Fußball-Nachwuchs leidet unter der WM
von knospepeter
Die Fußball-Weltmeisterschaft ist sportlich „das“ Ereignis in diesem Jahr. Nicht nur Fußball-Fans schauen nach Brasilien, eine ganze Nation zittert mit der Mannschaft – nicht nur in Deutschland. Aber es gibt auch noch ein Leben nach der WM. Die deutsche U 19 zum Beispiel steht vor der Europameisterschaft, die vom 19. bis 31. Juli in Ungarn ausgetragen wird. Zugegeben ein unglücklicher Termin, zumal er auch in die Vorbereitung der Bundesliga-Klubs fällt. Deshalb gibt es auch zu Hause in Deutschland Ärger.
Der gordische Knoten lässt sich wahrscheinlich nie lösen: Was ist der richtige Termin für eine Nachwuchs-Meisterschaft? Das gilt für die U 19, ganz besonders auch für die U 21. Manche Junioren stehen bereits auf dem Sprung in den Bundesliga-Kader, sollen also nicht in der Saison oder in der Vorbereitung fehlen. Andererseits sollen sie internationale Erfahrung sammeln, Bundesliga und DFB wollen zudem auch, dass die beste Mannschaft Deutschland repräsentiert und möglichst Titel gewonnen werden. Dies geht aber nur mit den besten Spielern. Im WM-Jahr ist die Terminplanung besonders schwierig, da leidet der Nachwuchs offensichtlich unter der WM.
Zwischen Anspruch und Wirklich besteht aber eine große Diskrepanz. Hier die Worthülsen („Wir fordern die stärkste Mannschaft“), da die Realität („Aber auf unsere Spieler können wir nicht verzichten“). Schalke 04 liefert das Beispiel, der Verein hat den Antrag auf Freistellung für Max Meyer und Leon Goretzka gestellt. Schalke braucht sie angeblich, die Spieler sollen die Vorbereitung mitmachen. DFB-Trainer Marcus Sorg braucht sie auch, ohne die besten Spieler keine Aussicht auf Erfolg. Für den DFB heißt es „wehret den Anfängen“, werden die Schalker freigegeben, dann muss Sorg womöglich auch auf Julian Brandt, Levin Öztunali (beide Leverkusen), Niklas Süle (Hoffenheim), Serge Gnabry (Arsenal London), Marian Sarr (Dortmund), Timo Werner (Stuttgart) oder Joshua Kemmich (Leipzig) verzichten. Dann heißt es „Titel ade“. Doch dies widerspricht dem Ziel, dass die Spieler bei den Junioren schon lernen sollen, wie Meisterschaften gewonnen werden. Wer in jungen Jahren nicht gefordert wird, kann später wohl keine Stütze einer WM-Mannschaft sein.
Also, liebe Vereine, über den Tellerrand hinausblicken. Wenn die Spieler im August zum Bundesliga-Kader stoßen, sollten sie immer noch eine reelle Chance für einen Platz in der Mannschaft haben. Diesbezüglich sind nämlich auch die Spieler in einem Dilemma. So hat schon der Leipziger Joshua Kemmich betont, dass er auf die Europameisterschaft verzichte, wenn der Verein es will, er wolle schließlich um einen Platz in der ersten Elf kämpfen. In Leipzig wohlgemerkt, nicht in der Nationalmannschaft.
Bulgarien, Titelverteidiger Serbien und die Ukraine sind die Gegner in Ungarn. Nach der Weltmeisterschaft ist also vor der Europameisterschaft. Die Frage also: Werden in Ungarn die Weichen für die WM 2018 bzw. 2022 gestellt oder müssen die Junioren eine Bruch in ihrer Entwicklung auf internationale Bühne hinnehmen? Es bleibt spannend, nicht nur in Brasilien.