Brasiliens Regierungschefin. Alles o. k. also.
Im Licht des Fußballs gibt es aber auch viel Schatten. Die anderen Sportarten in Deutschland erleben wieder einmal, dass es sich nach Fußball, Fußball, Fußball nur schlecht leben lässt. Die WM füllt bei den Tageszeitungen Seiten, ein Sensationssieg wie von Golf-Profi Martin Kaymer bei den US Open ist manchen nur eine kleine Meldung wert, andere stoßen mit einem Drei-Spalter an ihre Grenzen. Für den Sport neben Fußball ist kaum Platz.
Das merken vor allem die anderen Mannschaftssportarten wie Handball, Basketball, Hockey, Volleyball oder Eishockey. Sie können nicht einmal mit Erfolgen aus dem Schatten treten, aber leider bleiben derzeit die Erfolge auch noch aus. Wie wollen sie dann Schlagzeilen machen? Nur mit Streit? Die Handballer haben wieder einmal die WM-Qualifikation verpasst und versinken in der Zweitklassigkeit. Da nützen die Erfolge der Vereinsteams nichts, denn dort haben Ausländer das Sagen und sind so dafür verantwortlich, dass der deutsche Handball am Stock geht. Ähnlich sieht es im Basketball aus. Die Auswahlteams im Hockey waren bisher die große Ausnahme, jetzt aber haben sie sich aus der internationalen Spitze verabschiedet. Aber wer spricht auch schon – außerhalb von Olympischen Spielen – von Hockey?
Da helfen auch Geldspritzen des Staates oder noch so gute Marketingkonzepte nichts – gegen den Fußball ist in Deutschland kein Kraut gewachsen. Alle zwei Jahre (EM und WM im Wechsel) kennt Deutschland im Sommer nur ein Thema – Fußball. Aber auch ansonsten ist Fußball zumindest im Sport Gesprächsthema Nummer 1. Alle anderen müssen im Schatten des Fußballs leben und versuchen zu überleben.