Müller-Wohlfahrt und Co.: Ärzte haben die Macht
von knospepeter
Der Abgang des Mannschaftsarztes sorgte beim FC Bayern München für mehr Wirbel als die peinliche 1:3-Niederlage gegen den FC Porto in der Champions League. Was lange gärte, kam zum Ausbruch. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der Mann mit den „Goldenen Händen“, legte sein Amt nieder, als von Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge die Kritik erneuert wurde, dass wohl die Ärzte für die Verletzungsmisere der Münchner verantwortlich seien. Dies war eine Majestätsbeleidigung. Für „Mull“, so wird er von Freunden und Spielern genannt, war das „Müll“, er fühlte sich mit Dreck beworfen.
Seit Pep Guardiola Trainer in München ist gab es Spannungen mit dem Ärzteteam. So war der Spanier verwundert, dass kein Arzt beim Training anwesend war, die Spieler erst in die Praxis in die Stadt fahren mussten. Dieser Missstand wurde behoben. Nicht behoben werden konnten die unterschiedlichen Auffassungen über die Schnelligkeit der Heilung. Müller-Wohlfahrt vertraut auf eine langfristige Heilung und nimmt dafür einen längeren Ausfall in Kauf, der Trainer möchte den Spieler am liebsten sofort wieder zur Verfügung haben. Zwei Alphatiere standen sich gegenüber, zwei Koryphäen von Weltruf. Wer hat jetzt gewonnen? Pep Guardiola wird dann verlieren, wenn die Bayern in der Champions League scheitern. Müller-Wohlfahrt kann im Prinzip nicht verlieren. Er bleibt Arzt der Nationalmannschaft und Vertrauensmann der Spieler, die weiter bei ihm in Behandlung bleiben wollen.
Dies wirft die Frage auf, welche Macht denn die Ärzte haben. Genau betrachtet, liegt alle Macht bei den Ärzten. Welcher Trainer wird denn einen Spieler „gesundschreiben“, wenn der Arzt einen Einsatz ablehnt. Welcher Sportler wird dem Arzt widersprechen, wenn der ihm ein Mittelchen zur Heilung verschreibt. Nur so waren auch die diversen Dopingskandale möglich, weil Sportler verbotene Mittel verabreicht bekommen haben und gar nicht daran gedacht haben, zu hinterfragen. Der Wunsch, „mach mich schnell wieder fit“, ist für die Ärzte Befehl. Oder muss man heute sagen „war“? Das ist wohl nicht immer so.
Die Macht der Ärzte zeigte sich auch bei den früher renommierten Freiburger Professoren Joseph Keul und Armin Klümper, die weltweit den besten Ruf hatten. Heute wissen wir, sie waren in Doping-Skandale verstrickt. Sie hatten die Macht über Verbände und Sportler. Oder der Skandal um den spanischen Arzt Fuentes, der den Radsport (und nicht nur diesen) erschütterte. Fuentes hatte lange Zeit die Macht, ja, man kann sogar sagen, er machte Sieger.
Wer stellt die Mannschaft auf? Natürlich der Trainer, wird jeder sagen. Aber wie oft haben wir schon gehört, dass die Trainer seufzen und angesichts von vielen verletzten Spielern stöhnen, „die Mannschaft stellt der Arzt auf“. So war es zuletzt auch bei den Bayern, als ein Star nach dem anderen fehlte und sich die Mannschaft quasi allein aufstellte. In den entscheidenden Wochen der Saison konnte Pep Guardiola nicht rotieren und anfangs avisierte kurze Ausfälle erwiesen sich als Langzeitverletzte (siehe Franck Ribery). Kein Wunder, dass der Trainer auf den Arzt nicht gut zu sprechen war. Kein Wunder, dass ein Müller-Wohlfahrt mit Kritik nicht leben kann, schließlich schicken Klubs aus ganz Deutschland ihre Spieler zu ihm nach München, wenn sie nicht mehr weiterwissen.
Das Schweigen der Bayern
Unverständlich, dass für Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt 40 Jahre FC Bayern mit einer kurzen Presseerklärung – ohne vorher den Verein zu unterrichten – so stillos beendet werden. Unverständlich aber auch die Krisenbewältigung der Bayern, bei denen die Verantwortlichen hilflos wirkten. Sport-Vorstand Matthias Sammer zum Beispiel hätte hier eingreifen müssen, aber er schwieg. So sorgte eine peinliche Niederlage im schlechtesten Spiel des Jahres für eine Krise bei einem erfolgsverwöhnten Verein, der bis dahin noch auf Wolke sieben schwebte. Mal sehen, ob durch dieses Erdbeben am Ende die ganze Saison trotz Meistertitel als misslungen angesehen werden muss. Ob dann am Ende auch Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt glücklich ist?